Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine entsprechende Anwendung der Änderungssperre des § 173 Abs. 2 AO bei § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO. Zum Verhältnis von § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO zu § 7a Abs. 1 S. 3 EStG. Kaufpreisminderung als rückwirkendes Ereignis nach § 175 Abs.1 Nr.2 AO. Keine analoge Anwendung des § 173 Abs.2 AO bei § 175 Abs.1 Nr.2 AO
Leitsatz (redaktionell)
1. Mindert sich der zunächst vertraglich vereinbarte Kaufpreis für eine Immoblilie später aufgrund einer Vergleichsvereinbarung, so liegt in der Kaufpreisminderung ein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Abs. 1 Nr. 2 EStG.
2. Die Änderungssperre des § 173 Abs. 2 AO ist nicht sinngemäß auf § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO anzuwenden mit der Folge, dass rückwirkende Ereignisse auch noch nach Abschluss einer Betriebsprüfung berücksichtigt werden können.
3. Minderungen der Anschaffungskosten innerhalb des Zeitraums, in dem für ein Wirtschaftsgut Sonderabschreibungen in Anspruch genommen werden können (Begünstigungszeitraum), sind nach § 7a Abs. 3 Satz 1 EStG erst vom Jahr der Minderung an bis ans Ende des Begünstigungszeitraums zu berücksichtigen. Die Vorschrift ist gegenüber § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO während des Begünstigungszeitraums vorrangig anzuwenden, hindert jedoch nicht daran, rückwirkende Ereignisse zu berücksichtigen, die erst nach Ablauf des Begünstigungszeitraums eingetreten sind.
Normenkette
EStG 1990 § 7a Abs. 1 S. 3; AO 1977 § 175 Abs. 1 Nr. 2, § 173 Abs. 2; FördG § 4
Nachgehend
Tenor
1. Unter Änderung der Bescheide vom 07.04.2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09.08.2002 werden die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für 1995 auf 184.848 DM, für 1996 auf 190.779 DM und für 1997 auf –1.537.078 DM festgestellt. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 94% und der Beklagte zu 6%.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Sonderabschreibung nach § 4 Fördergebietsgesetz (FördG) auf Anzahlungen für Anschaffungskosten des Gebäudes Berlin-…, strasse … wegen nachträglicher Kaufpreisminderungen in den Streitjahren nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 Abgabenordnung 1977 (AO) geändert werden können.
I.
Die Einkünfte der Klägerin, eines geschlossenen Immobilienfonds in Form einer KG, werden beim Finanzamt als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung einheitlich und gesondert festgestellt.
Für die Feststellungszeiträume 1992 und 1993 ergingen am 28.06.1993 bzw. 03.08.1994 zunächst erklärungsgemäße Feststellungsbescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Nach einer Betriebsprüfung wurde der Feststellungsbescheid 1993 geändert, und für die Feststellungszeiträume 1992 und 1993 der Vorbehalt der Nachprüfung mit Bescheiden vom 04.01.1995 bzw. 20.12.1994 aufgehoben.
Für die Feststellungszeiträume 1994 bis 1997 waren die Feststellungsbescheide zunächst ebenfalls erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen. Aufgrund der Feststellungen einer Betriebsprüfung wurden sie mit Bescheiden jeweils vom 07.04.2000 nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO geändert. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben. Mit gleichem Datum wurden auch die Feststellungsbescheide 1992 und 1993 geändert.
Den Änderungen liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
Die Klägerin erwarb mit notarieller Urkunde vom 08.12.1992 ein noch zu errichtendes Wohn- und Geschäftshaus in Berlin-…, …straße …. Hinsichtlich des Kaufpreises wurde in Ziffer V.1. der Urkunde Folgendes vereinbart: „Er beträgt das 180-fache der im Rahmen der Erstvermietung tatsächlich erzielten Netto-Monatsmiete für das gesamte Objekt … Entsprechend der in Anlage 3 garantierten Netto-Monatsmiete gehen die Vertragsparteien vorläufig von einem Kaufpreis von DM 20.363.994 zzgl. der gesetzlichen Umsatzsteuer aus.” Die Netto-Monatsmiete war mit 113.133 DM garantiert. 90% des Kaufpreises waren als Anzahlung zum 29.12.1992 fällig und wurden termingemäß bezahlt; der Kaufpreisrest wurde zum 30.12.1994 beglichen. Die Sonderabschreibung nach § 4 FördG wurde in den Feststellungszeiträumen 1992 bis 1994 in vollem Umfang ausgeschöpft. Das Gebäude wurde 1995 fertiggestellt und am 14.12.1995 abgenommen. In der Folgezeit kam es wegen Flächen- und Nutzungsverschiebungen sowie geringerer Mieteinnahmen zu Vergleichsvereinbarungen mit Kaufpreisrückzahlungen von 2.481.885 DM in 1996 und 7.005.000 DM in 1998 (Vergleich vom 05.10.1998). Ab 1995 wurde das Objekt nach § 7 Abs.4 Einkommensteuergesetz (EStG) abgeschrieben, wobei die Kaufpreisminderung des Jahres 1996 hinsichtlich der AfA in den Feststellungserklärungen 1996 und 1997 berücksichtigt wurde. Aufgrund der Betriebsprüfung bezüglich der Feststellungsbescheide 1994 bi...