Entscheidungsstichwort (Thema)
Kosten einer Umschulung als Werbungskosten. Einkommensteuer 1994
Leitsatz (amtlich)
1. Die Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG bezieht sich nur auf die erstmalige Ausbildung oder Weiterbildung in einem nicht ausgeübten Beruf.
2. Abzugsfähigkeit der Umschulungskosten einer familiär bedingt arbeitslosen Verkäuferin zur Arzthelferin als Werbungskosten: Ein notwendiger Berufswechsel der bezweckt, dass der Steuerpflichtige aus der Arbeitslosigkeit heraus eine dauerhafte Anstellung wieder finden kann, ist aufgrund des Gleichbehandlungsgebots des Art. 3 Abs. 1 GG wie die sonstige Weiterbildung als dem Erwerb von Einnahmen aus der angestrebten Tätigkeit dienend zu behandeln, so dass die Kosten des Berufswechsels (hier: der Umschulung) als Werbungskosten abzugsfähig sind.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 7; GG Art. 3 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
Der Ablehnungsbescheid vom 26.06.1997 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 07.04.1998 werden aufgehoben. Abweichend von dem Bescheid vom 03.04.1997 wird die Einkommensteuer 1994 auf 0,– DM festgesetzt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abwenden, sofern nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger wurden im Streitjahr, in dem sie ihren Wohnsitz noch in L… hatten, als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Die Klägerin nahm vom 05.01.1993 bis 04.01.1995 an einer beruflichen Umschulungsmaßnahme zur Arzthelferin teil. Zuvor war sie als Verkäuferin im Schichtdienst tätig und wurde nach ihrem Vorbringen vom Arbeitgeber gekündigt bei dem Versuch, den bisherigen Beruf in Normalschicht auszuführen, um eine normale Erziehung der Kinder zu gewährleisten. Im Rahmen der Umschulungsmaßnahme absolvierte die Klägerin in der Zeit vom 10.01. bis 02.12.1994 in einer Arztpraxis ein Praktikum, wo sie nach erfolgreichem Abschluss der Umschulung auch festangestellt wurde.
Im Rahmen der Einkommensteuererklärung 1994 machte die Klägerin hinsichtlich des Praktikums folgende Aufwendungen geltend:
1. |
Fahrtkosten zum Ort des Praktikums (M…) 201 Tage × 85 Entfernungskilometer × 2 (Hin- und Rückfahrt) × 0,52 DM = |
17.768,40 DM |
2. |
Prüfungsgebühr = |
50,00 DM |
3. |
Verpflegungsmehraufwendungen täglich von 6.00 Uhr bis 17.00 Uhr unterwegs 201 Tage × 28,00 DM (Verpflegungspauschale) = |
5.628,00 DM |
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23.446,40 DM. |
Davon setzte die Klägerin als Aufwendungen für Berufsausbildung 900,00 DM als Sonderausgaben an und machte die übersteigenden Aufwendungen in Höhe von 22.546,40 DM als außergewöhnliche Belastungen geltend.
Mit Bescheid vom 03.04.1997 lehnte das Finanzamt die Anerkennung der außergewöhnlichen Belastungen ab.
Mit Schreiben vom 08.04.1997 stellten die Kläger einen Antrag auf schlichte Änderung des Einkommensteuerbescheides 1994 vom 03.04.1997 hinsichtlich der Anerkennung der Aufwendungen für die Berufsausbildung als außergewöhnliche Belastung. Zur Begründung trugen sie vor, dass die Aufwendungen zwangsläufig entstanden seien. Da der Kläger auswärtig gearbeitet habe und die Klägerin in Schichtarbeit tätig gewesen sei, hätten die Kinder nur unzureichend beaufsichtigt werden können. Bei dem Bemühen um Anstellung in Normalschicht sei die Klägerin entlassen worden. Da sie in dem erlernten Beruf keine Anstellung mit Normalschicht gefunden habe, habe sie den Beruf der Arzthelferin erlernt. Dabei sei ihr wichtig gewesen, dass man in diesem Beruf Normalschicht – teilweise sogar halbtags – leisten und sich so wenigstens ein Elternteil ausreichend um das Kind kümmern könne.
Durch Bescheid vom 26.06.1997 lehnte das Finanzamt den Änderungsantrag ab. Dagegen legten die Kläger Einspruch ein, beriefen sich auf das Urteil des Bundesfinanzhofes –BFH– vom 18.04.1996 (VI R 5/95, Bundessteuerblatt –BStBl.– II 1996, 482) und machten geltend, nach Abschluss der Ausbildung zur Arzthelferin habe die Klägerin dem Arbeitsmarkt wieder uneingeschränkt zur Verfügung gestanden.
Der Beklagte wies den Einspruch als unbegründet zurück. Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung stellten keine außergewöhnliche Belastung dar, weil sie der Klägerin nicht zwangsläufig erwachsen seien, sondern auf einem freien Willensentschluss beruhten. Soweit die Klägerin im Einspruchsverfahren nunmehr begehrte, die Aufwendungen für die Berufsausbildung als Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Einkommensteuergesetz –EStG– anzuerkennen, stelle dies eine unzulässige Erweiterung des ursprünglichen Änderungsbegehrens dar. Unabhängig davon lägen hier Berufsausbildungskosten vor, da die Aufwendungen dem Ziel dienten, Kenntnisse zu erwerben, die als Grundlage für einen künftigen Beruf notwendig seien und die gegebenenfalls die Grundlage dafür bilden sollten, von einer Berufs- oder Erwerbsart zu einer...