Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer-Zerlegung: Gasverteilungsnetz als mehrgemeindliche Betriebstätte – Entflechtung von Leitungsnetzen und Energievertrieb – Vorhalten von Ausspeisestellen durch den Netzbetreiber – Gasabgabe i.S.d. § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GewStG – Zerlegungsrelevanz unterirdisch verlegter Ferngasleitungen
Leitsatz (redaktionell)
- Eine Gemeinde, auf deren Gebiet sich neben Ferngasleitungen des – aufgrund der Entflechtung von Leitungsnetzen und Energievertrieb nach dem Energiewirtschaftsgesetz verselbständigten - Netzbetreibers nur Gasausspeisestellen in die lokalen Netze der Regionalversorger befinden, ist nicht an der Gewerbesteuerzerlegung des als Organträger des Netzbetreibers fungierenden Gaslieferanten über eine mehrgemeindliche Betriebstätte des Netzbetreibers zu beteiligen, wenn diese Anlagen nicht der Gasabgabe auf Grund eines Veräußerungsgeschäftes, sondern nur dem Transport des Erdgases dienen.
- Der Ausschlusstatbestand des § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GewStG findet auch auf mehrgemeindliche Betriebstätten Anwendung.
- Bei mehrgemeindlichen Betriebsstätten kommt unterirdisch verlegten Ferngasleitungen bei dem Zerlegungsmaßstab „Betriebsanlagen” keine Bedeutung zu.
Normenkette
GewStG § 2 Abs. 2 S. 2, § 28 Abs. 1 Sätze 1, 2 1. Halbsatz, Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 29 Abs. 1 Nr. 1, §§ 30, 33; EnWG §§ 8, 20 Abs. 1b
Streitjahr(e)
2008, 2009, 2010
Tatbestand
Die Klägerin ist eine kreisangehörige Stadt mit einer Einwohnerzahl von unter 50.000 Einwohnern. Im Stadtgebiet der Klägerin befinden sich zwei sogenannte Ausspeisungsstellen, in denen Gas in die Gasversorgungsleitungen des Regionalversorgers A (nachfolgend A) übernommen wird, um es an die Endverbraucher weiter zu leiten.
Die Klägerin war bis 2007 an der Gewerbesteuerzerlegung der Beigeladenen zu 1), der B SE (früher B AG) als Organträgerin über den Teilkonzern B 1 AG (nachfolgend ...) in zerlegungsrechtllicher Hinsicht beteiligt. Die Zerlegung erfolgte durch eine Oberverteilung und diverse Unterverteilungen. Im Jahr 2007 betrug der Zerlegungsanteil der Klägerin 58.283,94 Euro und entsprach einem Anteil von 0,04936 % am Gewerbesteuermessbetrag der B SE. Im Jahr 2007 beliefen sich die Gewerbesteuereinnahmen der Klägerin auf 221.472 Euro.
Ursprünglich waren in den Teilkonzern B 1 AG die Teilkonzerne C GmbH (nachfolgend ...), die den Transport von Erdgas über ein Fernleitungsnetz betreibt, und die B 2 GmbH (...), die Gasspeicher unterhält, eingegliedert. Bis zum 30.09.2007 erfolgte der Gastransport auf der Basis einer Kette von Einzelverträgen und die Gasabgabe an die Kunden der B 1 AG. Ausgehend von der Annahme einer mehrgemeindlichen Betriebsstätte der B 1 AG, die sich auch auf das Gemeindegebiet der Klägerin erstrecke, nahm der Beklagte nach § 30 des Gewerbesteuergesetztes (GewStG) die Unterzerlegung anhand der nachfolgenden Zerlegungsmaßstäbe vor:
- 10 % Kapitalfaktor (Anlagevermögen)
- 40 % Gasabsatz (Betriebseinnahmen)
- 50 % Arbeitnehmer.
Im Hinblick auf die Anwendung des Zerlegungsmaßstabes Gasabsatz fanden bei der Unterzerlegung für die B 1 AG auch Gemeinden Berücksichtigung, in denen sich - wie bei der Klägerin - nur Gasausspeisestellen in die lokalen Netze der Regionalversorger befinden.
Mit Wirkung vom 01.01.2008 übertrug die B 1 AG das Gastransport- und das Gasspeichergeschäft auf die C GmbH und die B 2 GmbH. Bezogen auf die C GmbH fand eine Übertragung des bundesweiten Transportnetzes mit den dazugehörigen Betriebsanlagen statt. Die Maßnahme erfolgte zur Erfüllung der regulatorischen Anforderungen nach dem Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) vom 07.07.2005 im Hinblick die Liberalisierung des Energiemarktes (Entflechtung von Leitungsnetzen und Energievertrieb). Ab dem 01.10.2007 gilt nach § 20 Abs. 1b EnWG das sog. Zweivertragsmodell, wonach der Gastransport auf der Basis von zwei Verträgen, einem Einspeise- und einem Ausspeisevertrag mit dem jeweiligen Netzbetreiber durchgeführt wird. Die Übergabe des Erdgases vom Gaslieferanten an den Regionalversorger erfolgt nicht mehr an den Gasausspeisestellen, sondern an einem sogenannten virtuellen Handelspunkt.
Ab dem Veranlagungszeitraum 2008 zog der Beklagte mehrgemeindliche Betriebsstätten der C GmbH in die Gewerbesteuerzerlegung der Beigeladenen zu 1) ein. Die Unterverteilung nahm der Beklagte zu 50 % über den Faktor Kapital und zu 50 % über den Faktor Arbeitslöhne vor. Den bisherigen Faktor Gasabsatz sah der Beklagte nicht mehr als geeigneten Maßstab an, da die C GmbH kein Gasgeschäft betreibe.
Der Beklagte erließ unter dem 06.12.2012 gegenüber der Klägerin sowie weiteren 347 Gemeinden Bescheide über die Bekanntgabe der Zerlegung der Gewerbesteuer-Messbeträge 2008 bis 2010 für die B SE. Auf die Klägerin entfiel ein Zerlegungsanteil von 0 Euro. In den an die Klägerin gerichteten Bescheiden wird hinsichtlich der Zerlegungsgrundlagen ausgeführt, dass Zerlegungsmaßstab das Verhältnis der Arbeitslöhne gemäß § 29 GewStG sei. Auf die Arbeitslöhne von insgesamt 982.276.000 Euro entfalle hinsichtlic...