rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermittlung des besonderen Kirchgeldes bei Ehegatten ohne Einkommen
Leitsatz (redaktionell)
- Die Heranziehung eines in glaubensverschiedener Ehe lebenden einkommenslosen Kirchenmitglieds zu einem an seinem Lebensführungsaufwand orientierten besonderen Kirchgeld, das in sachgerechter Anknüpfung an die Einkommenshöhe des anderen Ehegatten ermittelt wird, ist mit dem Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit vereinbar.
- Die Mittel für die Erfüllung der Kirchgeldschuld werden auch bei Gütertrennung vom Unterhaltsanspruch des einkommenslosen Ehegatten umfasst.
- Die Veröffentlichung des zugrunde liegenden Kirchensteuerbeschlusses während des laufenden Steuerjahres kann bereits mangels einer schutzwürdigen Disposition des Kirchenmitglieds nicht zu einer unzulässigen Rückwirkung führen.
- Die steuerliche Anknüpfung an die durch die Ehe gesteigerte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit verstößt nicht gegen den grundrechtlichen Schutz von Ehe und Familie.
- Die Nichterhebung des besonderen Kirchgelds bei getrennter Veranlagung beruht auf sachgerechter Unterscheidung und verletzt daher nicht den Gleichheitsgrundsatz.
- Der Umstand, dass das besondere Kirchgeld nur bei der Einkommensteuerveranlagung, nicht aber im Wege des Lohnsteuerabzugs erhoben wird, begründet kein die Gleichheit im Belastungserfolg verfehlendes strukturelles Vollzugsdefizit.
Normenkette
KiStG NW §§ 1, 4 Abs. 1 Nr. 5, § 16 Abs. 1; KiStO § 6 Abs. 2 S. 2, § 11 Abs. 2; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Festsetzung des besonderen Kirchgeldes in glaubensverschiedener Ehe.
Die Klägerin ist Mitglied der Evangelischen Kirche; ihr Ehemann gehört keiner Kirche an.
Die Klägerin und ihr Ehemann werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie leben im Güterstand der Gütertrennung. Die Klägerin hatte im Streitjahr keine steuerpflichtigen Einkünfte; ihr Ehemann erzielte Einkünfte von 88.981 DM.
Mit Bescheid vom 19.08.2002 über Einkommensteuer 2001, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer setzte das Finanzamt A gegenüber der Klägerin ein evangelisches Kirchgeld von 180 DM fest.
Die Klägerin und ihr Ehemann legten gegen den Einkommensteuerbescheid am 09.09.2002 Einspruch ein. Mit an das Finanzamt A adressiertem Schreiben vom 10.09.2002 erweiterten die Klägerin und ihr Ehemann ihren Einspruch dahin, dass er sich auch gegen die Kirchgeldfestsetzung richte; ein besonderes Kirchgeld verletze sie beide in ihren Rechten, weil sie im Güterstand der Gütertrennung lebten und die Klägerin über kein eigenes Einkommen verfüge. Das Finanzamt A leitete das am 13.09.2002 erhaltene Schreiben an den Beklagten weiter, bei dem es am 25.09.2002 einging. Das Finanzamt A erließ am 25.09.2002 einen auf § 172 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) gestützten Änderungsbescheid, mit dem es die Einkommensteuer herabsetzte; das Kirchgeld betrug weiterhin 180 DM.
Mit Entscheidung vom 23.10.2002 wies der Beklagte den Einspruch gegen die Festsetzung des besonderen Kirchgeldes als unbegründet zurück. Die Erhebung des besonderen Kirchgeldes sei verfassungsrechtlich abgesichert und entspreche dem Grundsatz der Steuergerechtigkeit. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe bestätigt, dass der als Bemessungsgrundlage für das besondere Kirchgeld herangezogene Lebensführungsaufwand des Kirchenmitgliedes im Rahmen der typisierenden Betrachtungsweise nach dem zu versteuernden Einkommen bemessen werden könne.
In der mündlichen Verhandlung vom 18.06.2004 hat der Beklagte erklärt, die Kirchgeldbescheide und die Einspruchsentscheidung aufzuheben, soweit diese sich dem Rechtsschein nach gegen den Ehemann richteten. Nachdem das Gericht das Verfahren des Ehemannes abgetrennt hatte, haben die Beteiligten des abgetrennten Verfahrens übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Die Klägerin begründet die Klage im Wesentlichen wie folgt:
Die Erhebung des besonderen Kirchgeldes sei rechtswidrig und nichtig. Ihr Ehemann werde durch die faktische Verpflichtung zur Zahlung des Kirchgeldes in seiner Glaubensfreiheit i.S.v. Art. 4 des Grundgesetzes (GG) verletzt. Er lehne die praktizierte Glaubensrichtung der Evangelischen Kirche ab, so dass es ihm nicht zuzumuten sei, diese Kirche zu unterstützen, indem er - mangels eigener Einkünfte der Klägerin - das Kirchgeld aus seinem eigenen Vermögen bezahlen müsse. Der Steuergegenstand dürfe in ihrem Fall nicht nach dem allgemeinen Lebensführungsaufwand bemessen werden, weil sie beide im Güterstand der Gütertrennung lebten und die Unterhaltsverpflichtung nach §§ 1360 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), speziell hinsichtlich der Übernahme von Kirchensteuer oder Kirchgeld, abgedungen hätten. Die Leistungen ihres Ehemannes gingen bereits über den Lebensbedarf hinaus, so dass ihr gemäß § 1578 BGB keine weiteren Geldforderungen zuständen. Auch ihr selbst gegenüber sei die Festsetzung des Kirchgeldes rechtswid...