Entscheidungsstichwort (Thema)
Hinzuschätzungen wegen Verletzung der Aufzeichnungs- und Buchführungspflichten
Leitsatz (redaktionell)
1) Hat ein Steuerpflichtiger seine Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten verletzt, bestehen bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutz vorzunehmenden summarischen Überprüfung keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Hinzuschätzung, bei der ein branchenbezogener durchschnittlicher Rohgewinnaufschlagsatz zugrunde gelegt wird.
2) Die entschädigungslose Befreiung von Steuernachforderungen anlässlich einer Betriebsübertragung ist bei der Ermittlung des Aufgabegewinns zu berücksichtigen.
Normenkette
AO § 146 Abs. 4, 5 S. 2, § 162 Abs. 1, 2 S. 2; FGO § 69 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 S. 2; AO § 146 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten in der Hauptsache einerseits über die Höhe der im Rahmen einer Außenprüfung vorgenommenen Hinzuschätzung und andererseits über die Höhe des vom Antragsgegner festgestellten Aufgabegewinns.
Die Antragstellerin betrieb einen Lebensmitteleinzelhandel. Für das Streitjahr führte der Antragsgegner aufgrund der Anordnung vom 10.5.2013 eine Außenprüfung durch. Dabei wurden insbesondere die folgenden Feststellungen getroffen:
Der Betriebsprüfer bemängelte die Ordnungsmäßigkeit der Buch- und Kassenführung. Trotz Ankündigung im Rahmen der Vorprüfung (2007 bis 2009) und darauf gegründeter Aufforderung wurden keine digitalen Grundaufzeichnungen für die beiden Registrierkassen des Systems Vectron Commander vorgelegt. Für beide Ladenkassen wurden lediglich einheitliche Transaktionsberichte vorgelegt. Darüber hinaus war die Vollständigkeit der Z-Abschläge nicht prüfbar, da die Z-Nummern nicht fortlaufend respektive doppelt vergeben und die Z-Bons lückenhaft vorgelegt wurden.
Das daneben für die Monate Januar bis August handschriftlich geführte Kassenbuch weist nachträgliche Einfügungen, Überschreibungen und Verbesserungen mit Tipp-Ex auf. Tageskassenbestände wurden bis Juni nicht ausgewiesen. Es erfolgte lediglich eine rechnerische Ermittlung des Bestandes am Seitenende zum Zwecke des Übertrags. Es fehlte daher an der Sturzfähigkeit der Kasse.
Beginnend mit September bis zum Jahresende wurde ein elektronisches Kassenbuch unter Nutzung des Systems FGS geführt. Die eingegebenen Daten wurden durch das Programm in Excel-Dateien gespeichert. Bestände wurden rechnerisch ermittelt; Differenzen zu ausgezählten Beständen wurden nicht ausgewiesen.
Darüber hinaus wiesen die erstellten Ausgangsrechnungen keine fortlaufenden Nummern aus. Teilweise wurden auch Rechnungsnummern vergeben, die zum Nummernkreis anderer Wirtschaftsjahre (2009) gehören. Die Vollständigkeit der Ausgangsrechnungen konnte daher nicht geprüft werden.
Infolge dieser Mängel der Buch- und Kassenführung erhöhte der Antragsgegner die Umsätze im Wege der Schätzung um 3 % (= netto 54.000 €).
Daneben wurde im Rahmen der Außenprüfung erstmals ein Aufgabegewinn für die Antragstellerin ermittelt. Aufgrund einer zwischen der Antragstellerin und der A GmbH (GmbH) am 15.10.2010 geschlossenen Vereinbarung wurde das Vermögen der Antragstellerin unter Auflösung derselben auf die GmbH übertragen. Hierzu wurden u.a. folgende Regelungen getroffen:
„2.
Die GmbH vereinbart mit der GbR, dass deren Aktiva und Passiva, also insbesondere die Forderungen und Verbindlichkeiten, das Inventar und der Warenbestand zum 31.12.2010 von der GmbH entschädigungslos übernommen werden.
Da der Bestand der Aktiva zum 31.12.2010 nicht wesentlich vom Bestand der Verbindlichkeiten abweicht (vorl.Summen- und Saldenliste zum 31.10.2010), wird kein Kaufpreis oder Ablösebetrag vereinbart. Nach Fertigstellung der Bilanz zum 31.12.2010 wird diese Grundlage der Vereinbarung.
a.Die Forderungen …
b.Die GmbH verpflichtet sich, alle am 31.12.2010 bereits bestandenen oder zukünftig sich für die Zeit bis zum 31.12.2010 noch ergebenden Verbindlichkeiten der GbR (z. B. städtische Bescheide, Steuer- und Nebenkostennachforderungen) gegenüber den jeweiligen Gläubigern an Erfüllungs Statt zu erfüllen.
…
Die GbR ist verpflichtet, der GmbH die ihr bereits bekannten und noch zu erwartenden Verbindlichkeiten bis spätestens zur Unterzeichnung dieser Vereinbarung vollständig aufzulisten. Die GmbH ist verpflichtet, die bisherige GbR sowie deren Gesellschafter von einer eigenen Inanspruchnahme durch die Gläubiger freizustellen.
…”
Eine Gegenleistung wurde nicht – auch nicht in Form von GmbH-Geschäftsanteilen – vereinbart. Wegen der bilanziellen Überschuldung sowie aufgrund einer durchgeführten Ertragswertberechnung ergab sich ein gemeiner Wert der Antragstellerin i.H.v. 0 €. Der Antragsgegner ermittelte daher den Aufgabegewinn anhand des negativen Kapitalkontos der einzelnen Gesellschafter. Ausgehend von der vorgelegten Bilanz der Antragstellerin erhöhte der Beklagte hierbei die Passiva um einen Betrag i.H.v. 59.183,04 €.
Diese Erhöhung der Passiva resultierte aus einer für die Geschäftsjahre 2007 bis 2009 durchgeführten Außenprüfung (Vorprüfung). Im Rahmen der Vorprüfung...