Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit einer Klage gegen Kostenentscheidung nach § 77 EStG: Erforderlichkeit der Durchführung des Vorverfahrens – Kostentragung bei unzutreffender Rechtsbehelfsbelehrung

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Eine unmittelbar gegen eine Kostenentscheidung der Familienkasse nach § 77 EStG gerichtete Klage ist mangels Durchführung des Vorverfahrens über den hiergegen statthaften außergerichtlichen Rechtsbehelf auch dann unzulässig, wenn die Kostenentscheidung äußerlich mit der Einspruchsentscheidung in einem Bescheid verbunden worden ist.
  2. Die Kosten einer solchen Klage sind nach § 137 Satz 2 FGO der Familienkasse aufzuerlegen, wenn die Einspruchsentscheidung eine unzutreffende einheitliche Rechtsbehelfsbelehrung des Inhalts enthält, dass gegen diese Entscheidung Klage erhoben werden kann.
 

Normenkette

EStG § 77; FGO § 44 Abs. 1, § 45 Abs. 1 S. 1, § 137 S. 2; AO §§ 118, 347, 348 Nr. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 13.04.2016; Aktenzeichen III R 24/15)

BFH (Urteil vom 13.04.2016; Aktenzeichen III R 24/15)

 

Tatbestand

Mit Bescheid vom 11.08.2014 hob die Beklagte die Kindergeldfestsetzung für das Kind für den Zeitraum Oktober 2011 bis einschließlich März 2013 gemäß § 70 Abs. 2 des EinkommensteuergesetzesEStG- auf und forderte das für den Zeitraum von Oktober 2011 bis März 2013 gezahlte Kindergeld zurück.

Hiergegen wandte sich die Klägerin mit dem Einspruch.

Mit Bescheid vom 17.09.2014 änderte die Beklagte den angefochtenen Bescheid gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a der AbgabenordnungAO-, indem sie Kindergeld für die Monate September 2012 bis April 2013 sowie für die Monate ab Mai 2013 festsetzte.

Mit Einspruchsentscheidung vom 18.11.2014 wies die Beklagte den Einspruch nach Erlass des Änderungsbescheides vom 17.09.2014 als unbegründet zurück. In der Einspruchsentscheidung wurde gleichzeitig entschieden, dass die der Klägerin im Rechtsbehelfsverfahren gegebenenfalls entstandenen Aufwendungen nicht übernommen werden und die Kostenentscheidung auf § 77 EStG beruht. Die Einspruchsentscheidung enthält eine einheitliche Rechtsbehelfsbelehrung, dass gegen diese Entscheidung beim Finanzgericht Düsseldorf Klage erhoben werden kann.

Die Klägerin hat Klage erhoben und beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, die Kosten des Einspruchsverfahrens zu tragen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klägerin treffe ein Verschulden i.S.d. § 77 Abs. 1 Satz 3 EStG.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die dem Gericht vorgelegte Kindergeldakte Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unzulässig.

Nach § 44 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO- ist in den Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, die Klage vorbehaltlich der §§ 45 und 46 FGO nur zulässig, wenn das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist.

Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Vorliegend war ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben, den die Klägerin schon nicht eingelegt hat.

Die Kostenentscheidung nach § 77 EStG ist ein Verwaltungsakt im Sinne des § 118 AO, gegen den der Einspruch (§ 347 AO) statthaft ist. Auch wenn die Kostenentscheidung - wie hier - mit der Einspruchsentscheidung äußerlich in einem Bescheid verbunden ist, ist sie eine eigenständige Regelung, die nicht selbst „Einspruchsentscheidung” i.S.d. § 348 Nr. 1 AO ist (Finanzgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 09.08.2011 2 K 1648/11, Entscheidungen der Finanzgerichte –EFG- 2012, 344 m.w.N.; Felix in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Kommentar zum EStG, § 77 Rn. D 7; Wendl in: Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zur EStG und Körperschaftsteuer, § 77 EStG Rn. 7; Treiber in: Blümich, EStG, KStG, GewStG, Nebengesetze, § 77 EStG Rn. 28; Felix in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz, § 77 EStG Rn. 3; a.A.: R 7.5 Abs. 3 Satz 1 Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz Stand 2014 – DA-KG 2014-, Bundessteuerblatt –BStBl- I 2014, 922).

Die Klage ist auch nicht ohne Vorverfahren nach § 45 Abs. 1 Satz 1 FGO zulässig. Es fehlt jedenfalls an einer ausdrücklichen Zustimmung der Beklagten i.S.d. Norm.

Die Kosten sind der Familienkasse nach § 137 Satz 2 FGO aufzuerlegen. Nach dieser Vorschrift können die Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, diesem auferlegt werden. Die unrichtige Belehrung der Familienkasse (Finanzbehörde), dass gegen eine Entscheidung die Klage gegeben sei, erfüllt diesen Tatbestand (Urteil des Bundesfinanzhof - BFH - vom 27.09.1994 VIII R 36/89, BStBl II 1995, 353; Ratschow in: Gräber, FGO, § 137 Rn. 3). Vorliegend hat die Beklagte – entsprechend ihrer Dienstanweisung - die Klägerin dahin belehrt, dass gegen die Kostenentscheidung nach § 77 EStG, die zugleich mit der Einspruchsentscheidung in einem Bescheid äußerlich verbunden war, die Klage zulässig sei. Diese Belehrung war aus den oben genannten Gründen unzutreffend.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FG...

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