Entscheidungsstichwort (Thema)
§ 8 Nr. 1 GewStG bei ABS-Gestaltungen
Leitsatz (redaktionell)
Auch bei sog. "ABS (Asset-Back-Security)-Gestaltungen" setzt der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums voraus, dass der Veräußerer keine - jedenfalls wesentlichen - Bonitätsrisiken mehr trägt. Ist dieses nicht der Fall, kommt einer Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG in Betracht.
Normenkette
AO § 39 Abs. 2 Nr. 1; GewStG § 8 Nr. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob Kaufpreisabschläge, die bei Forderungsverkäufen in einem Asset-Backed-Security-(ABS-)Modell angefallen sind, als Entgelte für Dauerschulden (§ 8 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes in der bis 2007 geltenden Fassung – GewStG a.F. –) anzusehen sind.
Die Klägerin ist eine AG, auf die mit notariell beurkundetem Vertrag vom 15. Juli 2004 mit Rückwirkung zum 1. Januar 2004 die X. eG (G) verschmolzen worden ist.
Die G betätigte sich als genossenschaftliche Warenzentrale mit Produkten für Landwirtschaft, Haus und Garten. Am 18. Dezember 2001 (mit Änderungen vom 17. Januar 2002) schloss sie mit der Y. Finance Inc. – einem „Special Purpose Vehicle” (Zweckgesellschaft, im Folgenden: Z) mit Sitz auf den Cayman Islands (British West Indies) – ein „Master agreement for the purchase of receivables” (Rahmenvertrag über den Ankauf von Forderungen; im Folgenden kurz als „RV” bezeichnet). Einziger Geschäftszweck der Z ist der Ankauf der Forderungen der G. Sie refinanziert sich durch Ausgabe von Wertpapieren mit einer Laufzeit zwischen einem Tag und drei Monaten (Commercial Papers), als deren Sicherheit die abgetretenen Forderungen dienen („Verbriefung”). Alleingesellschafterin der Z ist die Q… Ltd. mit Sitz auf Guernsey (British Channel Islands), Alleingesellschafterin dieser Ltd. ist der Q. Trust, eine Stiftung nach dem Recht von Guernsey.
Nach dem Inhalt des RV verkaufte die G ihre gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen aus dem laufenden Geschäftsverkehr bis zu einem Maximalbetrag von 40 Mio. EUR revolvierend an die Z und trat die Forderungen zugleich aufschiebend bedingt ab (Nr. 1.1, 3.1, 4.1 RV). Die durchschnittliche Zahlungsfrist der Forderungen betrug 32 Tage, die maximale Laufzeit der Einzelforderungen höchstens 90 Tage (Nr. 7.1.14 RV). Überwiegend handelte es sich um Forderungen aus Warenlieferungen an andere Warengenossenschaften; daneben bestanden auch Forderungen gegen externe Kunden, bei denen es sich jeweils um juristische Personen oder Kaufleute (im Folgenden: Nicht-Primärgenossenschaften) handelte. Forderungen gegen Großschuldner wurden nur bis zu einem Betrag von 1,4 Mio. EUR für die ersten drei Schuldner bzw. 1 Mio. EUR für die folgenden 20 Schuldner von dem Verkauf an Z erfasst (Anlage A.3 RV; vgl. auch die Abrechnung vom 17. November 2003, Bl. 45 FG-Akte); die übersteigenden Teile der Forderungen verblieben bei G. Der Vertrag hatte zunächst eine Laufzeit von fünf Jahren und sollte sich danach um jeweils ein Jahr verlängern, sofern keine Vertragspartei kündigte (Nr. 1.4 RV).
Als Kaufpreis wurde der Nennwert abzüglich eines Risikoabschlags für Forderungsausfälle (Risk Discount for Bad Debt Risk; Nr. 2.1.1 (a) RV) von 4% und eines Veritätsabschlags für Gewährleistungsrisiken (Dilution Discount for Warranty Risks; Nr. 2.1.1 (b) RV) von 3,5% vereinbart. Der Kaufpreis war drei Bankgeschäftstage nach dem – monatlich erfolgenden – Transfer der jeweiligen Forderungsdaten fällig (Nr. 2.1 RV). Die Forderungsabtretungen sollten den Schuldnern nicht angezeigt werden (Nr. 6 Vorbemerkung RV). G konnte die Forderungen im Außenverhältnis grundsätzlich weiterhin im eigenen Namen einziehen; im Innenverhältnis übernahm G die Verwaltung und den Einzug der Forderungen für Z (Nr. 6.1 RV). Die anfallenden Kosten für die weitere Verwaltung und den Einzug der abgetretenen Forderungen hatte G zu tragen (Nr. 6.6 RV). Die eingezogenen Beträge waren von G an Z zu überweisen bzw. konnten mit dem Kaufpreis für weitere verkaufte Forderungen aufgerechnet werden (Nr. 3.3 RV). Die Abwicklung der Forderungsverkäufe erfolgte über die Zweigniederlassung der B. Bank Lateinamerika AG auf den Cayman Islands als „Monitor” und die Filiale A-Stadt der B. Bank AG als „Datentreuhänderin” (Nr. 4.6.1, 4.6.2 RV).
Der Risikoabschlag sollte Forderungsausfälle abdecken. Er war allerdings nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen von Z an G zurückzuzahlen (Nr. 8.1 RV): Soweit der später tatsächlich eingezogene Forderungsbetrag den Kaufpreis überstieg, gewährte Z der G eine Gutschrift auf einem internen Forderungsausfallkonto. Z konnte die gesamten tatsächlichen Forderungsausfälle mit dem Guthaben der G auf diesem Forderungsausfallkonto aufrechnen. Ein verbleibendes Guthaben der G, das das Mindestguthaben von 1,6 Mio. EUR überstieg, war monatlich als „Bonifikation 1” auszuzahlen (Nr. 8.2, 8.3 RV). Nach vollständiger Abwicklung des Rahmenvertrags hatte Z das gesamte Guthaben auf dem Forderungsausfallkonto an G auszukehren (Nr. 8.4 RV). G übernahm keine Gewährleis...