Entscheidungsstichwort (Thema)
"Übernommene" offenbare Unrichtigkeit
Leitsatz (redaktionell)
Zur Frage, ob im Streitfall eine durch das FA "übernommene" offenbare Unrichtigkeit (§ 129 AO) vorliegt.
Normenkette
AO § 129
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gemäß §§ 27 Abs. 2, 28 Abs. 1 und 38 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1999 wegen einer offenbaren Unrichtigkeit gemäß § 129 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) geändert werden kann.
Die Klägerin unterhält einen Betrieb mit Gewinn- und Unterhaltungsspielgeräten.
Die Gesellschafter der Klägerin, RG (RH) und NH (NH), fassten am 20. Dezember 2001 den Beschluss, das gesamte verwendbare Eigenkapital (EK) 45 in Höhe von 1.159.185 DM auszuschütten; die Ausschüttung sollte mit der Beschlussfassung als bewirkt gelten. Anschließend sollten die ausgeschütteten Beträge in die Kapitalrücklage eingestellt werden. Zusätzlich verpflichtete sich RH, der Klägerin einen Betrag in Höhe von 500.000 DM zuzuführen, der ebenfalls in die Kapitalrücklage eingestellt werden sollte. NH sollte an der Rücklagenbildung nicht teilnehmen, erhielt jedoch die Gelegenheit, der Gesellschaft den gleichen Betrag innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren zuzuführen. Sollte es ihm nicht möglich sein, den vorgenannten Betrag zuzuführen, war RH berechtigt, die Rücklage aufzukündigen und den zugeführten Betrag in Höhe von 500.000 DM zur Rückzahlung anzufordern. Auf das in der Kapitalertragsteuerakte enthaltene Protokoll über die Gesellschafterversammlung der Klägerin vom 20. Dezember 2001 wird im Übrigen Bezug genommen.
Das Protokoll über die Gesellschafterversammlung legte die Klägerin zusammen mit der Kapitalertragsteueranmeldung 2001 dem Beklagten am 10. Januar 2002 vor.
Am 19. Juni 2002 ging bei dem Beklagten eine Körperschaftsteuererklärung der Klägerin für das Jahr 2001 ein. Unter Zeile 33 des Mantelbogens („Nicht der Körperschaftsteuer unterliegende inländische Vermögensmehrungen und -minderungen”, „Einlagen der Gesellschafter, die nicht das Nennkapital erhöht haben: davon sind bis zum Ende des Wirtschaftsjahres geleistet”) hatte die Klägerin keine Eintragung vorgenommen. In der Erklärung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß §§ 27 Abs. 2, 28 Abs. 1 und 38 Abs. 1 KStG 1999 machte die Klägerin zum steuerlichen Einlagekonto ebenfalls keine Angabe, sondern ließ das Feld leer.
Der Sachbearbeiter des Beklagten nahm auf dem Mantelbogen der Steuererklärung handschriftlich (hier abgedruckt in kursiv) folgende Eintragungen vor:
99 |
|
|
Sb |
Kz |
Wert |
45 |
82 |
1.159.185 |
Anhand des am 20. April 2004 abgezeichneten Eingabewertbogens ist ersichtlich, dass sich diese handschriftliche Eintragung auf die Verringerung beim EK 45 aufgrund offener Gewinnausschüttungen bezieht.
Aus der Bilanz zum 31. Dezember 2001 ist ferner ersichtlich, dass die Klägerin im Jahre 2001 eine Kapitalrücklage in Höhe von 1.586.212 DM gebildet hatte. Wie sich die Kapitalrücklage zusammensetzt, wird in der Bilanz nicht näher erläutert.
Der Sachbearbeiter des Beklagten gab bei der Bearbeitung der Feststellungserklärung zur Höhe des steuerlichen Einlagekontos „0” ein. Entsprechend erließ der Beklagte am 8. August 2002 einen Bescheid über die gesonderte Feststellung der Endbestände gemäß § 36 Abs. 7 KStG 1999 und zum 31. Dezember 2001 über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gemäß §§ 27 Abs. 2, 28 Abs. 1 und 38 Abs. 1 KStG 1999, in dem das steuerliche Einlagekonto mit 0 DM festgestellt wurde.
Diese Feststellung korrigierte der Beklagte durch den Änderungsbescheid vom 29. April 2004 nicht.
In Folge einer Betriebsprüfung, welche Jahre vor dem Streitjahr betraf, gab die Klägerin im Mai 2004 eine berichtigte Körperschaftsteuererklärung für das Streitjahr 2001 ab, in der die sich aus der Prüfung ergebenden Folgeänderungen berücksichtigt wurden. In Zeile 33 des Mantelbogens hatte die Klägerin auch diesmal keinen Wert eingetragen. In der anscheinend zeitgleich abgegebenen geänderten Erklärung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß §§ 27 Abs. 2, 28 Abs. 1 und 38 Abs. 1 KStG trug sie lediglich in der Zeile 8 zum Endbetrag i.S. des § 36 Abs. 7 KStG 1999 5.214 DM ein; zur Höhe des steuerlichen Einlagekontos enthielt diese Erklärung keine Angaben. Darüber hinaus erläuterte sie in der erstmals eingereichten Anlage zur Körperschaftsteuererklärung KSt 1 A, dass sich das EK 45 aufgrund Ausschüttung in Höhe von 1.159.185 DM auf 0 DM verringert habe und die gesondert festzustellenden Endbestände gemäß § 36 Abs. 7 KStG 1999 335.139 DM (EK 40), 5.214 EUR (EK 02) und jeweils 0 EUR (EK 30, EK 01/03, EK 04) betrügen. Die Bildung der Kapitalrücklage erläuterte sie auch in der berichtigten Bilanz auf den 31. Dezember 2001 nicht. Auf der Grundlage dieser Informationen änderte der Beklagte die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos auch in dem Änderungsbescheid vom 11. Juni 2004 nicht.
Eine nachfolgende Betriebsprüfung durch das Finanz...