Entscheidungsstichwort (Thema)
Zustellung per Einschreiben mit Rückschein
Leitsatz (amtlich)
Eine Zustellung per Einschreiben mit Rückschein wird nicht nur bei gerichtlicher Zustellung, sondern auch bei behördlicher Zustellung bereits am Rückscheinsdatum wirksam.
Normenkette
FGO §§ 47, 53-54; VwZG § 4; ZPO § 175
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 23.12.2005; Aktenzeichen VIII B 69/05) |
Gründe
Von den streitjahrbezogen verbundenen Klagen ist die Klage des Klägers zu 2 unzulässig (unten I) und die Klage des Klägers zu 1 zulässig und teilweise begründet (unten II-VI).
I. Die Klage des Klägers zu 2 ist unzulässig, weil die einmonatige Klagefrist gemäß § 47 Finanzgerichtsordnung (FGO) durch seine am Donnerstag, den 16. August 2001, eingegangenen Klage nach Zustellung der Einspruchsentscheidung vom 13. Juli 2001 per Rückschein vom 14. Juli 2001 nicht eingehalten worden ist.
1. Die einmonatige Klagefrist des § 47 FGO beginnt gemäß § 54 FGO mit der Bekanntgabe der angefochtenen Verwaltungsentscheidung oder mit dem Zeitpunkt, an dem die Bekanntgabe als bewirkt gilt.
Bei der vorliegenden Anfechtung des Feststellungsbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung kommt es auf den Zeitpunkt an, in dem ihre Bekanntgabe bzw. hier ihre Zustellung per Einschreiben mit Rückschein als bewirkt gilt.
2. Anders als bei Zustellungen durch das Finanzgericht (FG) nach § 53 Abs. 1 FGO i.V.m. den in § 53 Abs. 2 FGO seit dem Zustellungsreformgesetz vom 25. Juni 2001 (BGBl. I, 1206) in Bezug genommenen Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) gilt für die vom FA angeordnete Zustellung der Einspruchsentscheidung gemäß §§ 366, 122 Abs. 5 AO unverändert das Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG). Insbesondere ist die inzwischen in verschiedenen Verfahrensordnungen für Zustellungen per Einschreiben gegen Rückschein in Bezug genommene Vorschrift des § 175 ZPO für die durch das FA angeordnete Zustellung nicht maßgeblich, so dass es hier nicht auf das dortige Zustellungsdatum des Rückscheins ankommt.
3. Im Rahmen des bei finanzamtlicher Zustellung anzuwendenden VwZG ist die Zustellung per Einschreiben mit Rückschein entweder wie eine andere Zustellung per Einschreiben (ohne Rückschein) nach § 4 Abs. 1 Halbsatz 1 i.V.m. Abs. 2 oder nach Abs. 1 Halbsatz 2 VwZG oder wie eine Zustellung gegen Empfangsbekenntnis nach § 5 VwZG zu beurteilen.
Gemäß § 4 Abs. 1 VwZG gilt ein eingeschriebener Brief mit dem dritten Tag nach dem (gemäß § 4 Abs. 2 VwZG in der Akte zu vermerkenden) Tag der Aufgabe zur Post als zugestellt (Halbsatz 1); es sei denn, dass er nicht oder später zugegangen ist (Halbsatz 2); im Zweifel hat die Behörde den Zugang und dessen Zeitpunkt nachzuweisen (Halbsatz 3).
Gemäß § 5 Abs. 2 VwZG genügt bei Zustellungen an Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften oder Rechtsanwälte - wie hier die Prozessbevollmächtigten der Kläger zu 2 - ein mit Datum und Unterschrift versehenes und an die Behörde zurückgesandte Empfangsbekenntnis. Nach § 5 VwZG gilt als Datum der Zustellung das dabei vermerkte Datum.
4. Nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, erfüllt die Zustellung mittels eingeschriebenen Briefs gegen Rückschein nicht nur die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 VwZG, sondern entspricht sie bereits den Anforderungen des § 5 Abs. 2 VwZG, weil der Rückschein zugleich ein Empfangsbekenntnis im Sinne letzterer Vorschrift darstellt (BFH vom 28. Februar 1978, VII R 92/74 (BFHE 124, 487, BStBl II 1978, 390, 391; entgegen Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 VwZG Rd. 9).
Dementsprechend gilt hier das auf dem Rückschein bei der Empfangsquittung "Sendung erhalten" vermerkte Datum und ist danach die mehr als einen Monat später erhobene Klage verfristet.
5. Der Senat sieht die (aus der Zeit vor dem Zustellungsreformgesetz i.V.m. § 175 ZPO stammende) frühere Rechtsprechung als überholt an, nach der bei einer Zustellung per Einschreiben ein Rückschein nicht als Empfangsbekenntnis i.S.v. § 5 Abs. 2 VwZG anerkannt, sondern nach § 4 Abs. 1 Halbsatz 1 VwZG auf die Dreitagesfrist nach Postaufgabe des Einschreibens abgestellt wurde (vgl. Verwaltungsgerichtshof -VGH- Baden-Württemberg vom 10. Januar 1977, NJW 1977, 645; OLG Frankfurt vom 11. Dezember 1970, Rechtsprechung zum Wiedergutmachungsrecht -RzW- 1971, 182; Bayerisches Oberstes Landesgericht -BayObLG- vom 6. April 1967, NJW 1967, 2064; BFH vom 10. November 1966 IV R 42/66, BFHE 87, 542, BStBl III 1967, 234, Oberverwaltungsgericht -OVG- Berlin vom 24. Mai 1965 IV M 6.65, NJW 1966, 1379), ebenso wie auch bei sonst feststehendem Zugang einer Einschreibesendung vor dem dritten Tag letzterer als maßgeblich angesehen wurde (vgl. Bundesverwaltungsgericht -BVerwG- vom 23. Juli 1965 VII C 170/64 (BVerwGE 22, 11, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung -HFR- 1966, 155). Dasselbe gilt für das noch der früheren Rechtsprechung folgende Schrifttum (Engelhardt/App, VwVG VwZG, 5. A., § 4 VwZG Rd. 5; Sadler, VwVG VwZG, 4. A., § 5 VwZG Rd. 31; Kruse in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 4 Rd. 7); auch wenn dort em...