rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsveräußerung eines im Aufbau befindlichen Gewerbebetriebs
Leitsatz (redaktionell)
Die Anwendung der §§ 16, 34 EStG auf die Veräußerung eines im Entstehen befindlichen Gewerbebetriebs setzt nicht voraus, dass bereits alle wesentlichen Betriebsgrundlagen vorhanden sind, wenn der Erwerber in Weiterverfolgung des Aufbauplans des Veräußerers den Gewerbebetrieb zu einem lebensfähigen Organismus vervollständigen kann.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 16 Abs. 1 Nr. 1, § 34
Tatbestand
Streitig ist die Versteuerung von Einkünften aus Gewerbebetrieb als steuerbegünstigter Veräußerungsgewinn.
Die Klägerin studierte im Streitjahr 1993 in A und war parallel dazu an 120 Tagen nichtselbständig als Arzthelferin tätig. Am 30. September 1994 reichte sie ihre Einkommensteuererklärung 1993 ein, in der sie neben dem Arbeitslohn und Aufwendungen für das Studium auf der Rückseite der Anlage KSO 100.000,00 DM als Einnahmen aus sonstigen Leistungen erklärte. Das beklagte Finanzamt veranlagte die Klägerin mit Bescheid vom 31. Januar 1995 erklärungsgemäß zur Einkommensteuer.
Dagegen ließ die Klägerin durch ihre Bevollmächtigten am 21. Februar 1995 Einspruch einlegen. Zur Begründung führte sie aus, sie habe 1993 beabsichtigt, gewerblich im Prägedienst und im Schildergeschäft tätig zu werden. Aus diesem Grund habe sie sich in B um einen von 10 zu verlosenden sog. Containerstellplätzen beworben. Einen solchen Stellplatz habe sie zugelost bekommen. Nach Besichtigung der Örtlichkeiten in B und der Feststellung, dass weitere Investitionen von ca. 20.000,00 DM zur Einrichtung des Bürocontainers erforderlich gewesen wären, und dass bei geplanten ca. 14 weiteren Prägestellen der Preiskampf groß sein werde, sei ihr 1993 das Risiko des Betreibens einer eigenen Prägestelle dann aber doch zu groß gewesen, so dass sie ihren Stellplatz gegen einen Kaufpreis von 100.000,00 DM an die Firma C KG verkauft habe. Bei dieser Firma habe sie zuvor eine Prägeeinrichtung für ca. 30.000,00 DM bestellt, die sie nach ihrem Entschluss, das Geschäft nicht zu betreiben, nicht habe abnehmen müssen. Sie sei der Auffassung, dass sie damit einen Veräußerungsgewinn im Sinne des § 16 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erzielt habe. In ihrer Einkommensteuererklärung habe sie den Betrag versehentlich bei den sonstigen Einkünften angegeben. Der Beklagte wies den Einspruch als unbegründet zurück. Die Voraussetzungen der § 16, 34 EStG seien nicht erfüllt, da noch nicht alle wesentlichen Betriebsgrundlagen vorhanden gewesen seien. Es verbleibe deshalb bei der Einkunftsart "sonstige Einkünfte".
Mit ihrer dagegen am 1. Oktober 1996 erhobenen Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, die Vorschrift des § 22 Nr. 3 EStG greife nicht ein, weil davon veräußerungsähnliche Vorgänge im privaten Bereich nicht erfasst würden. Sie habe das vermögenswerte Recht auf Betreiben einer Schilderprägestelle gegen Zahlung einer Entschädigung aufgegeben. Allerdings habe sie einen Gewinn aus Gewerbebetrieb erzielt, der ermäßigt zu besteuern sei (§§ 16, 34 EStG). Sie habe ihren noch im Aufbau befindlichen Gewerbebetrieb veräußert. Für eine steuerbegünstigte Betriebsaufgabe sei nicht erforderlich, dass alle wesentlichen Betriebsgrundlagen vorhanden gewesen seien. Die Ausführungen des Bundesfinanzhofs (BFH) im Urteil vom 1. Februar 1989 zu diesem Problemkreis hätten die Besonderheiten des Teilbetriebs in Abgrenzung zum daneben bestehenden Hauptgewerbebetrieb betroffen. Sie seien deshalb auf den Streitfall nicht anwendbar.
In der mündlichen Verhandlung haben die Bevollmächtigten der Klägerin des Weiteren ausgeführt, die im Losverfahren erhaltene Befugnis, auf dem Gelände der Kfz-Zulassungsstelle D Straße in B einen Prägedienst in einem Container zu betreiben, sei von vornherein auf drei Jahre befristet gewesen. Anschließend hätten die Container wieder entfernt werden sollen, weil nach den damaligen Erwartungen der zusätzliche Bedarf der Bürger B an neuen Kfz-Kennzeichen danach voraussichtlich gedeckt gewesen wäre. Die Container seien auch tatsächlich später wieder entfernt worden. Eine Lizenz für eine Schilderprägestelle sei in B nicht erforderlich gewesen. Allerdings hätte es wenig Sinn gehabt, in größerer Entfernung von einer Kfz-Zulassungsstalle Schilder zu prägen, weil die Kunden in aller Regel nur die vor Ort befindlichen Prägedienste aufsuchten. Das Gelände, auf dem die Container aufgestellt worden seien, habe der Stadt B gehört, die die Parzellen an die jeweiligen Betreiber der Prägestellen vermietet habe. Ob die Stadt B die Container selbst aufgestellt habe oder ob sie von einem Containeraufstelldienst gesondert hätten angemietet werden müssen, wisse die Klägerin nicht mehr. Ebenso könne sie sich nicht mehr daran erinnern, ob sie zunächst selbst den oder die Mietverträge über den Stellplatz und den Container abgeschlossen habe, oder ob die C KG dies erstmals nach Übertragung des Rechts, auf dem Gelände einen Prägedienst zu betreiben, get...