Entscheidungsstichwort (Thema)
Provisionszahlung als Schmiergeldzahlung. Strafverfolgungsverjährung und Pflicht des Finanzamts zur Offenbarung von Schmiergeldzahlungen gegenüber Strafverfolgungsbehörden
Leitsatz (redaktionell)
1. Die möglicherweise bereits eingetretene Strafverfolgungsverjährung steht einer Mitteilung nach § 4 Abs. 5 Nr. 10 Satz 3 EStG nicht entgegen.
2. § 4 Abs. 5 Nr. 10 Satz 3 EStG begründet in Bezug auf Schmiergeldzahlungen nicht nur eine Offenbarungsbefugnis, sondern eine Offenbarungspflicht der Finanzbehörde gegenüber den Strafverfolgungsbehörden.
Normenkette
AO § 30 Abs. 2, 4; StGB a.F. § 299; StGB § 78 Abs. 3 Nr. 4, § 78a; EStG § 4 Abs. 5 Nr. 10; BPO § 10 Abs. 1 S. 5; UWG § 12; FGO § 114
Nachgehend
Tenor
1) Der Antrag wird zurückgewiesen.
2) Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3) Die Beschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob dem Antragsgegner (Ag) im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu untersagen ist, die Strafverfolgungsbehörden von eventuellen Schmiergeldzahlungen der Antragstellerin (Astin) in Kenntnis zu setzen.
Die Astin betreibt ein Unternehmen zur Herstellung von … in – X –. Einen erheblichen Teil ihres Umsatzes erwirtschaftet sie aus der Geschäftsbeziehung mit der Y-GmbH mit Sitz in – T –. Deren verantwortlicher Einkäufer war in den im Streitfall betroffenen Jahren Herr F.. Seit dem Jahr 1995 leistete die Astin Zahlungen an Herrn F. in Höhe von 10 v.H. des Wertes der von ihm im Namen der Y-GmbH bei der Astin bestellten Waren.
Im Jahr 2001 wurde bei der Astin eine steuerliche Betriebsprüfung (BP) hinsichtlich der Jahre 1995 bis 1999 und im Jahr 2006 eine BP für die Jahre 2000 bis 2004 durchgeführt. Im Rahmen der letztgenannten BP gelangte der Ag zu der Auffassung, dass die Zahlungen der Astin an Herrn F. den Tatbestand des § 299 Strafgesetzbuch (StGB) erfüllen könnten. Er beabsichtigt daher, die erlangten Erkenntnisse über diese Zahlungen wegen des Verdachts einer Strafbarkeit gemäß § 299 StGB an die Strafverfolgungsbehörden weiterzuleiten.
Die Astin wendet dagegen ein, diese Zahlungen, die bereits vom früheren Geschäftsinhaber der Astin geleistet worden seien, hätten bereits der BP für die Jahre 1995 bis 1999 unterlegen. Es seien zwar Kontrollmitteilungen über die Provisionen gefertigt worden, jedoch ohne dass die fraglichen Beträge im Hinblick auf § 4 Abs. 5 Nr. 10 Einkommensteuergesetz (EStG) aufgegriffen oder auch nur angesprochen worden seien. Auch im Rahmen der BP für die Jahre 2000 bis 2004 seien die Provisionszahlungen zunächst nicht unter dem Gesichtspunkt der Regelung des § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG thematisiert worden, obwohl erneut Kontrollmitteilungen gefertigt worden und dem Betriebsprüfer sämtliche Rechnungen bzw. Gutschriften über die Provisionen in Kopie vorgelegen hätten. Erst im Rahmen einer abschließenden Besprechung eines gesonderten Teilaspekts der BP am 5. April 2007, nach Einigung der Parteien in allen anderen Punkten, habe der Betriebsprüfer darauf hingewiesen, dass er sich „aufgrund einer kurz zuvor erfolgten Fortbildung diese Provisionszahlungen noch einmal näher angeschaut habe” und er der Auffassung sei, dass diese unter § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG zu subsumieren seien. Die Astin trägt weiter vor, der Betriebsprüfer hätte sie zu diesem Zeitpunkt über ihre Rechte bei der Mitwirkung im Besteuerungsverfahren belehren müssen. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 5 Betriebsprüfungsordnung (BPO) sei diese Belehrung unter Angabe von Datum und Uhrzeit aktenkundig zu machen. Eine entsprechende Belehrung sei jedoch nicht erfolgt, was zu einem strafrechtlichem Verwertungsverbot führe. In strafrechtlicher Hinsicht sei aufgrund der Beendigung der Tat im Jahre 2002 gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB in Verbindung mit – i.V.m. – § 78a EStG bereits Verjährung eingetreten.
Die Mitteilungspflicht der Finanzbehörde nach § 4 Abs. 5 Nr. 10 Satz 3 EStG diene vordringlich der Sicherung der Strafverfolgung und solle verhindern, dass die Finanzbehörde straf- oder bußgeldrechtlich relevantes Verhalten unzutreffend beurteile. Aufgrund der bereits eingetretenen Verjährung in strafrechtlicher Hinsicht könne eine Mitteilung der Finanzbehörden aber zu keiner strafrechtlichen Verfolgung mehr führen. Als Folge der beabsichtigten Mitteilung an die Staatsanwaltschaft würde diese sehr wahrscheinlich Ermittlungen beim entsprechenden Kunden der Astin durchführen. Der Umsatz mit diesem Kunden, der zwischenzeitlich ein Unternehmen des Z-Konzerns sei, betrage – Tendenz steigend – im ersten Halbjahr 2007 bereits mehr als 20 % des Gesamtumsatzes der Astin. Es sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass aufgrund der zu erwartenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sämtliche Geschäftsbeziehungen zur Astin eingestellt würden und damit ein für den Fortbestand des Unternehmens existenzieller Anteil des Gesamtumsatzes wegfalle.
Weiter lässt die Astin vortragen, Rechtsgrund der Mitteilungspflicht nach § 4 Abs. 5 ...