Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewährung von Kindergeld bei eigenen Einkünften und Bezügen bzw. verwertbares Vermögen des Kindes
Leitsatz (redaktionell)
1) Ein behindertes Kind ist erst dann imstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es über eine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit verfügt, die zur Bestreitung sowohl seines - am Existenzminimum eines Alleinstehenden orientierten - Grundbedarfs als auch des - mit dem Pauschbetrag nach § 33 b Abs. 3 S. 3 EStG anzusetzenden - behinderungsbedingten Mehrbedarfs ausreicht.
2) Für die Frage, ob sich ein behindertes Kind selbständig unterhalten kann, ist ausschließlich auf dessen eigene Einkünfte und Bezüge abzustellen; ob das Kind über eigenes zumutbar verwertbares Vermögen verfügt, ist unbeachtlich (a.A. R 180 d Abs. 3 S. 5 ESt-Handbuch 1999).
Normenkette
EStG § 31 Sätze 3-5, § 32 Abs. 4, 4 Sätze 1, 1 Nrn. 1, 2a, 3, Sätze 2, 6, § 33 b Abs. 3, 3 S. 3, § 63 Abs. 1, 1 S. 2; ESt-Handbuch 1999 R 180 d Abs. 3, 3 S. 5; BGB § 1602
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob die Höhe der eigenen Einkünfte und Bezüge bzw. verwertbares Vermögen eines Kindes der Gewährung von Kindergeld entgegenstehen.
Der am 29.07.1976 geborene Sohn A der Klägerin ist ausweislich des vorliegenden Schwerbehindertenausweises zu 100 v. H. erwerbsgemindert. Es sind die Merkmale „G” und „H” festgestellt.
Nachdem A in der Zeit vom 07.08.1996 bis Ende Februar 1997 nichtselbständig bei einer Firma B in … beschäftigt war, war er ab dem 01.03.1997 arbeitslos gemeldet. In der Zeit vom 28.04.1997 bis zum 28.04.1998 nahm er an einem Förderungslehrgang der Arbeitsverwaltung teil. Für die Zeit vom 28.04.1997 bis 28.07.1997 erhielt er eine Ausbildungsbeihilfe in Höhe von 257 DM monatlich, für die Zeit vom 29.07. bis 31.07.1997 eine Zahlung von 597 DM und für die Zeit ab 01.08.1997 bis 27.04.1998 monatlich 439 DM ausgezahlt. Ab August 1998 befand sich A bei der Firma C in … in der Ausbildung zum Fachwerker im Gartenbau. Für diese Tätigkeit erhielt er in 1998 monatlich 660 DM Ausbildungsvergütung und ein Weihnachtsgeld von 280,80 DM.
Im Rahmen einer Überprüfung der Kindergeldberechtigung für A ermittelte der Beklagte Kapitaleinkünfte, die auf Investmentfonds, festverzinslichen Wertpapieren und Aktien beruhten. Nach einer Bescheinigung der … Bank vom 30.12.1998 betrug der Wert der für A angelegten Investmentfonds zum 31.12.1998 50.969,39 DM, der Wert des Wertpapierdepots zum 31.12.1997 belief sich auf 153.309,80 DM. Wegen der Einzelheiten wird auf die Depotbescheinigungen und die Erträgnisaufstellung der … Bank (Arbeitsamtsakten, Hefter Einspruch, Bl. 25 – 29 und Bl. 27 f. der Gerichtsakte) Bezug genommen.
Der Beklagte kam zu dem Ergebnis, daß die eigenen Einkünfte und Bezüge von A für die Monate März bis Dezember 1997 die anteilige Grenze von 10.000 DM überschritten und auch die Einkünfte und Bezüge in 1998 die maßgebliche Grenze von 12.360 DM überschreiten würden.
Mit Bescheid vom 18.12.1998 hob der Beklagte die Kindergeldgewährung für A für die Zeit von März 1997 bis April 1998 auf, forderte die gezahlten Beträge in Höhe von 3.080 DM zurück und lehnte eine Zahlung von Kindergeld für A für die Zeit ab Mai 1998 ab.
Das Einspruchsverfahren blieb ohne Erfolg. Mit der Einspruchsentscheidung vom 07.07.1999 vertrat der Beklagte die Ansicht, daß auch die Einnahmen aus dem Zufluß eines abgezinsten Sparkassenbriefes im Juli 1998 in voller Höhe mit 15.646 DM als Kapitaleinnahmen zu berücksichtigen seien. Eine Anwendung der Vorschrift des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 Einkommensteuergesetz lehnte der Beklagte ab, da sich A in der Ausbildung befunden habe mit dem Ziel, später seinen Unterhalt selbst sichern zu können.
Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage, mit der die Klägerin weiterhin die Gewährung von Kindergeld für A für die Zeit ab März 1997 begehrt. Unter Vorlage des Gutachtens des Prof. Dr. med. D vom 14.08.1990 macht die Klägerin geltend, daß trotz der in den Streitjahren erfolgten beruflichen Ausbildung von A auf Dauer nicht mit einer Erwerbstätigkeit zu rechnen sei. Aus diesem Grunde sei für A Kindergeld nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 Einkommensteuergesetz zu gewähren. Bei der Berücksichtigung der eigenen Einkünfte und Bezüge sei die Grenze um den Behindertenpauschbetrag von 7.200 DM zu erhöhen. Beim Ansatz der Kapitaleinkünfte dürften die Erträge aus dem abgezinsten Sparkassenbrief im Juli 1998 nicht in voller Höhe mit 15.646 DM, sondern nur anteilig verteilt auf die Dauer der Laufzeit angesetzt werden. Bei der entsprechenden Berechnung blieben die Einkünfte und Bezüge von A jeweils unter der um den Behindertenpauschbetrag zu erhöhenden Bemessungsgrenze.
Die Klägerin ist weiterhin der Auffassung, daß das für A angelegte Vermögen bei der Gewährung des Kindergeldes nicht berücksichtigt werden dürfe. Die Anlagen hätten den Sinn, für A die Grundlage zu schaffen, die später seine Existenz sichern solle. Eine vorzeitige Verwertung würde diesen Zweck vereiteln.
Die Klägerin be...