Entscheidungsstichwort (Thema)
Kraftfahrzeugsteuer: Auch unter Berücksichtigung von § 18 Abs. 12 KraftStG keine ausnahmslose Bindung an die Eintragungen in der Zulassungsbescheinigung. Besteuerung eines mit maximal sechs Sitzplätzen in den Fahrzeugpapieren eingetragenen, tatsächlich aber aufgrund einer fest eingebauten Trennwand über nur drei Sitzplätze verfügenden Fahrzeugs als LKW
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein vor 2010 erstmals als „Lkw Geschl. Kasten” zugelassenes Fahrzeug mit verblechten hinteren Türen und verblechter Seitenschiebetür (Fahrzeugklasse 10; Aufbau 0300; Eintragungen in der Zulassungsbescheinigung: Sitzplätze einschließlich Fahrer 6; Sitzplatzanzahl „max. S-Pl.”; Höchstgeschwindigkeit 150 km/h; Masse des Fahrzeugs in Betrieb, Leermasse, in kg von 1.885 bis 2.163 kg; Länge bis 5.182 mm; Höhe 2.420 bis 2.497 mm), in dem bereits bei der Neuauslieferung hinter der ersten Sitzreihe eine Wand (Blech) fest montiert war und das deshalb von Anfang an nur über drei Sitzplätze auf der Vorderbank verfügt hat, ist ungeachtet der in der Zulassungsbescheinigung eingetragenen sechs Sitzplätze auch unter Berücksichtung von § 18 Abs. 12 KraftStG weiter als LKW und nicht als PKW zu besteuern, wenn die Zulassung sämtliche Karrosserievarianten des Herstellers umfasst, die Zulassung des strittigen Kfz die höchstmögliche Sitzplatzanzahl für alle Typen bzw. Karosserieversionen ausweist und von der Gesamtlänge des Fahrzeugs (5,18 m) nur 1,55 m auf die tatsächlich zur Personenbeförderung genutzte Fläche entfallen, wogegen die auf die zur Lastenbeförderung genutzte Fläche eine deutlich höhere Seitenlänge (2,80 m) entfällt.
2. Decken unabhängig vom individuell ausgelieferten Fahrzeug vorgenommene „Von-bis”-Eintragungen in den Fahrzeugpapieren alle Fahrzeugtypen und -varianten eines Herstellers ab (z.B. kurzer oder langer Radstand, Normal- oder Hochdach, Kastenwagen, Komi oder Tour), stellt die Eintragung der maximalen Sitzplätze in den Fahrzeugpapieren keinen für die Kfz-Steuer verbindlichen Grundlagenbescheid dar (Abgrenzung zum BFH, Beschluss v. 18.3.2008, II B 94/07, BFH/NV 2008 S. 1204).
Normenkette
KraftStG § 2 Abs. 2 Nr. 2, § 9 Abs. 1 Nrn. 3, 2, § 18 Abs. 12; KraftStG in der am 1. Juli 2010 geltenden Fassung § 2 Abs. 2a S. 1 Nr. 1; KraftStG in der am 1. Juli 2010 geltenden Fassung § 2 Abs. 2 S. 2; KraftStG in der am 1. Juli 2010 geltenden Fassung § 2 Abs. 2 S. 3; AO § 171 Abs. 10
Nachgehend
Tenor
Der Bescheid über Kraftfahrzeugsteuer des Kraftfahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen … vom 03. November 2017 und die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 17. Januar 2018 werden dahingehend geändert, dass die Kraftfahrzeugsteuer nach dem Tarif des § 9 Abs. 1 Nr. 3 Kraftfahrzeugsteuergesetzes bemessen wird.
Die Revision wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger ist Halter eines B… (Erstzulassung am 10. November 2006) mit dem amtlichen Kennzeichen … (im Weiteren: „Kfz”). Das Kfz verfügt über einen Dieselmotor (Hubraum 1.995 Kubikzentimeter); es wurde auf den Kläger als „Lkw Geschl. Kasten” (Fahrzeugklasse 10; Aufbau 0300) zugelassen. In der Zulassungsbescheinigung I ist u.a. eingetragen:
Sitzplätze einschließlich Fahrer |
6 |
Höchstgeschwindigkeit |
150 km/h |
Masse des Fahrzeugs in Betrieb (Leermasse, in kg) |
von 1.885 bis 2.163 kg |
Länge |
bis 5.182 mm |
Höhe |
2.420 bis 2.497 mm |
Unter den Bemerkungen wurde in der Zulassungsbescheinigung zum Feld S.1 (Sitzplatzanzahl) vermerkt: „max. S-Pl.”.
Der Kläger ließ das Kfz zunächst ganzjährig unter dem amtlichen Kennzeichen … zu. Die festgesetzte Kraftfahrzeugsteuer –KraftSt– betrug zunächst 160 EUR (Besteuerung als Lkw). Nach einer Saisonzulassung für die Monate März bis Oktober wurde die KraftSt auf 107 EUR für diesen Zeitraum herabgesetzt (Bescheid vom 02. Juli 2014).
Zum 24. Oktober 2017 ließ der Kläger das Kfz auf das amtliche Kennzeichen … für die Saison März bis November zu. Der Beklagte setzte die KraftSt daraufhin mit Bescheid vom 03. November 2017 für die Zeit vom 24. Oktober 2017 bis 30. November 2017 auf 32,00 EUR und ab dem 01. März 2018 für die Monate März bis November auf 232 EUR fest. Die KraftSt ermittelte der Beklagte nach dem Hubraum des Kfz (15,44 EUR × 20 angefangene 100 Kubikzentimeter). Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass das Kfz nach der vor dem 01. Juli 2010 geltenden Rechtslage gem. § 18 Abs. 12 Kraftfahrzeugsteuergesetz –KraftStG– als Pkw zu besteuern sei.
Der Kläger legte hiergegen fristgerecht Einspruch ein.
Aus dem Beklagten vorgelegten Fotos geht hervor, dass das Kfz über eine seitliche Schiebetür (verblecht) sowie über eine zweiflügelige Hecktür (verblecht) verfügt. Hinter der ersten Sitzre...