rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein negativer Progressionsvorbehalt für Verluste aus einem österreichischen Hotelbetrieb
Leitsatz (redaktionell)
1. Der (negative) Progressionsvorbehalt für durch DBA freigestellte Einkünfte kann auch von Doppelansässigen in Anspruch genommen werden.
2. Aufgrund der Rückausnahme des § 32b Abs. 1 S. 2 Nr. 2 EStG kommt für Verluste aus einem Hotelbetrieb im EU-Ausland kein negativer Progressionsvorbehalt zur Anwendung.
3. Die gesetzliche Regelung verstößt nicht gegen Gemeinschaftsrecht.
Normenkette
EStG § 32b Abs. 1 S. 1 Nr. 3, S. 2 Nr. 2, § 2a Abs. 2 S. 1; DBA Österreich Art. 14 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, 3, Art. 7 Abs. 1, 7 S. 1, Art. 4 Abs. 2 Buchst. a; AEUV Art. 49
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die verheiratete Klägerin lebt zusammen mit ihrem Ehemann in X / Österreich. Dort befindet sich auch der Sitz der A-KG, die ein Hotel betreibt. Die Klägerin ist neben weiteren Familienangehörigen Gesellschafterin der A-KG (Geschäftsanteil: 33,33 %). Im Hotel arbeiten saisonal schwankend 6 bis 12 Mitarbeiter. Aufgrund hoher Investitionen wurden im Streitjahr und auch in den Jahren zuvor ausschließlich Verluste erzielt. Im Streitjahr 2009 beträgt der Verlustanteil der Klägerin nach ihrer Berechnung … EUR.
In Deutschland erzielt die Klägerin positive Einkünfte aus selbständiger Arbeit als … und Verluste aus Vermietung und Verpachtung. Sie hat in Y / Deutschland einen Zweitwohnsitz. Dort befindet sich auch ihre Praxis.
Die Klägerin beanspruchte in ihrer Einkommensteuererklärung die Berücksichtigung des KG-Verlustanteils im Wege des negativen Progressionsvorbehalts. Nachdem das beklagte Finanzamt dem zunächst – wie auch in den Vorjahren – entsprochen hatte (Einkommensteuerbescheid vom 14. September 2010, Höhe des Verlusts: …. EUR), gelangte es nach Durchführung einer Betriebsprüfung zu der Auffassung, die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung des negativen Progressionsvorbehalts lägen nicht mehr vor. Mit dem Hotelbetrieb werde ein sogenannter passiver Verlust im Sinne des § 2a Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) erzielt. Dieser sei gemäß § 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2009 (vom 19. Dezember 2008, BGBl. I 2008, 2794 – JStG 2009) vom Abzug ausgeschlossen. Das Finanzamt erließ den nach § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) geänderten Einkommensteuerbescheid vom 12. August 2013 und setzte die Einkommensteuer entsprechend herauf. Dagegen legte die Klägerin fristgemäß Einspruch ein und machte im Wesentlichen geltend, die Nichtberücksichtigung des KG-Verlusts für den negativen Progressionsvorbehalt entspreche zwar der Gesetzeslage, verstoße jedoch gegen Gemeinschaftsrecht.
Mit Einspruchsentscheidung vom 4. November 2014 wies das Finanzamt den Einspruch als unbegründet zurück. Die dagegen erhobene Klage begründet die Klägerin im Wesentlichen wie folgt:
Die Rückausnahme des § 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG i.d.F.d. JStG 2009 verstoße gegen das Gemeinschaftsrecht, da sie mit der Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) unvereinbar sei. Durch den Ausschluss des negativen Progressionsvorbehalts würden Inländer bei Investitionen in passive Betriebsstätten im EU-Ausland im Verlustfall schlechter gestellt als im Vergleich zu einem reinen Inlandsfall. Ein solcher Steuernachteil widerspreche nicht nur dem Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Er verletzte darüber hinaus auch das gemeinschaftsrechtliche Gebot, die Entscheidungsneutralität für wirtschaftliche Akteure im europäischen Binnenmarkt sicherzustellen. Danach seien die Mitgliedstaaten gehalten, grenzüberschreitende Vorgänge so zu behandeln wie reine Inlandsfälle. An der geforderten Rechtsneutralität fehle es jedoch, wenn der Progressionsvorbehalt für eine bestimmte Art gewerblicher Tätigkeiten im EU-Ausland ausgeschlossen sei. Der Ausschluss sei grundsätzlich dazu geeignet, einen Inländer davon abzuhalten, sich an einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen gewerblich tätigen Personengesellschaft zu beteiligen. Eine ausnahmsweise Rechtfertigung der Beschränkung komme nicht in Betracht. Eine Europarechtskonformität ergebe sich nicht daraus, dass nach dem JStG 2009 bei passiven EU-Betriebsstätten nicht nur die Anwendung des negativen, sondern auch des positiven Progressionsvorbehalts ausgeschlossen sei. Auf diesen Kohärenzgedanken stelle zwar der Gesetzgeber ab. Das sei jedoch eine rein formale Betrachtung. Der Gesetzgeber stufe die passiven Einkunftsquellen, die über den Aktivitätsvorbehalt ausgenommen seien, als verlustgeneigte Tätigkeiten ein. Daraus folge, dass der Nachteil der Betroffenen aus der Nichtanwendung des negativen den steuerlichen Vorteil aus der Nichtanwendung des positiven Progressionsvorbehalts deutlich überwiegen dürfte. Somit stünde nicht die Kohärenz im Vordergrund, sondern der Fiskalzweck, steuerliche Effekte aus der s...