Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Splittingtarif für eine verschiedengeschlechtliche nichteheliche Lebensgemeinschaft
Leitsatz (redaktionell)
1) Partner einer verschiedengeschlechtlichen nichtehelichen Lebensgemeinschaft haben keinen Anspruch darauf, unter Anwendung des Splittingtarifs zusammen zur ESt veranlagt zu werden.
2) § 2 Abs. 8 EStG ist auf Partner einer nichtehelichen oder nichteingetragenen Lebensgemeinschaft nicht anwendbar.
Normenkette
EStG § 26 Abs. 1, §§ 26b, 32a Abs. 5, § 52 Abs. 2a, § 2 Abs. 8
Nachgehend
Tatbestand
Zu entscheiden ist, ob Partner einer nichtehelichen verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaft nach §§ 2 Abs. 8, 52 Abs. 2a in Verbindung mit §§ 26 Abs. 1 26b, 32a Abs. 5 des Einkommensteuersteuergesetzes in der Fassung vom 15.07.2013 (EStG) auf Antrag – unter Anwendung des Splittingtarifs – zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden können.
Die Kläger leben in einer nichtehelichen verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaft, führen einen gemeinsamen Haushalt und stehen sozial und wirtschaftlich füreinander ein. Sie haben drei gemeinsame Kinder, die ebenfalls in ihrem Haushalt leben. Darüber hinaus ist ein weiteres Kind der Klägerin in den Haushalt der Kläger aufgenommen.
Der Kläger ist als Geschäftsführer nichtselbständig tätig. Im Veranlagungszeitraum 2012 erzielte er aus dieser Beschäftigung Einkünfte in Höhe von 110.867 EUR. Daneben hatte der Kläger geringe Vermietungseinkünfte in Höhe von 784 EUR. Die Klägerin betreibt ein …unternehmen. Die hieraus bezogenen Einkünfte betrugen im Streitjahr 2.319 EUR. Weitere Einkünfte erzielte die Klägerin im Kalenderjahr 2012 nicht.
Die Kläger reichten Ende 2013 getrennt ihre Einkommensteuererklärungen 2012 beim Beklagten ein, ohne hierin die Zusammenveranlagung zu beantragen. Die Klägerin und der Kläger haben jeweils nur ihre persönliche Einkommensteuererklärung unterschrieben. Der Beklagte veranlagte die Kläger daraufhin mit Bescheiden vom 02.12.2013 (für die Klägerin) und vom 04.12.2013 (für den Kläger) erklärungsgemäß einzeln zur Einkommensteuer 2012 und setzte die Einkommensteuer 2012 für die Klägerin auf 0 EUR und für den Kläger auf 35.204 EUR fest. Gegen die Einkommensteuerfestsetzungen 2012 legten die Kläger am 30.12.2013 jeweils gesondert Einspruch ein. Ihre Einsprüche begründeten sie zunächst nicht.
Nachdem der Beklagte die Auffassung vertreten hatte, der Einspruch der Klägerin sei mangels Beschwer unzulässig, machte die Klägerin mit Schreiben vom 17.04.2014 geltend, ihr Einspruch sei trotz der Einkommensteuerfestsetzung auf 0 EUR zulässig, da sie die Zusammenveranlagung mit dem Kläger begehre.
Am 03.06.2014 begründeten beide Kläger ihre Einsprüche und beantragten mit Verweis auf § 2 Abs. 8 EStG unter Aufhebung der vorgenannten Einkommensteuerbescheide 2012 und unter Anwendung des Splittingtarifs zusammen zur Einkommensteuer 2012 veranlagt zu werden.
Mit Schreiben vom 25.06.2014 führte der Beklagte unter Bezugnahme auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 07.05.2013 (Az. 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07, BVerfGE 133, 377) sowie auf § 2 Abs. 8 EStG aus, eine Lebenspartnerschaft im gesetzlichen Sinne liege im Streitfall nicht vor, da es an der Gleichgeschlechtlichkeit der Partner mangele. Zugleich bat er die Kläger um Überprüfung ihrer Rechtsauffassung und Rücknahme der Einsprüche.
Die Kläger hielten mit ihren Schriftsätzen vom 16.07.2014, die am Folgetag beim Beklagten eingingen, an ihrer Rechtsansicht fest, so dass der Beklagte am 29.07.2014 Einspruchsentscheidungen erließ, mit denen er die Einsprüche als unbegründet zurückwies.
Hiergegen erhoben beide Kläger Klage. Das Gericht hat die unter dem Aktenzeichen 8 K 2791/14 geführte Klage der Klägerin mit dem Verfahren des Klägers zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Beide Verfahren werden nunmehr unter dem Aktenzeichen 10 K 2790/14 geführt.
Mit ihrer Klage machen die Kläger geltend, auf sie sei § 2 Abs. 8 EStG anzuwenden, so dass für sie die Möglichkeit der Zusammenveranlagung (§§ 26 Abs. 1, 26b EStG) sowie der Anwendung des Splittingtarifs (§ 32a Abs. 5 EStG) bestehe.
Mit Einführung des § 2 Abs. 8 EStG durch das Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 07.05.2013 (EStGBVerfG2013-05-07ÄndG) habe der Gesetzgeber die Ungleichbehandlung von Lebenspartnern und Ehegatten beseitigt. Der Gesetzgeber habe in § 2 Abs. 8 EStG die Begriffe „Lebenspartner” und „Lebenspartnerschaft” verwandt, ohne diese jedoch im Einkommensteuergesetz oder der Abgabenordnung zu definieren. Daher sei auf allgemeingültige Definitionen zurückzugreifen. § 1 Abs. 1 des Lebenspartnerschaftsgesetzes (LPartG) definiere das Tatbestandsmerkmal „Lebenspartnerschaft”.
Für das Tatbestandsmerkmal „Lebenspartner” existiere keine Legaldefinition. Insoweit könne auf das Sozialrecht zurückgegriffen werden, wonach Lebenspartner zwei oder mehrere Personen seien, die ei...