Entscheidungsstichwort (Thema)

Änderung einer Eintragung zur Insolvenztabelle – Ermessensausübung – Vergleichbarkeit mit bestandskräftiger Feststellung – Bedeutung der Restschuldbefreiung – Anwendbarkeit der Änderungsvorschriften für Steuerbescheide

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Der widerspruchslosen Eintragung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis in die Insolvenztabelle kommt dieselbe Wirkung zu wie einer bestandskräftigen Feststellung gemäß § 185 InsO i.V.m. § 251 Abs. 3 AO (BFH-Urteil vom 24. November 2011 V R 13/11, BStBl II 2012, 298).
  2. Die Ablehnung einer Änderung des Tabelleneintrags nach § 130 AO ist in der Regel ermessensfehlerfrei, wenn die hiergegen gerichteten Einwendungen bereits mit dem Widerspruch gegen die Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle hätten vorgebracht werden können.
  3. Wendet sich der Schuldner nach Erteilung der Restschuldbefreiung mit einer nachgereichten Steuererklärung gegen den Tabelleneintrag, kann bei den Ermessenserwägungen des FA auch berücksichtigt werden, dass die seinerzeit angemeldete Forderung ihn nicht mehr belastet.
  4. Eine Änderung des Tabelleneintrags nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO kommt bereits deswegen nicht in Betracht, weil die Vorschrift nur für die Änderung von Steuerbescheiden gilt.
 

Normenkette

AO §§ 5, 130 Abs. 1, § 173 Abs. 1 Nr. 2, § 251 Abs. 3; InsO § 178 Abs. 1, 3, §§ 185, 301; FGO § 102

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 05.07.2018; Aktenzeichen XI B 18/18)

 

Tatbestand

Die Klägerin eröffnete lt. Gewerbeanmeldung bei der Stadt A im Jahr 2002 einen Einzelhandel mit…in A („…”). Zuständig für die Umsatzsteuer war das Finanzamt B.

Die Zuständigkeit für die Einkommensteuer lag zunächst auch beim Finanzamt B. Später erfolgte ein Zuständigkeitswechsel für die Einkommensteuer zum Finanzamt C.

Die Klägerin reichte ihre Umsatzsteuervoranmeldungen für das Streitjahr jeweils fristgerecht (unter Bewilligung einer Dauerfristverlängerung) beim FA B ein.

Insgesamt meldete die Klägerin Umsatzsteuervorauszahlungen für das Streitjahr i.H.v. 9.772,95 € (8.359,95 € zzgl. 1.413 € Sondervorauszahlung) an. Hiervon zahlte sie 7.183,89 €. Die Zahllast vom November 2007 wurde teilweise (334,44 €) nicht beglichen und die Zahllast von Dezember 2007 (841,62 €) in voller Höhe nicht.

Die Klägerin meldete das Gewerbe zum 29. Februar 2008 bei der Stadt A wegen Betriebsaufgabe ab.

Durch Beschluss des Amtsgerichts D (Az.…) vom 31. März 2008 wurde auf den Antrag der Klägerin das Insolvenzverfahren eröffnet. Zum Insolvenzverwalter wurde Z bestellt. Dieser war bereits zuvor zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt worden; ein allgemeines Verfügungsverbot wurde nicht angeordnet.

Mit Schreiben vom 23. April 2008 teilte das Finanzamt B dem Insolvenzverwalter mit: „ im vorgenannten Insolvenzverfahren bestehen die in der Anlage Nr. 1 einzeln aufgeführten Abgabenforderungen..., die ich hiermit gem. § 174 Abs. 1 InsO anmelde „.

In der Anlage „Anmeldung zur Tabelle” war u.a. die Umsatzsteuer 2007 i.H.v. 26.304,09 € aufgeführt.

Da die Klägerin im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung die Umsatzsteuerjahreserklärung 2007 noch nicht beim FA eingereicht hatte, versandte das FA B am 29. April 2008 eine „Berechnung für 2007 über Umsatzsteuer” an den Insolvenzverwalter (in USt-Akte des FA).

Hierzu wurde zunächst per Computer ein „normaler” Umsatzsteuerbescheid 2007 erstellt und vom Zentralversand ausgeschlossen („Versand durch Finanzamt”). Der Sachbearbeiter änderte dann per Hand das Wort „Bescheid” in „Berechnung”, in dem er es mit Tipp-Ex übermalte und anschließend überschrieb. Weiterhin wurde auf dieselbe Weise „Festgesetzt werden” durch „Betrag” ersetzt; die Zahlungsaufforderung und die Rechtsbehelfsbelehrung auf der Rückseite wurden durchgestrichen.

In den Erläuterungen hieß es:

„Die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 AO erfolgte aufgrund der Insolvenzeröffnung am 31.03.2008.

Der Vorsteuerrückforderungsanspruch wurde geschätzt.

Es handelt sich nicht um eine Steuerfestsetzung, sondern um eine Steuerberechnung, die Grundlage für die Anmeldung zur Tabelle ist.”

Die Steuerberechnung erfolgte auf Grundlage der von der Klägerin eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen. Es wurden Umsätze i.H.v. 295.000 € (vorangemeldet 294.128 €) und abzugsfähige Vorsteuer i.H.v. 20.000 € geschätzt (vorangemeldet 46.112 €). Hieraus ergab sich eine Steuer i.H.v. 36.077,04 €, auf die geleistete Vorauszahlungen i.H.v. 8.596,89 € angerechnet wurden, so dass 27.512,15 € Zahllast verblieben ( 26.304 € Abschlusszahlung und 1.208 € noch offene Vorauszahlungen).

Die Forderungen des FA B hinsichtlich Umsatzsteuer 2007 und Umsatzsteuervoranmeldungen November und Dezember 2007 wurden wie angemeldet in die Tabelle eingetragen und im Prüfungstermin weder vom Insolvenzverwalter noch von der Klägerin oder einem anderen Gläubiger bestritten.

Mit Beschluss des AG M vom 27. August 2010 wurde der Klägerin Restschuldbefreiung angekündigt und der Insolvenzverwalter zum Treuhänder ernannt. Die Laufzeit der Abtretung begann am 31. März 2008 und...

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