rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Lohnsteuerhaftung. Überwachungspflichten und Verantwortlichkeit des Geschäftsführers bei Beitritt der GmbH zu konzerninternem Finanzierungsverbund. Ermessen. Haftung für Lohnsteuer
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein GmbH-Geschäftsführer begeht allein dadurch, dass er mit seiner Gesellschaft auf Weisung von deren Muttergesellschaft einem konzerninternen Finanzierungsverbund mit automatischem Cash-Managementsystem beitritt, wodurch die Gesellschaft nicht mehr über eigene liquide Mittel verfügen kann, sondern ihren Zahlungsverkehr ausschließlich über den Verbund abwickeln muss, keine schuldhafte Pflichtverletzung.
2. Auch nach dem Beitritt bleibt der Geschäftsführer für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der Gesellschaft verantwortlich. Zusätzlich hat er auch die Handlungen des Finanzierungsverbundes zu überwachen.
3. Der Gesellschafter handelt grob fahrlässig pflichtwidrig, wenn er seine Tätigkeit als Geschäftsführer fortsetzt, obwohl er hätte erkennen müssen, dass er nicht in der Lage ist, seine umfangreichen Überwachungsverpflichtungen gegenüber dem Finanzierungsverbund wahrzunehmen, dessen schuldhaftes Handeln er sich wie eigenes Verschulden bei der Erfüllung der steuerlichen Pflichten der Gesellschaft zurechnen lassen muss.
4. Es ist nicht ermessensfehlerhaft, den Geschäftsführer zur Lohnsteuerhaftung heranzuziehen, wenn die Inanspruchnahme der Gesellschaft als Arbeitgeberin selbst keinen Erfolg verspricht.
Normenkette
AO 1977 §§ 69, 34, 191 Abs. 1, § 5
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte den Kläger zu Recht für von der Fa. G-GmbH (GmbH) für den Monat Januar 1996 nicht abgeführte Lohnsteuer sowie Folgesteuern als Haftungsschuldner in Anspruch genommen hat.
Der Kläger war bis zum … 1996 Geschäftsführer der GmbH. Gegenstand des Unternehmens war die Ver- und Bearbeitung von Metallen aller Art, insbesondere die Herstellung von Stahlbauten. Das Stammkapital betrug 750.000 DM. Alleingesellschafterin war die S-AG, die mit weiteren Werftbetrieben zur … Verbund AG (BVV AG) gehörte. Für die GmbH stellte der Kläger am … 1996 beim Amtsgericht B. einen Antrag auf Eröffnung des Vergleichsverfahrens. Nach Anordnung der Sequestration wurde am … 1997 das Anschlusskonkursverfahren eröffnet.
Die GmbH verfügte von ihrer Gründung bis zum Zeitpunkt des Antrags auf Eröffnung des Vergleichsverfahrens über eine einzige Bankverbindung bei der C. Bank mit der Konto-Nummer …. Die GmbH war 1994 auf Weisung ihrer Muttergesellschaft, der S-AG, einem Vertrag über konzerninterne Finanzierungen und Geldanlagen (nachfolgend: Verbundvertrag) zwischen der BVV AG und ihren Beteiligungsgesellschaften beigetreten. In diesem Vertrag ist u. a. geregelt:
„… Präambel
Die BVV AG und die … Verbundunternehmen bilden einen Liquiditätsverbund, in dem ein ständiger gegenseitiger Liquiditätsausgleich erfolgt. Sämtliche frei verfügbaren liquiden Mittel werden ausschließlich bei der Treasury der BVV AG angelegt, Betriebsmittelkredite nur bei der Treasury aufgenommen. … Liquiditätsüberschüsse und Finanzierungsbedarfe werden stufenweise zu der von der Treasury zu disponierenden Liquidität im Konzern der BVV AG zusammengeführt. …
2. Automatische Saldenkonzentration
Der gegenseitige Liquiditätsausgleich erfolgt technisch über gesondert zu bezeichnende C-bank-Konten der Vertragsparteien, den sogenannten Cash-Concentration-Konten (… CC-Konto …). Die BVV AG und die Verbundunternehmen schließen hierzu mit der C-bank die als Anlage beigefügte „Vereinbarung über ein automatisches Cash Management-System (ACMS)” ab, mit der bankseitig eine automatische arbeitstägliche Saldenkonzentration aller CC-Konten auf das CC-Konto der Treasury (Zielkonto) geregelt wird. …
3. Andienung freier liquider Mittel
Die Verbundunternehmen verpflichten sich, alle nicht gebundenen liquiden Mittel so zu disponieren, daß sie durch Gutschrift auf dem eigenen CC-Konto von der automatischen Saldenkonzentration erfaßt werden. Die Andienungspflicht soll gewährleisten, daß ein gleichzeitiger Bedarf anderer Verbundunternehmen an Betriebsmittelkrediten vorrangig aus dem Liquiditätsverbund zur Verfügung gestellt werden kann.
4. Kreditrahmen
Über den Liquiditätsverbund wird der gesamte Bedarf der Vertragsparteien an Betriebsmittelkrediten gesteuert und zur Verfügung gestellt. Eine etwa erforderliche Refinanzierung bei Banken erfolgt nur durch die Treasury.
Anstelle von Betriebsmittelkreditlinien bei Banken räumt die Treasury nach Maßgabe der mit der BVV AG abgestimmten Finanzplanung den Verbundunternehmen einen Kreditrahmen für Betriebsmittelkredite ein, der über das CC-Konto in Anspruch genommen werden kann. Der Kreditrahmen kann jederzeit dem tatsächlichen Bedarf angepasst werden. Der jeweils gültige Kreditrahmen wird den Verbundunternehmen von der Treasury schriftlich mitgeteilt. … Die BVV AG wird den Verbundunternehmen bis zur Höhe de...