Entscheidungsstichwort (Thema)
Festsetzung von Erbschaftsteuer gegenüber unbekannten Erben
Leitsatz (redaktionell)
- Gegenüber unbekannten Erben kann die Erbschaftsteuer durch Bekanntgabe der Bescheide an den Nachlasspfleger als gesetzlichen Vertreter festgesetzt werden.
- Die Finanzbehörde kann die Besteuerungsgrundlagen der Erbschaftsteuer (Zahl der Erben, Höhe der Freibeträge, Steuerklassen) schätzen, wenn der Nachlasspfleger seine Pflicht zur Erbenermittlung sowie seine Mitwirkungspflichten aus § 34 Abs. 1 i. V. m. § 90 AO nicht in angemessener Zeit erfüllt.
- Steht nicht fest, wie hoch die Erbteile sind, ist die Annahme gleich hoher Erbteile für Schätzungszwecke nicht zu beanstanden.
Normenkette
ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1, § 13 Nr. 15, §§ 15, 16 Abs. 1 Nr. 5, § 31 Abs. 6, § 32 Abs. 2; BGB § 1960 Abs. 1 S. 2, § 1961; AO § 34 Abs. 1, §§ 90, 162 Abs. 1 S. 1, § 165; FGO §§ 57, 58 Abs. 2; ZPO § 53
Streitjahr(e)
2001, 2002
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Inanspruchnahme unbekannter Erben streitig.
Herr G., der Erblasser, war nicht verheiratet gewesen und verstarb zwischen dem 09. und 29.05.1996. Er hinterließ keine letztwillige Verfügung. Das zuständige Amtsgericht bestellte am 31.05.1996 Rechtsanwalt T. zum Nachlasspfleger mit dem Aufgabenkreis „Sicherung und Verwaltung des Nachlasses sowie Ermittlung der Erben”. Bislang betrieb der Nachlasspfleger erfolglos die Ermittlung der Erben.
Mit Schreiben vom 19.03.2001 teilten die Erbenermittler dem zuständigen Amtsgericht mit, bei der vollständigen Aufklärung der beiden Linien der ermittelten Halbgeschwister des Vaters des Erblassers kämen sie nur langsam voran. Da die ersten Urkunden der Familie in Polen zu beschaffen seien, gebe es nur kleine Fortschritte. Erste Erben seien ermittelt, die auch eine Verwandtschaft zum Erblasser bestätigen könnten. Sie bemühten sich, einen Abschluss in absehbarer Zeit herbeiführen zu können.
In seiner Erbschaftsteuererklärung gab der Nachlassverwalter den Gesamtwert der Nachlassgegenstände mit 156.643 DM und die Nachlassverbindlichkeiten mit 29.010 DM, davon 20.000 DM pauschale Erbfallkosten an. Dazu gab er an, derzeit seien zwei Erben dritter Ordnung, nämlich Söhne der Halbgeschwister des Vaters, ermittelt worden. Die Erbquoten seien unbekannt.
Mit zwei Bescheiden vom 11.10.2002 setzte der Beklagte für den Erwerb jeweils eines unbekannten Erben von 62.815 DM die Erbschaftsteuer auf 4.589 EUR (8.976 DM) fest, wobei er von der Steuerklasse 3 der beiden Erben ausging. Die dem Nachlasspfleger bekannt gegebenen Bescheide ergingen in vollem Umfang nach § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung – AO – vorläufig, wobei auf die unbekannten Erben und die in der Anlage enthaltene Ermittlung des Nachlasses hingewiesen wurde.
Dagegen legte der Nachlassverwalter fristgerecht Einspruch ein.
Während des Einspruchsverfahrens erhielt der Beklagte über das Amtsgericht ein Schreiben der Erbenermittler vom 22.01.2003, in dem diese erklärten, sie bemühten sich, die Linien der väterlichen Verwandtschaft, in der Erben ermittelt worden seien, zu vervollständigen. Insoweit regten sie auch an, dann einen Teilerbschein zu beantragen.
Im Rahmen seiner Einspruchsbegründung, in der er sich gegen die Inanspruchnahme unbekannter Erben überhaupt wandte, gab der Nachlasspfleger in einem der Einspruchsbegründung beigefügten Schreiben an das Nachlassgericht an, dass jedenfalls bald die Möglichkeit der Beantragung eines Teilerbscheins bestehe.
Mit Einspruchsentscheidung vom 06.01.2005 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück, da eine Erbschaftsteuerveranlagung und -festsetzung auch schon erfolgen dürfe, wenn die Erben und deren Namen noch nicht feststünden. Dies ergebe sich schon aus den einen Nachlasspfleger betreffenden gesetzlichen Regelungen, der ausdrücklichen Steuererklärungspflicht des Nachlasspflegers (§ 31 Abs. 6 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes - ErbStG) und seiner Zahlungsverpflichtung (§ 32 Abs. 2 Satz 2 ErbStG). Diese Regelungen wären überflüssig, wenn die Erbschaftsteuerbescheide nur gegen feststehende Erben ergehen könnten. Regelmäßig werde die Nachlasspflegschaft aufgehoben, sobald die Erben und ihre Anteile feststünden.
Wegen der oftmals langdauernden Erbenermittlung wie im Streitfall sei es dem Fiskus als Steuergläubiger nicht zuzumuten, auf die Realisierung seines Steueranspruchs so lange zu warten und seine Entwertung im Hinblick auf die von Rechts wegen nicht vorgesehene Verzinsung hinzunehmen, während das für die Entrichtung der Erbschaftsteuer benötigte Kapital, das als Minderung der beim Erwerber eintretenden Bereicherung anzusehen sei, weiterhin zugunsten der Erben Erträge abwerfe. Unter diesem Gesichtspunkt spiele es keine Rolle, dass die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen sei. Dem entspreche auch der Wille des Gesetzgebers.
Bei den Steuerfestsetzungen selbst seien alle bekannten Umstände berücksichtigt worden, nämlich neben der Höhe des Nachlasses auch die zu berücksichtigende Steuerklasse für Erben d...