Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbschaftsteuerliche Erfassung von 1. Steuer-Erstattungsansprüchen und 2. -Nachzahlungsverbindlichkeiten des Erblassers sowie 3. einer betrieblichen Witwenrente, 4. Versorgungsfreibetrag, 5. Streitwert für Jahreswertbesteuerung der Hinterbliebenenrente
Leitsatz (amtlich)
a) Ein bis zum Erbfall-Stichtag gemäß § 38 AO entstandener Steuererstattungsanspruch (hier Einkommensteuer) ist erbschaftsteuerlich nicht zu berücksichtigen, wenn er wegen eines bereits vorliegenden anders lautenden Bescheids bis zur späteren Änderungsveranlagung nicht durchsetzbar ist.
b) Entsprechendes gilt, wenn erst zwischen Erbfall und Erstattungsbescheid ein entgegenstehender Bescheid ergeht.
c) Erstattungsansprüche aus Einkommensteuer-Zusammenveranlagungen sind nur hälftig der Erbschaftsteuer zu unterwerfen, wenn mangels anderweitiger Vereinbarung der Eheleute von Einkommensteuer(voraus)zahlungen des Erblassers auf gemeinsame Rechnung auszugehen ist.
a) Steuernachzahlungsverbindlichkeiten können erbschaftsteuerlich ungeachtet der zwischenzeitlichen Bescheidlage auch dann zu berücksichtigen sein, wenn sie vom Steuerpflichtigen zunächst nicht konkret vorausgesehen wurden.
b) Einkommensteuer-Nachzahlungsverpflichtungen aus Zusammenveranlagung sind dann zu 100 % zu berücksichtigen, wenn sie entsprechend jahrelanger Übung der Eheleute von dem verdienenden Erblasser zu begleichen waren.
Eine betriebliche Altersversorgung für die Witwe eines GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführers unterliegt dann der Erbschaftsteuer, wenn der Erblasser nicht ganz unbedeutend beteiligt war und zusammen mit anderen Gesellschaftern über die Mehrheit verfügte und wenn von den anderen keiner allein eine Mehrheit hatte.
Der Versorgungsfreibetrag in der vor 1996 geltenden Höhe von 250.000 DM war nicht verfassungswidrig zu niedrig.
Der Streitwert betreffend die Jahreswertbesteuerung der Hinterbliebenenbezüge richtet sich nach dem dreifachen jährlichen Betrag der Erbschaftsteuer.
Normenkette
AO §§ 37-38, 218, 45; BewG §§ 12, 14, 95; EStG §§ 5, 10 Abs. 1 Nr. 1a, §§ 25-26, 26b, 35 a.F., § 36 a.F.; ErbStG § 3 Abs. 1 Nrn. 1, 4, §§ 9 ff, 17, 23; GG Art. 3, 6; GKG § 42 Abs. 3 n.F., § 52 n.F., § 17 Abs. 3 a.F., § 25 a.F.
Nachgehend
Tatbestand
A.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Steuererstattungsansprüche, denen nach dem Erbschaftsteuerstichtag ergangene Einkommensteuerbescheide zu Grunde liegen, als erbschaftsteuerpflichtiger Erwerb zu erfassen sind. Ferner ist umstritten, ob es mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar ist, dass die Ansprüche der Witwe eines zu 50% an einer GmbH beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführers auf Hinterbliebenenversorgung als erbschaftsteuerlicher Erwerb behandelt werden. Schließlich besteht Streit über die Frage, ob die Höhe des Versorgungsfreibetrags, § 17 Abs. 1 Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz i.d.F. des Streitjahres 1994 (ErbStG), von 250.000 DM gegen das GG verstößt.
I.
Die Klägerin ist Alleinerbin ihres am 29. November 1994 verstorbenen Ehemannes (Erblasser), mit dem sie im Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet war.
Der Erblasser war bis zu seinem Tode mit 50% beteiligter Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH, der A Verwaltungsges. mbH.
Er war mit seinen der Lohnsteuer unterliegenden Geschäftsführerbezügen nicht sozialversicherungspflichtig. Am 9. November 1990 erhielt er von der GmbH eine Versorgungszusage. Gemäß Ziffer 3 der Vereinbarung steht dem überlebenden Ehegatten des Erblassers, also der Klägerin, eine lebenslängliche Witwenrente in Höhe von 60% der dem Erblasser nach Ziffer 1. der Vereinbarung zugesagten Altersrente von monatlich 7.650 DM zu. Die monatliche betriebliche Witwenrente der Klägerin von 4.590 DM beträgt im Übrigen nicht mehr als 45% des Brutto-Arbeitslohns des Erblassers (Erbschaftsteuer-Akte -ErbSt-A- Bl. 20R, 44, 46).
Für die Jahre 1989-1991 wurden die Klägerin und der Erblasser bereits vor dessen Todestag ... 1994 beim damaligen Finanzamt Hamburg-... zur Einkommensteuer (ESt) zusammen veranlagt. Die Erstattungen aus dem Abrechnungsteil der Einkommensteuerbescheide 1989 und 1990 vom 13. Januar 1993 und die Nachzahlung aus dem Einkommensteuerbescheid 1991 vom 14. Juni 1993 wurden vor dem Tod des Erblassers ausgeglichen (Finanzgerichts-Akte -FG-A- Bl. 79; Zeichnung FG-A Bl. 83). Diese Bescheide und die dazugehörigen Akten liegen nicht mehr vor (vgl. FG-A Bl. 79). Die Bescheiddaten ergeben sich aus den späteren Änderungsbescheiden (unten 5 a aa, 6 a).
Die Einkommensteuer-Erstattungsansprüche, deren Ansatz bei der Erbschaftsteuer (ErbSt) zu prüfen ist, folgen zum Teil aus den erstmaligen ESt-Veranlagungen für die Jahre 1992 und 1993 (Zeichnung FG-A Bl. 83).
Gemäß den Bescheiden vom 23. Januar 1995 ergaben sich für die Klägerin und den Erblasser (nach Anrechnung hoher Körperschaftsteuer-Gutschriften 1992 und 1993 sowie nach Verrechnung mit dem Solidaritätszuschlag 1992) folgende Erstattungsansprüche:
1992 |
DM 118.536; |
1993 |
DM 165.37... |