Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachteilsausgleichszahlung bei Wechsel der Zusatzversorgungskasse – Berücksichtigung zunächst fälschlicherweise versteuerter Beträge als negativer Arbeitslohn in einem Folgejahr
Leitsatz (redaktionell)
- Zunächst fälschlicherweise versteuerte Nachteilsausgleichszahlungen bei Wechsel der Zusatzversorgungskasse können in einem Folgejahr weder als negativer Arbeitslohn noch als Werbungskosten berücksichtigt werden.
- Die Änderung eines unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Steuerbescheids durch das Veranlagungsfinanzamt verstößt nicht deshalb gegen Treu und Glauben, weil wegen der bereits bei Erlass des Ursprungsbescheides bestehende Kenntnisse des Betriebsstättenfinanzamts des Arbeitgebers und der OFD das Verhalten der Finanzbehörden in ihrer Gesamtheit nicht widerspruchsfrei erscheint.
- Das gilt auch, wenn die der ursprünglichen Veranlagung zugrunde liegende unrichtige Lohnsteuerbescheinigung auf einer erst nach Einbehalt der Lohnsteuer widerrufenen Anrufungsauskunft des Betriebsstättenfinanzamts beruht.
- Die dem Arbeitgeber erteilte Anrufungsauskunft entfaltet keine mittelbare Bindungswirkung im Einkommensteuer-Veranlagungsverfahren des Arbeitnehmers.
Normenkette
AO § 118 S. 1, § 164 Abs. 2 S. 1; EStG § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 S. 1, §§ 11, 42d Abs. 3 S. 4 Nr. 1, § 42e; BGB § 242
Streitjahr(e)
2006
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Befugnis des beklagten Finanzamts, einen bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid im Hinblick auf in den Jahren 2001 bis 2005 geleistete und fälschlicherweise als steuerpflichtig behandelte Nachteilsausgleichszahlungen des Arbeitgebers an eine Zusatzversorgungskasse, die dieser im Streitjahr 2006 bei der Lohnsteueranmeldung als negative Einnahmen des Arbeitnehmers behandelt hat, zu ändern.
Die Kläger wurden im Streitjahr 2006 als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte wie in den Vorjahren Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit als Angestellter der „A” GmbH – „A” –.
Mit Bescheid vom 4. April 2007, im maschinellen Veranlagungsverfahren am 26. März 2007 freigegeben, wurden die Kläger zur Einkommensteuer 2006 veranlagt. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung – AO –). In den Erläuterungen zum Bescheid bat das beklagte Finanzamt um Stellungnahme zur Höhe der gewerblichen Einkünfte der Klägerin.
Am 21. November 2008 erhielt der Beklagte eine Prüfungsmitteilung des Finanzamts „B” – Zentrale Außenprüfungsstelle Lohnsteuer (ZALST) – (Blatt 29 der Einkommensteuerakte 2006) vom 14. November 2008. Darin führte die ZALST aus, dass im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung bei der „A” und deren Tochtergesellschaften festgestellt worden sei, dass der Arbeitgeber im Rahmen der laufenden Lohnabrechnung im September 2006 den steuerpflichtigen Bruttoarbeitslohn um einen Betrag in Höhe von 1.925,90 EUR gemindert habe, weil er davon ausgegangen sei, dass in dieser Höhe negativer Arbeitslohn vorliege. Dies sei nicht der Fall. Vielmehr handele es sich bei diesem Betrag um die Summe der in den Jahren 2001 bis 2005 individuell versteuerten Nachteilsausgleichszahlungen an die Rheinische Zusatzversorgungskasse – RZVK –"E”. Die Einzelheiten zu diesem Sachverhalt mit Hinweisen zur Bearbeitung der zu erwartenden Einspruchsverfahren werde die Oberfinanzdirektion – OFD – Rheinland in einer überarbeiteten Fassung der Kurzinformation Einkommensteuer 67a/2006 spätestens Anfang Dezember 2008 in das Informationssystem der Finanzverwaltung NRW – ISYS – einstellen. Das Verfahren, die Festsetzungsfinanzämter über den Sachverhalt mit Kontrollmitteilungen zu informieren, sei mit dem Lohnsteuer- und dem AO-Referat der OFD Rheinland abgestimmt worden. Der Arbeitgeber könne im vorliegenden Fall nicht als Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden. Deshalb sei der bislang bescheinigte steuerpflichtige Bruttoarbeitslohn um 1.925,90 EUR zu erhöhen und der Einkommensteuerbescheid, soweit er nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehe, nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern.
Daraufhin erließ der Beklagte am 16. Dezember 2008 einen auf § 164 Abs. 2 AO gestützten Einkommensteueränderungsbescheid für das Jahr 2006 und berücksichtigte einen um 1.925 EUR erhöhten Bruttoarbeitslohn des Klägers. Dagegen legten die Kläger fristgerecht Einspruch ein. Zur Begründung führten sie aus, der Arbeitgeber habe den Arbeitslohn berechtigt um negative Einkünfte gekürzt. Ursache sei gewesen, dass in den Jahren 2001 bis 2005 ein vom Arbeitgeber wegen eines Wechsels der Zusatzversorgungskasse – ZVK – gezahlter Nachteilsausgleich als Vergütungsbestandteil behandelt worden sei, obwohl den betroffenen Arbeitnehmern in keiner Weise ein Vorteil zugeflossen sei. Nach Klarstellung der Rechtslage durch den BFH seien im Jahr 2006 zur Korrektur negative Einkünfte angesetzt worden. Dies wiederum beruhe auf einer verbindlichen Anrufungsauskunft ...