rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kraftfahrzeugkosten eines Schwerbehinderten. Einkommensteuer 1994
Tenor
1. In Abänderung des Einkommensteuerbescheids 1994 vom 15.4.1996 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.9.1996 wird die Einkommensteuer auf 8.347 DM herabgesetzt.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Klägerin (Klin) erzielt als Journalistin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Aufgrund einer Kinderlähmung ist sie hilflos im Sinne von § 33 b Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Sie ist Inhaberin eines Behindertenausweises mit dem Merkmal H. Sie kann weder gehen noch stehen und ist an den Rollstuhl gebunden. Sie bedarf ständiger Hilfe rund um die Uhr.
Für ihre privaten und beruflichen Fahrten benutzt sie einen behindertengerecht ausgebauten Mercedes-Transporter, dessen Anschaffungskosten sich im Jahre 1989 auf … DM beliefen. Es handelt sich um ein Spezialfahrzeug, in das die Klin mit ihrem Rollstuhl mit Hilfe einer Hebebühne gelangen kann.
In ihrer Einkommensteuererklärung machte die Klin – ebenso wie in den Vorjahren – die Aufwendungen für das Fahrzeug steuerlich geltend, und zwar zum Teil als Werbungskosten (Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, 5.040 km), zum Teil als außergewöhnliche Belastung (übrige Fahrten, 7.960 km). Die tatsächlichen Aufwendungen für das Fahrzeug beliefen sich auf knapp 1,60 DM je Kilometer (Gesamtfahrtleistung im Streitjahr 13.000 km, Gesamtaufwand 20.747 DM). Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
Der Beklagte (das Finanzamt –FA–) berücksichtigte die Werbungskosten erklärungsgemäß, kürzte jedoch die als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigenden Fahrtkosten von 12.683 DM auf 4.140 DM (= 7.960 km × 0,52 DM). In den Vorjahren hatte das FA die tatsächlichen Aufwendungen zugrunde gelegt.
Mit Bescheid vom 15.4.1996 setzte das FA die Einkommensteuer auf 10.930 DM fest. Der Einspruch der Klin hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 12.9.1996).
Zur Begründung der hiergegen gerichteten Klage trägt die Klin vor, das FA habe die umstrittenen Aufwendungen bisher zutreffend voll zum Abzug zugelassen und könne sich jetzt nicht auf das BMF-Schreiben vom 11.4.1994 berufen (BStBl I 1994, 256). Dieser Verwaltungserlaß berücksichtige nur die Normalfälle (Behinderte mit dem Merkmal aG), nicht aber Behinderte mit dem Merkmal H. Das BMF-Schreiben stehe in Widerspruch zu § 9 Abs. 2 Nr. 2 EStG. Diese Regelung zu den Werbungskosten müsse auf die außergewöhnlichen Belastungen übertragen werden, zumal bei Schwerstbehinderten und Hilflosen. Das FA könne auch nicht nachträglich darauf verweisen, daß zusätzliche Umbaukosten des Kfz im Jahr der Anschaffung und des Einbaus als außergewöhnliche Belastung hätten geltend gemacht werden können, nachdem es bis 1993 die tatsächlichen Kosten anerkannt habe.
Die Klin beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 1994 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.9.1996 dahingehend zu ändern, daß die Kfz-Kosten in voller Höhe als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage ist begründet. Die von der Klin als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Kfz-Kosten sind in tatsächlicher Höhe und nicht mit einer Pauschale von 0,52 DM je km steuerlich zu berücksichtigen.
1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl von Steuerpflichten, so wird die Einkommensteuer unter den in § 33 Abs. 1 und Abs. 2 EStG näher bestimmten Voraussetzungen und in den dort bestimmten Weise ermäßigt.
a) Bei Steuerpflichtigen, die so gehbehindert sind, daß sie sich außerhalb des Hauses nur mit Hilfe eines Kfz fortbewegen können, sind nach ständiger Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, grundsätzlich alle Kfz-Kosten, soweit sie nicht Werbungskosten oder Betriebsausgaben sind, als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen, also nicht nur die unvermeidbaren Kosten zur Erledigung privater Angelegenheiten, sondern in angemessenem Rahmen auch die Kosten für Erholungs-, Freizeit- und Besuchsfahrten (so zuletzt Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 22.10.1996 III R 203/94, BStBl II 1997, 384 m.w.N.).
b) Nach § 33 Abs. 2 Satz 1 letzter Halbsatz EStG sind Kfz-Kosten in derartigen Fällen jedoch nur dann und insoweit als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, als sie einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Die Angemessenheitsprüfung erstreckt sich nach BFH-Rechtsprechung auf die – im Streitfall nicht problematische – Anzahl der Fahrtkilometer sowie die vom Steuerpflichtigen benutzte Wagenklasse (BFH-Urteil in BStBl II 1997, 384). Nach dem zitierten Urteil stellt der ...