Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Kindergeldberechtigung durch widerrechtliche Kindesentziehung im Inland. Bezugsberechtigung des Kindergeldes bei Kindesentziehung im Inland
Leitsatz (redaktionell)
Durch eine widerrechtliche Kindesentziehung im Inland wird kein auf Dauer angelegtes Obhutsverhältnis und damit keine die Kindergeldberechtigung ändernde Haushaltsaufnahme des Kindes begründet, wenn der andere Elternteil seinen Rechtsanspruch auf Rückführung des Kindes umgehend geltend macht.
Normenkette
EStG § 64 Abs. 1, 2 S. 1; EStG 1997 § 64 Abs. 1, 2 S. 1
Streitjahr(e)
1999
Tatbestand
Der Kläger beantragte im September 1998 Kindergeld für seine Tochter J (geboren im August 1996), für die vorher seine von ihm getrennt lebende Ehefrau Kindergeld erhalten hatte. Er trug anlässlich einer Vorsprache bei der beklagten Familienkasse vor, ab Mai 1997 habe er zusammen mit der Ehefrau und der Tochter in der ehelichen Wohnung W in K gewohnt. Ab 14. Juli 1998 lebe er von der Ehefrau getrennt; das Kind J lebe weiterhin bei ihm. Der Kläger legte außerdem eine Haushaltsbescheinigung der Stadt K vor, wonach das Kind unter seiner Adresse gemeldet sei. Ausweislich der Kindergeldakte der Ehefrau war diese allerdings bereits im Oktober 1996 zusammen mit J aus dem gemeinsamen Haushalt mit dem Kläger ausgezogen, hatte sich mit dem Kind zunächst mehrere Monate im Frauenhaus in K aufgehalten, daraufhin mehrmals ihre Wohnanschrift in K gewechselt und war danach seit Mai 1997 in der S-straße in K gemeldet.
Dessen ungeachtet hob die Familienkasse gegenüber der Kindesmutter ohne ihr vorher rechtliches Gehör zu gewähren- die Kindergeldfestsetzung ab August 1998 auf (Bescheid vom 5. Oktober 1998) und setzte gegenüber dem Kläger Kindergeld für J ab August 1998 fest (Bescheid vom 5. Oktober 1998). Am 15. Oktober 1998 meldete sich die Kindesmutter telefonisch bei der Familienkasse, wandte sich gegen die Kindergeldgewährung an den Kläger und teilte mit, dass dieser das Kind entführt habe und durch Gerichtsentscheidungen verpflichtet sei, J wieder an sie (die Mutter) zurückzugeben. Zugleich teilte die Stadt K der Familienkasse mit, dass sie der Kindesmutter und dem Kind J seit Oktober 1998 Sozialhilfe gewähre und machte einen Erstattungsanspruch auf das Kindergeld geltend; ergänzend informierte die Stadt die Familienkasse darüber, dass sich J zur Zeit noch beim Vater (dem Kläger) befinde, dass jedoch ein Beschluss des Oberlandesgerichts vorliege, wonach er zur Rückgabe des Kindes an die Mutter verpflichtet sei. Trotz Zwangsandrohung habe der Kläger dem Beschluss nicht Folge geleistet. Die Familienkasse erhielt eine Abschrift des Beschlusses des OLG Düsseldorf vom 29. Oktober 1998 (Az. 4 WF 156/98, 61 F 123/98). Hierin wird die bereits vorher vom Amtsgericht (Beschluss vom 8.10.1998) getroffene Verpflichtung des Klägers, J an die Kindesmutter herauszugeben, rechtskräftig bestätigt. Im Beschluss des OLG heißt es u. a.
„…Das Amtsgericht hat die Herausgabeanordnung damit begründet, „weil ansonsten das körperliche, geistige und seelische Wohl des Kindes gefährdet wäre” (Bl. 48). Für diese vorläufige Bewertung spricht, dass das gerade erst 2 Jahre alte Kleinkind sich bislang überwiegend in der Obhut der Antragstellerin befunden und die Antragstellerin durch eidesstattliche Versicherung vom 17.07.1998 glaubhaft gemacht hat, dass der Antragsgegner das Kind J am 14.07.1998 „gegen den Willen der Antragstellerin aus dem Kinderwagen genommen hat und verschwunden ist” (Bl. 4, 5). Haben -wie hier- beide Elternteile die elterliche Sorge inne und nimmt der eine dem anderen das Kind weg oder enthält er es ihm widerrechtlich vor, so besteht zwar kein Grundsatz dahin, dass das Kind stets auch ohne Rücksicht auf eine Gefährdung seines Wohlergehens zurückgebracht werden müsste (...). Im vorliegenden Fall gebietet das Kindeswohl aber die Herausgabe des Kindes. Denn der Vertreter des mit den Verhältnissen vertrauten Jugendamtes hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, „dass es für ihn undenkbar sei, dass die elterliche Sorge auf den Vater allein übertragen wird”, während er sich eine Übertragung der elterlichen Sorge auf die Antragstellerin jedenfalls unter intensiver pädagogischer Betreuung der Mutter vorstellen könne (Bl. 44).
Der Antragsgegner ist daher verpflichtet, der Antragstellerin das Kind J herauszugeben. Für die Zeit ab 08.11.1998 versteht sich dies ohnehin von selbst, da die Antragstellerin eine Mutter-Kind-Kur antritt (Bl. 25).
...”
Die Kindesmutter beantragte im Januar 1999 erneut Kindergeld und erklärte, J lebe seit dem 31.12.1998 wieder bei ihr. Der klägerische Anwalt im Familiengerichtsverfahren bestätigte mit Schriftsatz vom 12.01.1999, dass „die Kindesmutter ihr Kind zwischenzeitlich erhalten” habe. Daraufhin gewährte die Familienkasse der Kindesmutter ab Januar 1999 wieder Kindergeld und hob die Kindergeldfestsetzung gegenüber dem Kläger ab Januar 1999 auf (Bescheid vom 20. Januar 1999).
Hiergegen erhob der Kläger Einspruch und trug vor, ihm steh...