Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu den Anforderungen an die Begründung eines Haftungsbescheids über Tabaksteuer und zum Nachweis von Steuerhehlerei mittels TKÜ-Mitschnitten

 

Leitsatz (amtlich)

Die unzureichende Begründung eines Haftungsbescheids kann durch die Nachholung der erforderlichen Begründung im Ablehnungsbescheid und / oder der Einspruchsentscheidung eines behördlichen AdV-Verfahrens geheilt werden.

 

Normenkette

AO §§ 71, 121 Abs. 1, § 126 Abs. 1 Nr. 2, § 191 Abs. 1, § 374 Abs. 1

 

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt, die Vollziehung eines Haftungsbescheids über Tabaksteuer auszusetzen.

Das Zollfahndungsamt Hamburg ermittelte im Jahr 2015 wegen des Verdachts der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei gegen Herrn A und überwachte ab Ende März 2015 dessen Telekommunikation. Im entsprechenden richterlichen Beschluss heißt es, dass der Beschuldigte im Verdacht stehe, diverse Personen in ... und im ... Randgebiet mit großen Mengen unversteuerter Zigaretten zu beliefern. Er habe in Telefonaten mit Dritten geäußert, regelmäßig aus dem Ausland beliefert zu werden und dass ein Grenzbeamter involviert sei, der offenbar für den "reibungslosen" Grenzübertritt verantwortlich sei. Zur Zwischenlagerung der Zigaretten nutze der Beschuldigte wohl eine Lagerhalle in B und eine Garage in C.

Herr A wurde am 15. Juni 2015 bei der Übergabe von ca. 470.000 unversteuerten Zigaretten in B vorläufig festgenommen. Das Landgericht D verurteilte ihn 2016 wegen Steuerhinterziehung durch Einfuhrschmuggel von knapp 13 Millionen Zigaretten zu einer Haftstrafe von vier Jahren.

Im Januar 2016 leitete das Zollfahndungsamt ein Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller wegen des Verdachts der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei aufgrund der im Rahmen der Überwachung des Herrn A aufgezeichneten Telefonate ein. Die Auswertung der Gespräche belege, dass der Antragsteller in dessen Zigarettengeschäfte involviert gewesen sei. Er habe Zigaretten von Herrn A abgenommen, Zigarettengeschäfte vermittelt und Zigaretten transportiert. Zudem habe er detaillierte Kenntnisse über den Lagerort und den jeweiligen Zigarettenbestand besessen und offenbar auch ohne Herrn A Zugriff auf die Zigaretten gehabt. Dies lasse auf ein großes Maß an Vertrauen und eine erhebliche Tatbeteiligung schließen. Gleichwohl sei die genaue Bezifferung des Tatumfangs problematisch, da trotz der großen Zahl an Gesprächen die jeweils zugrundeliegende Zigarettenmenge nur in wenigen Fällen bestimmbar sei.

Im Rahmen der Gewährung rechtlichen Gehörs machte der Antragsteller keine Angaben. Ein Mitarbeiter des Zollfahndungsamtes vermerkte, dass der Antragsteller erklärt habe, dass er und Herr A verwandt seien. Im Schlussbericht hielt das Zollfahndungsamt fest, dass der Antragsteller Abnehmer, Lagerverwalter und Verkäufer des Herrn A gewesen sei.

Mit Haftungsbescheid vom ... 2019 (xxx) forderte der Antragsgegner den Antragsteller auf, Tabaksteuer i.H.v. ... € zu zahlen. Er habe im Zeitraum März/April 2015 Steuerhehlerei begangen, indem er unversteuerte Zigaretten des Herrn A angekauft und an andere Personen weiterveräußert habe. Der Tatumfang betrage mindestens 35.800 Stück unversteuerte Zigaretten diverser Marken. Die Zigaretten seien zuvor von unbekannten Personen unter Umgehung der gesetzlichen Vorschriften in das deutsche Steuergebiet verbracht worden. Dadurch sei Tabaksteuer i.H.v. ... € verkürzt worden. Der Antragsteller werde gem. § 191 Abs. 1 AO i.V.m. § 71 Abs. 1 AO als Haftungsschuldner für hinterzogene Tabaksteuer i.H.v. "... €" in Anspruch genommen. Zur Erfüllung der Steuerschuld sei er gesamtschuldnerisch nach § 44 AO mit u.a. Herrn A verpflichtet. Hinsichtlich der Berechnung der Tabaksteuer wird auf die Anlage zum Haftungsbescheid verwiesen. Danach geht die Steuer auf zehn Stangen "xxx-1" (26. März 2015), 50 Stangen "xxx-2" (26. März 2015), 115 Stangen unbekannter Marke (1. April 2015) und vier Stangen "xxx-3" (Lagerung; 23. April 2015) zurück.

Am 14. Mai 2019 legte der Antragsteller gegen den Haftungsbescheid Einspruch ein. Er sei nicht Tatbeteiligter einer angeblichen Steuerhehlerei gewesen. Der Inhalt der Sachakte stütze diesen Vorwurf nicht.

Am 18. Juni 2019 beantragte der Antragsteller die "Aussetzung der Zwangsvollstreckung". Aufgrund seiner Einkommensverhältnisse und Unterhaltsverpflichtungen seien Vollstreckungsmaßnahmen aussichtslos.

Mit Bescheid vom 3. September 2019 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab. Die Aufzeichnungen aus der Telefonüberwachung des Herrn A belegten, dass der Antragsteller in den vier streitgegenständlichen Fällen selbst Steuerhehlerei nach § 374 AO begangen bzw. dazu zumindest Beihilfe geleistet habe. Er habe sowohl selbst Zigaretten, hinsichtlich deren die Tabaksteuer hinterzogen worden sei, an- und verkauft als auch Herrn A bei dessen Verkäufen unterstützt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Bescheid, in dem die Telefonmitschnitte wörtlich wiedergegeben werden, verwiesen. Ob der Antragsteller eine Steuerhehlerei begangen habe,...

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