Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen, wenn der innergemeinschaftliche Erwerb nicht steuerpflichtig ist
Leitsatz (redaktionell)
Systembedingt besteht ein Zusammenhang zwischen der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen und der Besteuerung innergemeinschaftlicher Erwerbe. Durch die Verlagerung der Besteuerung vom Ursprungsmitgliedstaat auf den Bestimmungsmitgliedstaat im innergemeinschaftlichen Warenverkehr ergibt sich die Notwendigkeit, die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung von der Steuerpflicht des innergemeinschaftlichen Erwerbs beim Abnehmer im anderen Mitgliedstaat abhängig zu machen.
Normenkette
UStG § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a Abs. 1 S. 1 Nr. 3; EWGRL 388/77 Art. 28c Teil A Buchst. a UAbs. 1; EGRL 112/2006 Art. 138 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist die Umsatzsteuerbefreiung von Weinlieferungen nach Großbritannien.
Die Klägerin erzielt steuerpflichtige Umsätze aus dem Groß- und Einzelhandel mit hochwertigen Weinen.
Mit ihrer Umsatzsteuererklärung vom 17. Januar 2005 erklärte sie für das Streitjahr u. a. steuerpflichtige Lieferungen und sonstige Leistungen in Höhe von … EUR und steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen an Abnehmer mit Umsatzsteueridentifikationsnummer (USt-IdNr.) in Höhe von 3.050.740,– EUR.
In dem Betrag von 3.050.740,– EUR ist die Summe von 44.674,– EUR aus sieben Rechnungen über Weinlieferungen ohne gesonderten Ausweis von Umsatzsteuer an F, London enthalten. In den Rechnungen wird jeweils auf eine innergemeinschaftliche Warenlieferung an die britische USt-IdNr. GB…, der Steuernummer des Verbrauchsteuerlagers der C, hingewiesen.
F ist ein auf die Geldanlage in hochwertigen Weinen spezialisierter Fonds, gegründet als Gesellschaft mit beschränkter Haftung am 29. Oktober 2002 nach dem Recht der Cayman Islands und in deren Handelsregister eingetragen. Die Entscheidung über den An- und Verkauf der Weine, und damit über die Anlage der Gelder des F, ist auf W, GB übertragen. Geschäftsführer ist D. Im Übrigen ist für die Verwaltung des F die O als Administrator zuständig, die u. a. die Zahlungen anweist und die Bücher für F führt.
Die in Rechnung gestellten Beträge gingen ca. drei bis vier Wochen nach dem jeweiligen Ausstellungsdatum der Rechnung noch im Streitjahr 2003 bei der Klägerin ein. Als Überweisender ist jeweils die Fa. O angegeben. In den Büchern der Klägerin wurden die eingegangenen Beträge als Zahlungen des F im Konto Nr. 42081 unter Bezugnahme auf die jeweilige Rechnungsnummer verbucht.
Die Lieferung der Weine erfolgte nach den vorgelegten Belegen durch die Spedition B, GB mit CMR-Frachtbrief und weißer Spediteursbescheinigung sowie mit vom Zollamt R für Verbrauchsteuerzwecke ausgestelltem begleitenden Verwaltungsdokument im März 2004 zu einem Steuerlager der L, Essex, von wo sie zu einem Steuerlager der C verbracht wurden, bei der F ein Verbrauchsteuerlagerkonto eröffnet hatte.
Nachdem die britische Finanzverwaltung der deutschen Finanzverwaltung am 13. Dezember 2007 mitgeteilt hatte, dass die Klägerin Verkäufe an C angemeldet habe und dies nicht korrekt sei, weil es sich bei C um ein Zoll- bzw. Verbrauchsteuerlager handle, in dem die Waren nur für deren Kunden unter Verschluss eingelagert würden, führte der Beklagte (das Finanzamt) bei der Klägerin eine Überprüfung der Weinlieferungen nach Großbritannien durch. Dabei wurde festgestellt, dass die auf den Rechnungen jeweils angegebene USt-IdNr. nicht eine USt-IdNr. des F, sondern die der C gewesen ist. Das Bestätigungsverfahren nach § 18e des Umsatzsteuergesetzes (UStG) für die auf den Rechnungen verwendete USt-IdNr. wurde von der Klägerin nicht durchgeführt.
Das Finanzamt erkannte die Steuerfreiheit der streitgegenständlichen Weinlieferungen nicht an, weil Abnehmer der Weine F sei und eine gültige USt-IdNr. des F nicht nachgewiesen worden sei. Mit Änderungsbescheid vom 17. Juli 2009 setzte es die Umsatzsteuer für 2003, unter Kürzung der steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen um 44.674,– EUR und gleichzeitiger Erhöhung der steuerpflichtigen Umsätze zu 16 % um 38.512,– EUR (= 44.674,– EUR abzüglich 16 % Umsatzsteuer in Höhe von 6.161,92 EUR), auf einen negativen Betrag von … EUR fest.
Nach erfolglosem Einspruch (Einspruchsentscheidung vom 10. Juni 2010) wird mit der Klage im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:
Bei Abschluss der den streitgegenständlichen Rechnungen zu Grunde liegenden Verträge sei F durch W, handelnd durch den Geschäftsführer D, vertreten worden. Die Klägerin habe das Eigentum an den Weinen direkt an F übertragen. Auf den Überweisungen erscheine O als Zahlender, weil diese Firma die Zahlungen als Fondsadministratorin zu Lasten des F angewiesen habe. Die Klägerin habe die USt-IdNr. des Lagerhalters C auf Anweisung des D verwendet.
Die Voraussetzungen für...