Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer
Nachgehend
Tenor
1. Der Grunderwerbsteuerbescheid vom 15. Juli 1988 und die Einspruchsentscheidung vom 16. März 1990 werden aufgehoben.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte (= Finanzamt –FA–) zu Recht Grunderwerbsteuer (GrESt) nach Art. 4 des Gesetzes über die Grunderwerb Steuerbefreiung für den sozialen Wohnungsbau (GrESWG) wegen Nichterfüllung bzw. Aufgabe des begünstigten Zwecks nacherhoben hat, insbesondere, ob Festsetzungsverjährung eingetreten ist.
Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 20. Dezember 1979 (Urkundsrollen Nr. … des Notars … S. in M.) erwarb die Klägerin (Klin) von der Firma K. das durch Vermessung neu gebildete Grundstück FlNr. … der Gemarkung G. (spätere Bezeichnung S.) mit einer Grundstücksfläche von 5.814 qm zu einem Kaufpreis in Höhe von 5.814.000 DM. Erschließungskosten wurden mit zusätzlich 700.000 DM vergütet.
Die Klin verpflichtete sich mit Erklärung vom 12. März 1980, auf dem erworbenen Grundstück binnen 10 Jahren nach dem rechtswirksamen Erwerb als Bauherrin vier Gebäude bezugsfertig zu errichten, deren Wohnungen und Wohnräume nach dem II. Wohnungsbaugesetz (II. WohnBauG) grundsteuerbegünstigt sind. Als Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit wurde der Herbst 1981 genannt.
Gleichzeitig legte die Klin auch den mit der KG … … abgeschlossenen Generalunternehmervertrag vom 19. Dezember 1979 zur Glaubhaftmachung der Bauabsicht vor. Als Gesamt Vergütung waren hierin 18.270.000 DM vorgesehen.
Das FA stellte den Grundstückserwerb mit Bescheid vom 9. April 1980 gemäß Art. 1 Nr. 1 Buchst. a GrESWG vorläufig von der GrESt frei und wies auf die Voraussetzungen für die endgültige Steuerbefreiung und die Anzeigepflichten nach dem GrESWG hin.
Am 26. April 1983 gingen beim FA die Bescheide über die Anerkennung von Wohnungen als steuerbegünstigt nach den §§ 82 und 83 des II. WohnBauG der Landeshauptstadt München ein. In den Anerkennungsbescheiden ist u. a. vermerkt, daß der Wohnraum am 1. August 1981 bezugsfertig geworden war.
Mit Schreiben vom 14. Mai 1984 übersandte die Betriebsprüfungsstelle des FA M. dem FA unter Hinweis auf die Bundesfinanzhof-BFH-Rechtsprechung zum sog. einheitlichen Vertragswerk eine Kontrollmitteilung zur Prüfung der Frage, ob bei den zahlreichen Grundstücksverkäufen aus dem sog. K. (M. bzw. H.) einheitliche Verträge vorliegen, die bei den Erwerbern auf dem grunderwerbsteuerpflichtigen Erwerb von Grundstücken mit einem jeweils bezugsfertig schlüsselfertig zu errichtenden Gebäude gerichtet sind. Als Anlage war der Generalunternehmervertrag vom 19. Dezember 1979 nebst einem Zahlungsplan beigefügt.
Mit internem Aktenvermerk vom 5. Dezember 1984 vertrat das FA zunächst die Auffassung, daß trotz fehlender Bauherreneigenschaft der Klin eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) nicht in Betracht komme.
Später vertrat das FA die Rechtsansicht, daß der Grundstückskaufvertrag und der Generalunternehmervertrag ein einheitliches Vertragswerk bildeten und deshalb ein weiterer Nacherhebungstatbestand gemäß Art. 4 GrESWG erfüllt sei.
Demgemäß setzte das FA mit nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO i.V.m. Art. 4 Abs. 1 GrESWG geändertem GrESt-Bescheid vom 15. Juli 1988 aus einer Gesamtgegenleistung in Höhe von 24.784.000 DM gegen die Klin GrESt in Höhe von 1.734.880 DM zzgl. eines Nacherhebungszuschlags in Höhe von 86.744 DM fest.
Mit dem hiergegen eingelegten Einspruch machte die Klin u. a. geltend, für den mit Bescheid vom 15. Juli 1988 geltend gemachten Steueranspruch sei die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen. Die Steuerfestsetzung oder eine Änderung sei deshalb nicht mehr zulässig.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Das FA wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 16. März 1990 als unbegründet zurück. Nach Ansicht des FA habe die Klin keine Bauherreneigenschaft inne und könne daher nur als Erwerberin des bezugsfertig herzustellenden Objekts angesehen werden. Wegen der Einzelheiten wird auf die EE verwiesen.
Mit ihrer Klage wendet sich die Klin weiterhin gegen die Erhebung der GrESt und macht insbesondere Festsetzungsverjährung geltend. Nachdem die Wohnungen im Jahr 1981 bezugsfertig geworden seien, habe die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres 1981 zu laufen begonnen. Die 4-jährige Festsetzungsfrist sei daher mit Ende des Kalenderjahres 1985 abgelaufen. Die Voraussetzungen für eine Anlaufhemmung nach § 16a Satz 2 GrESWG wegen Nichtabgabe oder nicht rechtzeitiger Abgabe einer für Zwecke der GrESt vorgeschriebenen Anzeige lägen nicht vor. Außerdem habe das FA schon vor dem 1. Januar 1984 Kenntnis von der konzernmäßigen Verflechtung vom Veräußerer und Generalunter...