rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuererklärung nach Schätzungsbescheid als Antrag i. S. d. § 171 Abs. 3 AO. vom Insolvenzverwalter abgegebene, versehentlich die Zahlen eines anderen Insolvenzverfahrens erklärende Umsatzsteuerjahreserklärung als i. S. d. § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO zum Beginn der Festsetzungsfrist führende „Steuererklärung”
Leitsatz (redaktionell)
1. Führt eine nach Ergehen eines unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden, geschätzten Umsatzsteuerbescheids eingereichte Umsatzsteuererklärung zu einer Sollminderung, so ist die Steuererklärung als Antrag i. S. d. § 171 Abs. 3 AO anzusehen (gegen FG München, Urteil v. 20.10.2015, 12 K 1733/11).
2. Eine nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Insolvenzverwalter abgegebene, von ihm persönlich unterschriebene Umsatzsteuererklärung ist auch dann eine nach § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO zum Beginn der Festsetzungsfrist führende „Steuererklärung”, wenn die erklärten Umsätze und Vorsteuerbeträge erheblich von den vorangemeldeten Beträgen abweichen, weil ein Mitarbeiter des Insolvenzverwalters versehentlich die für die Umsatzsteuer relevanten Zahlen aus einem anderen Insolvenzverfahren eingesetzt hat, der Insolvenzverwalter nach einer Rückfrage des FA um Rücksendung der fehlerhaften Steuererklärung gebeten hat, das FA diesen Antrag jedoch mit der Begründung abgelehnt hat, die Steuererklärung sei mit ihrem Eingang „zum Gegenstand des Besteuerungsverfahrens” geworden, die erklärten Umsätze bzw. Vorsteuern würden aber nicht der Besteuerung zugrunde gelegt.
3. Die Festsetzungsfrist beginnt auch dann mit der Abgabe der Steuererklärung zu laufen, wenn die Erklärung teilweise unvollständig oder unrichtig ist. Andererseits darf die Erklärung nicht derart lückenhaft sein, dass dies praktisch auf das Nichteinreichen der Erklärung hinausläuft. Ob ein Dokument davon ausgehend als Steuererklärung anzusehen ist, richtet sich entsprechend dem Normzweck des § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO danach, ob insoweit die der Finanzbehörde zur Verfügung stehende Bearbeitungszeit verkürzt wurde (vgl. Rechtsprechungsnachweise).
Normenkette
AO § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 171 Abs. 3; UStG § 18 Abs. 3 S. 1
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob der Beklagte zu Recht eine sachliche Bescheidung der am 20.12.2013 übermittelten Umsatzsteuerklärungen 2006 und 2007 unter Hinweis auf die Regelungen über die Festsetzungsverjährung ablehnt.
Der Kläger wurde mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der B… GmbH –Schuldnerin– am 01.06.2006 zum Insolvenzverwalter bestellt.
Für die Bearbeitung der nach Insolvenzeröffnung verwirklichten Besteuerungstatbestände richtete der Beklagte unter der damaligen Steuer-Nr. … ein sog. Massesteuerkonto ein.
Unter dieser Steuer-Nr. meldete der Kläger im Voranmeldungsverfahren für den Zeitraum Juni bis Dezember 2006 insgesamt steuerfreie Umsätze in Höhe von 31.345,– EUR, Umsätze aus Lieferungen und Leistungen zum Regelsteuersatz in Höhe von 685.187,– EUR, Umsätze zu anderen Steuersätzen in Höhe von 5.401,– EUR, Umsatzsteuer darauf in Höhe von 1.026,25 EUR, Vorsteuer in Höhe von 89.126,76 EUR und eine zu zahlende Umsatzsteuer in Höhe von 21.530,– EUR an (Bl. 5 Umsatzsteuerakte –UA–). Für 2007 meldete der Kläger im Voranmeldungsverfahren insgesamt steuerfreie Umsätze in Höhe von 17.010,– EUR, Umsätze aus Lieferungen und Leistungen zum Regelsteuersatz in Höhe von 595.400,– EUR, Umsätze zu anderen Steuersätzen in Höhe von 102.950,– EUR, Umsatzsteuer darauf in Höhe von 16.472,52 EUR, Vorsteuer in Höhe von 103.557,92 EUR und eine zu zahlende Umsatzsteuer in Höhe von 26.041,54 EUR an (Bl. 24 UA).
Am 07.04.2008 gingen zwei amtliche Vordrucke der Umsatzsteuererklärung 2006 beim Beklagten ein, wobei bei einem der beiden Vordrucke die Jahreszahl auf dem Deckblatt handschriftlich in „2007” geändert war. Als Name des Unternehmers war jeweils die Schuldnerin und darunter – in der Zeile „Art des Unternehmens” – „Rechtsanwalt A… als Insolvenzverwalter” und dessen Büroanschrift angegeben. Die Erklärungsvordrucke waren jeweils vom Kläger persönlich unterschrieben und im sog. Mitwirkungsfeld mit dem Stempel der Sozietät aus Rechtsanwälten und Steuerberatern versehen, der der Kläger seinerzeit angehörte. Für 2006 wurden keine Umsätze und nur Vorsteuer in Höhe von 120,43 EUR, für die entsprechende Rechnungskopien beigefügt wurden, erklärt. Einem Vorauszahlungssoll von 0,– EUR wurde eine Umsatzsteuer von –120,43 EUR gegenübergestellt. Für 2007 wurden Umsätze aus Lieferungen und sonstigen Leistungen in Höhe von 1.245,– EUR und Vorsteuer in Höhe von 13.502,74 EUR, für die entsprechende Rechnungskopien beigefügt wurden, erklärt. Einem Vorauszahlungssoll von 0,– EUR wurde eine Umsatzsteuer in Höhe von –13.303,54 EUR gegenübergestellt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Erklärungsvordrucke (Bl. 1 f., 7 f. UA) Bezug genommen.
Der Beklagte wurde durch Prüfhinw...