Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufrechnung im Insolvenzverfahren
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Aufrechnung ist nach Anzeige der Masseunzugänglichkeit unzulässig.
2. Eine Privilegierung des Massegläubigers nach § 36 InsO kommt nicht in Betracht, wenn die Masse nicht zur Befriedigung aller Gläubiger ausreicht.
Normenkette
InsO § 208; AO § 218; InsO § 96 Abs. 1 Nr. 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Zulässigkeit einer vom Beklagten während des laufenden Insolvenzverfahrens erklärten Aufrechnung rückständiger Umsatzsteuer mit einem Vorsteuerguthaben.
Am …2002 wurde über das Vermögen der …-Betriebs GmbH (GmbH) das Insolvenzverfahren eröffnet. Zum Insolvenzverwalter wurde der Kläger ernannt. Dieser zeigte am …2002 gemäß § 208 Insolvenzordnung (InsO) die Masseunzulänglichkeit an.
Im Laufe des Jahres 2003 verwertete der Kläger mehrere Gegenstände aus der Masse, was zu einer Umsatzsteuerschuld 2003 i.H.v. 4.094,68 EUR führte. Ferner entstanden Lohnsteuerverbindlichkeiten der Masse für die Monate Januar bis März 2003 i.H.v. 5.180,43 EUR. Mit Rechnung vom …2004 rechnete der Kläger seine Insolvenzverwaltervergütung ab und wies Umsatzsteuer i.H.v. 3.178,08 EUR gesondert aus. Diese machte er als Insolvenzverwalter der GmbH in der Umsatzsteuer-Voranmeldung 2. Quartal 2004 vom …2004 als Vorsteuer geltend. Mangels weiterer umsatzsteuerrelevanter Vorgänge ergab sich aus dieser Voranmeldung ein Überschuss i.H.v. 3.178,08 EUR. Mit Erklärung vom …2004 rechnete der Beklagte mit der vorgenannten Umsatzsteuerschuld (Gegenforderung) gegen diesen Überschuss (Hauptforderung) auf. Der Kläger beanstandete dies gegenüber dem Beklagten als unzulässig. Daraufhin erließ der Beklagte am …2004 einen Abrechnungsbescheid gem. § 218 Abgabenordnung (AO) für Umsatzsteuer 2. Quartal 2004 und ermittelte aufgrund der erfolgten Aufrechnung einen noch zu erstattenden Betrag von 0,00 EUR.
Gegen den Abrechnungsbescheid vom …2004 legte der Kläger Einspruch ein (Einspruchsentscheidung vom …2005).
Der Kläger teilte dem Beklagten mit Schriftsatz vom 10.01.2005 mit, dass auf die (Neu-) Masseverbindlichkeiten gegenüber dem Beklagten i.H.v. 9.275,11 EUR eine Quote von 46,6 %, also 4.322,20 EUR, gezahlt werden könne. Hiervon sei die Umsatzsteuererstattung für das 2. Quartal 2004 i.H.v. 3.178,08 EUR abzusetzen. Der Differenzbetrag von 1.144,12 EUR sei überwiesen worden. Dem widersprach der Beklagte mit Schriftsatz vom 28.01.2005 und bestritt, dass ein Erstattungsanspruch des Klägers i.H.v. 3.178,08 EUR noch bestehe.
Am …2005 wurde das Insolvenzverfahren abgeschlossen.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchentscheidung vom …2005 als unbegründet zurück. Mit seiner hiergegen erhobenen Klage macht der Kläger geltend, dass die Aufrechnung des Beklagten unzulässig sei. Nach sinngemäßer Anwendung des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO auf die Anzeige der Masseunzulänglichkeit sei eine Aufrechnung unzulässig, wenn ein Massegläubiger erst nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit etwas zur Neumasse schuldig werde. Diese Regelung gelte auch dann, wenn gegen eine solche Forderung der (Neu-) Masse mit einem nach Anzeige erworbenen Anspruch gegen die (Neu-) Masse aufgerechnet werde. Zwar werde im Normalfall des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO eine Aufrechnung dann für zulässig erachtet, wenn der Gläubiger mit einer Forderung, die er nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlangt habe, aufrechne. Dieser Massegläubiger werde nämlich gemäß § 53 InsO vorweg befriedigt. Eine Ausnahme und damit wiederum ein Aufrechnungsverbot werde aber angenommen, wenn die Masse nicht zur Befriedigung aller Massegläubiger reiche. Übertragen auf die sinngemäße Anwendung des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO auf die Anzeige der Masseunzulänglichkeit bedeute dies, dass zwar grundsätzlich eine Aufrechnung des Neumassegläubigers gegen eine Forderung der Neumasse zulässig sei. Dies gelte aber dann nicht, wenn – wie im Streitfall – die Neumasse nicht zur vollen Befriedigung aller Neumassegläubiger ausreiche. Hier bestehe allenfalls eine Aufrechnungsmöglichkeit in Höhe der zugeteilten Quote. Bei Bestandskraft der angefochtenen Bescheide würde der Beklagte zu Lasten aller anderen Neumassegläubiger zumindest in Höhe des aufgerechneten Betrages eine Befriedigung seiner Forderung zu 100 v.H. erreichen. Um dies zu verhindern, sei hier in entsprechender Anwendung des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ein Aufrechnungsverbot notwendig. So habe auch der BFH im Urteil vom 01.08.2000 (VII R 31/99, BFHE 193, 1, BStBl II 2002, 323), damals noch zur Konkursordnung (KO), ein Aufrechnungsverbot bei Masseunzulänglichkeit bejaht. Etwas anderes könne der Beklagte auch nicht aus der Vorschrift des § 210 InsO ableiten. Danach bestehe bei angezeigter Masseunzulänglichkeit zwar für Altmasseverbindlichkeiten, nicht aber für Neumasseverbindlichkeiten, ein Vollstreckungsverbot. Reiche jedoch die Neumasse nicht zur Befriedigung sämtlicher Neumassegläubiger, stehe dem Insolvenzverwalter bei einer Vollstrecku...