Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein deutsches Kindergeld für in Polen ansässige Kinder von einem in Deutschland arbeitenden selbständig Gewerbetreibenden und einer nichtselbständig tätigen Ehefrau
Leitsatz (redaktionell)
1) Steht fest, dass für minderjährige oder in der Ausbildung befindliche polnische Kinder dort polnische Familienleistungen gewährt worden sind, so ist ein gleichzeitiger deutscher Kindergeldanspruch eines nicht in einer Altersversicherung beitragspflichtigen Selbständigen nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ausgeschlossen. Sehr viel geringere polnische Familienleistungen sind mit dem deutschen Kindergeld vergleichbar.
2) Die VO 1408/71 findet nur auf Selbständige Anwendung, die in einer alle Erwerbstätigen umfassenden Altersversicherung versicherungs- oder beitragspflichtig sind. Das ergibt sich aus Anhang I, Buchst. D Unterabs. b) der VO.
Normenkette
VO 1408/71 Art. 13; VO 1408/71 Anhang I, Buchst. D Unterabs b); EStG § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger für seine in Polen lebenden Kinder B, X, Q und K Anspruch auf Kindergeld in voller Höhe unter Anrechnung der in Polen gezahlten Familienleistungen hat.
Der Kläger und seine Ehefrau sind polnische Staatsangehörige. Die Ehefrau des Klägers lebt mit den gemeinsamen Kindern B (geboren am 00.10.1996), X (geboren am 00.06.1999), Q (geboren am 00.01.2002) und K (geboren am 00.11.2006) in Polen. Im streitigen Zeitraum von August 2006 bis Oktober 2007 war der Kläger in Deutschland als selbständiger … gewerblich tätig, wobei er diese Tätigkeit zunächst als Gesellschafter der C & Partner GbR und ab August 2007 als Einzelunternehmer ausübte. Die Ehefrau des Klägers war vom 15.07.2004 bis zum 31.03.2007 in Polen nichtselbständig erwerbstätig.
Am 19.11.2007 stellte der Kläger einen Antrag auf Kindergeld, in dem er angab, dass er wegen seiner selbständigen Erwerbstätigkeit als … in Deutschland nicht sozialversichert sei. Des Weiteren gab er an, dass seine Ehefrau für die vier gemeinsamen Kinder bis zum 01.11.2007 polnisches Kindergeld bezogen habe. Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers auf Zahlung von Kindergeld mit Bescheid vom 21.01.2008 ab. Zur Begründung führte sie aus, es fehlten noch Unterlagen sowie Angaben zum Vorbezug von Kindergeld und zum Zeitpunkt der Einreise in Deutschland.
Der Kläger legte daraufhin am 19.02.2008 Einspruch gegen den Ablehnungsbescheid der Beklagten ein und erklärte, er sei im August 2006 nach Deutschland eingereist. Bis zu diesem Zeitpunkt habe er kein deutsches Kindergeld erhalten. Dem Einspruchsschreiben waren folgende Unterlagen beigefügt:
- Ein vom Finanzamt P am xx.xx.xxxx ausgestellter Nachweis der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht ab dem xx.xx.xxxx,
- eine Ummeldebestätigung der Stadt H vom xx.xx.xxxx, wonach der Kläger am xx.xx.xxxx innerhalb der Gemeinde die Wohnung gewechselt hat,
- zwei Gewerbeanmeldungen vom xx.xx.xxxx (C & Partner GbR) und vom xx.xx.xxxx (Einzelunternehmen), eine Gewerbeummeldung vom xx.xx.xxxx (Umzug innerhalb H ) sowie eine Gewerbeabmeldung vom xx.xx.xxxx (C & Partner GbR).
Die Beklagte erließ daraufhin am 23.06.2008 einen geänderten Bescheid, in dem sie ab August 2006 Kindergeld in Höhe von jeweils 77,00 EUR für die Kinder B., X. und Q. sowie ab November 2006 Kindergeld in Höhe von 89,50 EUR für das Kind K festsetzte.
Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass sich aus Art.12 Abs. 2 der EG-Verordnung Nr. 1408/71 (VO 1408/71) in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 der Durchführungsverordnung Nr. 574/72 (DVO 574/72) ein Anspruch des Klägers auf hälftiges Kindergeld ergebe.
Der Kläger legte gegen diesen Bescheid am 30.6.2008 Einspruch ein. Er sei der Auffassung, dass er für seine vier Kinder Anspruch auf Kindergeld in voller Höhe unter Anrechnung der in Polen bestehenden Kindergeldansprüche von umgerechnet 12 EUR im Monat habe.
Die Beklagte wies den Einspruch des Klägers mit Einspruchsentscheidung vom 01.07.2008 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus: Der Anspruch des Klägers auf deutsches Kindergeld werde aufgrund des in Polen bestehenden Kindergeldanspruchs nach innerstaatlichem Recht durch § 65 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ausgeschlossen. Eine vorrangige Leistungspflicht Deutschlands lasse sich im Streitfall auch nicht aus der VO 1408/71 in Verbindung mit der speziellen Konkurrenzregelung in Art. 10 DVO 574/72 herleiten, da der Kläger in Deutschland weder in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert noch in einer Versicherung der selbständigen Erwerbstätigen für den Fall des Alters versicherungs- und beitragspflichtig sei. Da ein vollständiger Ausschluss des deutschen Kindergeldanspruches jedoch mit dem Sinn und Zweck der gemeinschaftsrechtlichen Konkurrenzvorschriften nicht vereinbar sei, habe der Ausschluss des deutschen Kindergeldanspruches hier zur Folge, dass in Deutschland – wie in dem angefochtenen Bescheid festgesetzt – hälftiges Kindergeld zu zahlen sei.
Am 30.07.2008 hat der Kläger daraufhin die vorliegende Klage erhoben. D...