Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderung des Steuerbescheids: Übersehen einer nachweislich beigefügten Bescheinigung als offenbare Unrichtigkeit
Leitsatz (redaktionell)
1) Bei der Nichtberücksichtigung der zwar nicht im Mantelbogen, aber in einer der Steuererklärung beiliegenden Versicherungsbescheinigung ausgewiesenen Beiträge für eine Basisrenten-Versicherung i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) EStG handelt es sich um eine offenbare Unrichtigkeit i.S. des § 129 AO.
2) Die nur theoretische Möglichkeit der Nichterfassung dieser Beiträge als Sonderausgaben aufgrund eines Rechtsirrtums oder einer unterlassenen Sachverhaltsermittlung rechtfertigt keine andere Beurteilung.
Normenkette
AO § 129
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob für das Finanzamt eine mögliche offenbare Unrichtigkeit der Einkommensteuererklärung 2008 aufgrund eines versehentlich nicht erklärten Sonderausgaben-Abzugsbetrages offensichtlich war bzw. ob alternativ eine bewusste Ablehnung des Sonderausgabenabzugs ohne Erläuterung im Steuerbescheid vorlag, aufgrund deren dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Einspruchsfrist zu gewähren wäre.
Der Kläger erzielte im Streitjahr 2008 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und aus Kapitalvermögen. In seiner am 9.6.2009 bei dem Finanzamt A eingegangenen Einkommensteuererklärung nahm er zu Beiträgen für eigene kapitalgedeckte Rentenversicherungen (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG) mit Laufzeitbeginn nach dem 31.12.2004 keine Eintragungen vor. Mit Bescheid vom 22.6.2009 setzte das Finanzamt A die Einkommensteuer 2008 erklärungsgemäß fest und sandte die beigefügten Belege mit Ausnahme der Bescheinigungen über Kapitalerträge und der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung an den Kläger zurück.
Mit Schreiben vom 24.4.2010 beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Berichtigung der Einkommensteuerfestsetzung 2008 nach § 129 AO, da die erklärten Beiträge für eine Basisrenten-Versicherung der B Ltd. i.H.v. 2460 €, die die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG erfülle, nicht berücksichtigt worden seien.
Diesen Antrag lehnte das Finanzamt A mit Bescheid vom 5.5.2010 ab, da der Kläger in seiner Steuererklärung den Abzug von Beiträgen zur Rürup-Rente nicht beantragt habe.
Mit dem hiergegen gerichteten Einspruch trug der Kläger vor, dass er die Beiträge für die Basisrenten-Versicherung bei der Erstellung der Steuererklärung zwar zutreffend in die – zugleich in Kopie vorgelegte – Entwurfsfassung des Mantelbogens eingetragen, sodann aber bei der Fertigung der Reinschrift diese Eintragung versehentlich nicht übernommen habe. Damit liege ein schlichter Übertragungsfehler vor, den das Finanzamt als offenbare Unrichtigkeit übernommen habe. Dieser Fehler sei für das Finanzamt offensichtlich gewesen, da der Steuererklärung eine Bescheinigung der B-Versicherung über die geleisteten Versicherungsbeiträge vom 17.2.2009 beigefügt gewesen sei, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird. Hieraus sei eindeutig erkennbar, dass der Versicherungsvertrag die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG erfülle. Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 27.5.2009 X R 47/08) sei eine Unrichtigkeit offenbar, wenn sie sich ohne weiteres aus der Steuererklärung, deren Anlagen sowie den in der Akte befindlichen Unterlagen für das betreffende Veranlagungsjahr ergebe.
Mit Einspruchsentscheidung vom 10.6.2011 wies der zwischenzeitlich zuständig gewordene Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Dem Finanzamt sei es nicht ohne weitere Prüfung möglich gewesen, den Fehler zu erkennen und zu beseitigen. Ein unvoreingenommener Dritter könne nicht anhand der Akte erkennen, dass dem Kläger ein Fehler bei Erstellen der Steuererklärung unterlaufen sei. Ebenfalls sei nicht ohne weitere Ermittlungen ersichtlich, dass die Bescheinigung der Versicherung mit der Steuererklärung eingereicht worden sei. Sofern dies der Fall gewesen sein sollte, sei eine unterlassene Sachverhaltsaufklärung durch den zuständigen Sachbearbeiter nicht auszuschließen. Hierbei handele es sich nicht um ein mechanisches Versehen, dass einer offenbaren Unrichtigkeit gleichzusetzen wäre. Aufgrund der Verteilung der Feststellungslast müsse es zulasten des Klägers gehen, dass das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nicht nachgewiesen sei.
Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger geltend, dass seinem Steuerberater und jetzigem Prozessbevollmächtigten bei der Übernahme des Mandats zur Erstellung der Einkommensteuererklärung 2009 der handschriftlich ausgefüllte Entwurf der Einkommensteuererklärung 2008 und der frankierte DIN A5 Briefumschlag, mit dem das Finanzamt – nach Durchführung der Einkommensteuerveranlagung 2008 – die nicht mehr benötigten Belege zurückgesandt habe, vorgelegt worden seien. Wie sein Steuerberater am 13.4.2014 eidess...