Entscheidungsstichwort (Thema)
Verzinsung von Investitionszulagenansprüchen nach § 236 AO. Bescheinigung gem. § 2 InvZulG 1986 als Grundlagenbescheid i.S. des § 236 AO. Verwaltungsgerichtsurteil als gerichtliche Entscheidung i.S. des § 236 Abs. 2 Nr. 2 AO. Kausalität
Leitsatz (redaktionell)
1. Wird durch ein rechtskräftiges OVG-Urteil das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle dazu verpflichtet, eine Investitionszulagenbescheinigung gem. § 2 InvZulG 1986 zu erteilen, die als Grundlagenbescheid gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zur Festsetzung von Investitionszulage führt, besteht ein Anspruch auf Verzinsung der im Folgebescheid festgesetzten Investitionszulage nach § 236 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a AO.
2. Ansprüche auf Investitionszulage werden gem. § 236 AO verzinst, denn gemäß § 5 Abs. 5 InvZulG ist § 236 AO auf Investitionszulagen entsprechend anzuwenden.
3. Grundlagenbescheid i.S. des § 236 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a AO ist jeder Bescheid, der Grundlagenbescheid i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ist.
4. Grundlagenbescheid ist auch die Bescheinigung gemäß § 2 InvZulG 1986.
Normenkette
AO § 236 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a, Abs. 1; InvZulG 1986 §§ 2, 5 Abs. 5; AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 182 Abs. 1, §§ 233a, 233; InvZulG 1986 § 5 Abs. 7
Tenor
1. Unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 2. September 2005 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 10. April 2006 wird der Beklagte verpflichtet, Zinsen zur Investitionszulage in Höhe von 101.520 EUR festzusetzen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 55/100 und der Beklagte zu 45/100.
4. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
5. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.
Tatbestand
Streitig ist, ob ein Anspruch auf Investitionszulage zu verzinsen ist.
I.
Mit Antrag vom 29. September 1988 beantragte die Klägerin Investitionszulage für das Jahr 1987. Diesen Antrag lehnte der Beklagte – das Finanzamt (FA) – mit Bescheid vom 7. März 1989 ab, da der erforderliche Nachweis der Förderungswürdigkeit der Investition nicht erbracht sei. Das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft habe nämlich mit Bescheid vom
27. Februar 1989 die Erteilung der entsprechenden Bescheinigung abgelehnt. Einen Einspruch legte die Klägerin gegen die Ablehnung der Investitionszulage nicht ein.
Die Klägerin erhob gegen diesen Bescheid des Bundesamtes für gewerbliche Wirtschaft vom 27. Februar 1989 – den sie am 16. Juli 1985 beantragt hatte – nach erfolglosem Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid vom 15. August 1997) mit Schriftsatz vom 18. September 1997 Klage zum Verwaltungsgericht G-Stadt […]. Mit Urteil des Verwaltungsgerichts vom 4. Dezember 2001 wurde die Klage abwiesen. Auf die Berufung der Klägerin wurde die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) mit Urteil des [… Oberverwaltungsgerichts] (OVG) vom 29. September 2004 verpflichtet, der Klägerin die beantragte Bescheinigung zu erteilen. Am 3. November 2004 bescheinigte das BAFA, dass die Errichtung und der Betrieb des [… Projekts] durch die Klägerin mit einer Gesamtinvestition von 2.663.381 EUR (5.210.000 DM) förderungswürdig i.S. des § 2 Investitionszulagegesetz vom 18. August 1969 i.d.F. vom 28. Januar 1986 (BGBl I 1986, 231 ff.) (InvZulG) sei.
Mit Schreiben vom 9. Dezember 2004 beantragte die Klägerin die Festsetzung der Investitionszulage in Höhe von 211.549 EUR sowie die Verzinsung des Anspruchs auf Investitionszulage für den Zeitraum ab 27. Februar 1989. Das FA betrachtete die Bescheinigung gemäß § 2 InvZulG als Grundlagenbescheid i.S. des § 175 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) und gewährte die beantragte Investitionszulage in Höhe von 211.549 EUR mit Bescheid vom 2. September 2005. Die Investitionszulage wurde am 22. September 2005 ausbezahlt.
Mit weiterem Bescheid vom 2. September 2005 lehnte das FA die Verzinsung ab. Zwar verweise § 5 Abs. 5 InvZulG auf die für Steuervergünstigungen geltenden Regelungen der AO. Aber weder gemäß § 233a AO noch gemäß § 236 AO lasse sich ein Zinsanspruch begründen. Auch würden keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Regelung des § 5 Abs. 7 InvZulG bestehen, der nur eine Verzinsung des Rückforderungsanspruchs aber keine Verzinsung des Erstattungsanspruchs vorsehe.
Den dagegen gerichteten Einspruch begründete die Klägerin damit, dass ein Anspruch auf Prozesszinsen gemäß § 5 Abs. 5 InvZulG i.V.m. § 236 Abs. 2 Nr. 1 AO bestehe, denn der Rechtsstreit auf Gewährung von Investitionszulage habe sich nach dem Urteil des […] OVG vom 29. September 2004 erledigt. Die zuvor abgelehnte Investitionszulage sei vom FA gewährt worden. Der Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 10. April 2006).
Dagegen richtet sich die Klage. ...