Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Anerkennung der Gemeinnützigkeit einzuhaltende Anforderungen an die Satzung einer staatlich beaufsichtigten Stftung mit Sitz im EU-Ausland
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine bereits vor Jahrhunderten als „immerwährendes Kollegium des Studiums des Wissenschaften, der heiligen Theologie, der Philosophie und der guten Künste” gegründetes, einer britischen Universität zugehörendes, in Großbritannien staatlich beaufsichtigtes College in der Rechtsform einer englischen Stiftung, das wie von einem unabhängigen Wirtschaftsprüfer „auditor”) geprüft und bestätigt, tatsächlich ausschließlich die gemeinnützigen satzungsmäßigen Zwecke verfolgt, kann auch nach dem 18.12.2006 (Aufhebung von § 62 AO a.F) auch dann hinsichtlich inländischer Einkünfte in Deutschland weiter als gemeinnützig anerkannt werden, wenn der Grundsatz der Vermögensbindung nach wie vor nicht in der Satzung des Colleges verankert worden ist.
2. Die Anerkennung der Gemeinnützigkeit setzt nicht zwingend voraus, dass in der Satzung einer Körperschaft ausdrücklich die Begriffe „Selbstlosigkeitsgebot” und „Begünstigungsverbot” verwendet werden; bei der Auslegung von Satzungen im Hinblick auf gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke ist eine allzu kleinliche „Wortklauberei” zu vermeiden.
Normenkette
KStG § 5 Abs. 1 Nr. 9, Abs. 2 Nr. 2; AO §§ 51, 55 Abs. 1 Nr. 4 S. 2, §§ 59-62; EGAO Art. 97 § 1f
Nachgehend
Tenor
Der Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin unter Aufhebung des Bescheides für 2009 über Körperschaftsteuer vom 15. Dezember 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. August 2011 von der Körperschaftsteuer 2009 freizustellen.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte in 2009 (Streitjahr) gegenüber der Klägerin Körperschaftsteuer festsetzen durfte oder ob die Klägerin als gemeinnützige Körperschaft anzusehen ist.
Bei der Klägerin handelt es sich um ein im Jahr xxxx [VOR JAHRHUNDERTEN] gegründetes College, das der Universität X, Großbritannien, zugehörig ist und die Rechtsform einer Stiftung englischen Rechts aufweist. Aus ihrer Gründungsurkunde, …, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird, ergibt sich, dass das College als „immerwährendes Kollegium des Studiums der Wissenschaften, der heiligen Theologie, der Philosophie und der guten Künste” errichtet wurde.
In Großbritannien ist die Klägerin aufgrund ihrer Förderung der Allgemeinheit gemäß des „Schedule 2 of the Charities Act 1993 (c.10)” von der Besteuerung des Einkommens bzw. der Veräußerungsgewinne freigestellt. Die Aufsicht über die Einhaltung der Bestimmungen für gemeinnützige Einrichtungen, die sich vor allem aus dem englischen Charities Act und den Rechtsfortbildungen des common law ergeben, übt in England die „Charity Commission” aus, die hinsichtlich der Klägerin bisher keinen Anlass zu Beanstandungen hatte.
Im Jahr 2006 mit Lastenwechsel zum 01. Januar 2007 erwarb die Klägerin für xx.xxx.xxx EUR das Wohn- und Geschäftshaus in der B.-straße/C.-straße in D.. Im Streitjahr erzielte die Klägerin aus dem Objekt Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. In 2008 erwarb sie zwei weitere Grundstücke in D. zum Preis von insgesamt xx.xxx.xxx EUR.
In 2007 erfolgte die steuerliche Anmeldung der Klägerin. Gegen die zunächst festgesetzten Vorauszahlungen zur beschränkten Körperschaftsteuer 2007 und 2008 wandte sich die Klägerin mit einem Einspruch unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 20. Dezember 2006 (I R 94/02 – „Stauffer-Urteil”) und die vorangegangene Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 14. September 2006 (C-386/04) in der Rechtssache „Centro di Musicologia Walter Stauffer”. Zudem reichte die Klägerin auszugsweise vier Seiten aus ihrer Gründungsurkunde sowie einen Internetausdruck des Charities Act von 1993, beides in englischer Sprache, ein.
Der Beklagte half dem Einspruch mit der Begründung ab, dass es sich lediglich um Vorauszahlungen handele, obwohl seiner Ansicht nach die Klägerin nicht nachgewiesen habe, dass ihr in Großbritannien Steuerfreiheit aufgrund ihrer Gemeinnützigkeit gewährt werde. Zudem erwartete der Beklagte in Anbetracht des Stauffer-Urteils Verwaltungsanweisungen zur steuerlichen Behandlung ausländischer gemeinnütziger Organisationen. Bis zu diesem Zeitpunkt stellte sich die Frage einer Steuervergünstigung für nicht im Inland ansässige gemeinnützige Körperschaften nicht, da § 5 Abs. 2 Nr. 2 Körperschaftsteuergesetz (KStG) in der ...