Entscheidungsstichwort (Thema)
Fehlende Zwangsläufigkeit bei Nichtabschluß einer allgemein zugänglichen und üblichen Versicherung
Leitsatz (redaktionell)
1. Aufwendungen sind zwangsläufig, wenn sie auf Gründen beruhen, die von außen derart auf die Entschließung des Steuerpflichtigen einwirken, dass er ihnen nicht auszuweichen vermag.
2. Besteht eine für den Steuerpflichtigen allgemein zugängliche und übliche Versicherungsmöglichkeit und ist der Abschluß einer Versicherung zumutbar, so kann sich der Steuerpflichtige den eigenen Aufwendungen entziehen. Eine allgemein übliche Versicherungsmöglichkeit besteht, wenn die überwiegende Mehrzahl der Versicherungsgesellschaften die Möglichkeit zum Abschluss anbieten, beispielsweise der Versicherungsschutz gegen Hausrats- und Gebäudeschäden.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 1
Tatbestand
Die Kläger machten in ihrer gemeinsamen Einkommensteuererklärung für 1999 u.a. Aufwendungen i.H.v. ……. DM für die Beseitigung von Gebäudeschäden sowie für die Wiederbeschaffung von Hausrat und Mobiliar als außergewöhnliche Belastungen geltend. Am 11.1.1999 war es im Erdgeschoß des Einfamilienhauses der Kläger in …, …… zu einem Hausbrand gekommen, der die Zimmer im Erdgeschoß und die dort befindlichen Möbel stark beschädigte. Der Gebäudeschaden belief sich auf 57.010 DM. Er wurde von der …. Versicherung bis auf einen Unterversicherungsbetrag von …… DM übernommen. Da die Kläger keine Hausratversicherung abgeschlossen hatten, mußten sie die Schäden an den Einrichtungsgegenständen selbst tragen. Diese beliefen sich nach einer Aufstellung der Kläger auf …… DM. Auf die sich in den Steuerakten befindliche Verhandlungsniederschrift der …-Versicherung sowie auf die Aufstellung der Kläger über die neu angeschafften Einrichtungsgegenstände wird Bezug genommen.
Das Finanzamt ließ die Aufwendungen für die Beseitigung des Gebäudeschadens sowie für die Wiederbeschaffung des Hausrats unberücksichtigt. Zur Begründung wurde unter Hinweis auf das Urteil des BFH vom 6.5.1994 (BStBl II 1995, 104) angeführt, daß die Kläger zur Absicherung der entstandenen Schäden allgemein zugängliche und übliche Versicherungsmöglichkeiten nicht wahrgenommen hätten und deshalb außergewöhnliche Belastungen nicht vorlägen.
Gegen den Einkommensteuerbescheid 1999 legten die Kläger Einspruch ein. Aus dem Urteil des BFH könne nicht geschlossen werden, daß zu den allgemein zugänglichen und üblichen Versicherungsmöglichkeiten auch Hausratversicherungen gehörten. Dies hätte der BFH gerade in seinem Urteil vom 30.6.1999 (BStBl II 1999, 766) offengelassen. Zudem verweisen die Kläger im Einspruchsverfahren auf den „Kleinen Ratgeber für Lohnsteuerzahler 1999”, in dem gerade die Wiederbeschaffung von lebensnotwendigen Gegenständen (z.B. Hausrat und Kleider) als außergewöhnliche Belastungen genannt werden. Weiterhin würde der geforderte Abschluß einer allgemein zugänglichen und üblichen Versicherung auf eine Zwangsversicherung im Steuerrecht hinauslaufen.
Der Beklagte wies den Einspruch als unbegründet zurück. Auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung wird verwiesen.
Mit der Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren -Anerkennung ihrer Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung- weiter. Ihrer Ansicht nach könne es nicht auf die Versicherungsmöglichkeit bei der Entscheidung ankommen. § 33 EStG diene der Wahrung des Prinzips der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, wenn Aufwendungen weder durch den eigentlich das Existenzminimum repräsentierenden Grundfreibetrag abgegolten seien noch als Sonderausgaben berücksichtigt werden können. Aus diesem Prinzip ergebe sich auch nach der Ansicht des BVerfG, daß solche Ausgaben einkommensteuerrechtlich von Bedeutung seien, die außerhalb der Sphäre der Einkommenerzielung anfallen und für den Steuerpflichtigen unvermeidbar seien. Die hier streitigen Aufwendungen seien unvermeidbar gewesen, da es sich um lebensnotwendige private Ausgaben gehandelt habe. Das Abstellen auf eine Versicherungsmöglichkeit würde das Prinzip nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in unzulässiger Weise einschränken. Wenn der Beklagte seine Entscheidung damit begründe, daß eine Abwälzung des Schadens auf die Allgemeinheit nicht zu rechtfertigen sei, so treffe er damit eine Billigkeitsentscheidung, die aber nicht das Prinzip der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit einzuschränken vermag. Im übrigen wiederholen die Kläger ihr Vorbringen im Einspruchsverfahren.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid 1999 vom … in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … insoweit zu ändern, als die in der Einkommensteuererklärung 1999 vom … geltend gemachten Aufwendungen in Höhe von …… DM (…… DM Hausbrandschaden und …… DM Zahnersatz) abzüglich der zumutbaren Belastung in Höhe von 5 % als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
unter Hinweis auf die Einspruchsentscheidung. Ergänzend vertritt der Beklagte die Ansicht, daß die eingetretenen Schäden nicht unvermeidbar gewesen ...