vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Innergemeinschaftliche Lieferung: Nicht erbrachter Belegnachweis – Nachweis der Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG
Leitsatz (redaktionell)
- Eine Steuerbefreiung trotz Nichterfüllung der Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i. V. m. §§ 17a, 17c UStDV kommt nur dann in Betracht, wenn aufgrund der dem Gericht vorliegenden Unterlagen - und ggf. unter Berücksichtigung präsenter Beweismittel – zur Überzeugung des Gerichts sicher feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG erfüllt sind.
- Insbesondere besteht bei Verstoß gegen diese Nachweispflichten keine Verpflichtung des Gerichts, den Sachverhalt im Rahmen seiner Sachaufklärungspflicht und nach allgemeinen Beweisregeln und Beweisgrundsätzen von Amts wegen weiter aufzuklären.
Normenkette
UStG § 3 Abs. 6 Sätze 2-3, § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 1; UStDV § 17a Abs. 1-2, 4; FGO § 76; AO § 30 Abs. 1, 4
Streitjahr(e)
2004
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin zu 2.) (im Folgenden: Klägerin) ist Vertragshändlerin für Fahrzeuge der Marken BMW und Mini. Der Kläger zu 1.) (im Folgenden: Kläger) ist Gesellschafter der Klägerin und Geschäftsführer deren Komplementär-GmbH. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob hinsichtlich der Veräußerung von insgesamt 42 Neufahrzeugen dieser Marken durch die Klägerin in den Streitjahren die Voraussetzungen einer nach § 4 Nr. 1 Buchst. b i. V. m. § 6a UStG steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung vorliegen.
Anlässlich einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung durch den Beklagten (Bericht vom 28.11.2005) und einer Prüfung durch das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung (Prüfungsbericht und strafrechtlicher Ermittlungsbericht jeweils vom 17.11.2006) gelangten die jeweiligen Prüfer zu folgenden Feststellungen:
Die Klägerin habe die streitigen 42 Neufahrzeuge tatsächlich nicht an die in den von ihr vorgelegten Belegen genannten italienischen Endabnehmer geliefert. Derartige Lieferungen an italienische Endabnehmer habe die Klägerin lediglich vorgetäuscht, weil ihr nach den vertraglichen Vereinbarungen mit der BMW AG Verkäufe an Wiederverkäufer untersagt gewesen seien.
Die streitigen Fahrzeugverkäufe seien durch den Zeugen A., der seinerzeit als Verkäufer bei der Klägerin beschäftigt gewesen sei, akquiriert worden. Der Zeuge A. habe im Jahr 2003 den ihm schon aus seiner Jugendzeit bekannten B. getroffen, der damals als Angestellter bei der in C-Stadt ansässigen Firma D., Inhaber E., gearbeitet habe. Aufgrund dieser Kontakte sei es dann zu den Fahrzeuglieferungen gekommen, bei denen die Firma D. nicht als Käufer, sondern als Vermittler aufgetreten sei. Alle Geschäfte seien von Anfang an mit Kenntnis und Zustimmung der Geschäftsleitung der Klägerin (Geschäftsführer, Prokurist und Verkaufsleiter) erfolgt.
Laut Aussage des Zeugen A. seien die Bestellungen im Einzelnen wie folgt abgewickelt worden: Von der Firma D. habe A. telefonisch die Personaldaten der italienischen Erwerber erhalten. Anschließend habe er dann die Verträge vorgefertigt und habe diese der Firma D. gebracht. Dort habe er Kopien von italienischen Personalausweisen der Erwerber erhalten. Die Verträge seien zunächst bei der Firma D. geblieben und dann später – mit käuferseitigen Unterschriften versehen – dort entweder wieder abgeholt oder bei der Klägerin vorbeigebracht worden. Anschließend seien die Kaufverträge von dem Verkaufsleiter der Klägerin, gegengezeichnet worden. Er – A. – habe keine Unterschriften auf den Kaufverträgen gefälscht, in diese jedoch zum Teil frei erfundene italienische Telefonnummern eingetragen.
Nach der Bestellung der Fahrzeuge bei der BMW AG und der Auslieferung an die Klägerin seien sie von verschiedenen Mitarbeitern der Firma D. bei der Klägerin abgeholt und entweder bar oder per Scheck bezahlt worden. Hierbei sei eine „Abholvollmacht und Ausfuhrbestätigung” vorgelegt worden, wonach die Firma D. das jeweilige Fahrzeug im Auftrag einer Firma „X. 1” bzw. „X. 2” abhole und nach Italien verbringe.
Für die genannten Fahrzeuge habe die Klägerin – so der Zeuge A. – durch ihre Abteilung Verkaufsabwicklung zunächst Rechnungen (ohne Umsatzsteuerausweis) ausgestellt, die die Firmen „X.” (Inhaberin: Y.; Anschrift: Italien) oder „X. 3” (Inhaber: F.; Anschrift: Italien) als Besteller auswiesen. Nachdem die Fahrzeuge in Italien zugelassen worden seien, seien diese auf die Firmen „X.” und „X. 3” ausgestellten Rechnungen storniert und neue Rechnungen erstellt worden, die auf die Namen der in den Fahrzeugbestellungen angegebenen Personen lauteten, welche in der überwiegenden Anzahl der Verkaufsfälle mit den späteren Haltern der Fahrzeuge identisch gewesen seien. In einigen Fällen – so die Feststellungen der Finanzbehörden – seien die Fahrzeuge jedoch tatsächlich auf andere Personen als die in den Bestellungen genannten zugela...