Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitliche Gewinnerfassung bei Restschuldbefreiung
Leitsatz (redaktionell)
Eine durch die Restschuldbefreiung entstehende Gewinnerhöhung ist nicht im Jahr der Restschuldbefreiung zu erfassen, sondern wirkt auf das Jahr der Betriebsaufgabe zurück.
Normenkette
EStG § 16 Abs. 1
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die steuerlichen Folgen einer Restschuldbefreiung im Streitjahr 2011 zu ziehen sind und ob bejahendenfalls der Einkommensteuerbescheid 2011 und der Verlustfeststellungsbescheid auf den 31.12.2011 gemäß § 129 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) entsprechend geändert werden durfte.
Die Kläger sind im Streitjahr 2011 zusammenveranlagte Eheleute.
Aus dem Betrieb eines … in Form eines Einzelunternehmens erwirtschaftete der Kläger erhebliche Verluste. Diese resultierten vorwiegend aus dem bei Kauf der Immobilie unterschätzten Sanierungsbedarf der Immobilie.
Auf den 31.12.2004 stellte der Beklagte (das Finanzamt –FA–) einen verbleibenden Verlustvortrag zur Einkommensteuer von 1.463.000 € fest.
Nachdem der Kläger noch das Geschäft zum Jahreswechsel 2004/05 mitgenommen hatte, stellte er den Betrieb des … im Januar 2005 ein.
Über das Vermögen des Klägers eröffnete das Amtsgericht A am …3.2005 das Insolvenzverfahren. Während des Insolvenzverfahrens ging der Kläger einer nichtselbständigen Arbeit nach. Abgesehen von Einkünften aus Gewerbebetrieb, die aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens resultierten, erzielte der Kläger Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (2005 und 2006) sowie aus Kapitalvermögen (2005 bis 2009). Ab 2008 wurde der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau, der Klägerin, zur Einkommensteuer veranlagt; diese erzielte Einkünfte aus Gewerbebetrieb und Vermietung und Verpachtung. Der jeweilige positive Gesamtbetrag der Einkünfte wurde mit dem Verlustvortrag verrechnet, so dass alle Steuerfestsetzungen der Jahre 2005 bis 2010 auf 0 € lauten.
Nach Ablauf der Wohlverhaltensperiode erteilte das Amtsgericht A dem Kläger zum ….3.2011 die Restschuldbefreiung. Gemäß dem Schlussverzeichnis gemäß § 188 der Insolvenzordnung (InsO) betrug die Summe der anerkannten Verbindlichkeiten zu diesem Zeitpunkt noch 5.527.254,87 €. Gläubiger war u.a. auch das FA. Dieses wurde vom Insolvenzgericht über die Restschuldbefreiung informiert.
Die Einkommensteuererklärung 2011 reichten die Kläger elektronisch ein. Die Klägerin deklarierte gewerbliche Einkünfte aus dem Betrieb eines Hotels/Restaurants sowie aus Vermietung und Verpachtung; der Kläger erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und aus einer Beteiligung an der B. Einkünfte aus Gewerbebetrieb aufgrund der Restschuldbefreiung erklärte der Kläger nicht.
Der Erklärung fügten die Kläger nicht die ausdrückliche Erläuterung bei, dass es sich auch um eine Erklärung zur gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags handeln solle. In dem Übersendungsschreiben zu den Belegen zur Einkommensteuererklärung vom 29.1.2013 erläuterten die Kläger jedoch, der festgestellte Verlustvortrag zur Einkommensteuer werde aufgrund der Restschuldbefreiung nicht weiter vorgetragen.
In dem Einkommensteuerbescheid 2011 vom 3.4.2013 ging das FA von einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 66.737 € aus; dieser wurde mit einem Verlustvortrag in Höhe von 66.737 € verrechnet, so dass das FA wiederum eine Einkommensteuerschuld von 0 € festsetzte.
Den zum 31.12.2010 festgestellten Verlustvortrag von 1.133.924 € reduzierte das FA entsprechend um einen Betrag von 66.737 € und stellte durch Bescheid vom 3.4.2013 für den Kläger einen verbleibenden Verlustvortrag auf den 31.12.2011 in Höhe von 1.067.187 € fest.
Bei der Bearbeitung der Steuererklärung 2013 bemerkte das FA, dass der Verlustvortrag fortgeführt wurde, obwohl bereits 2011 die Restschuldbefreiung erteilt worden war. Das FA sah darin eine offenbare Unrichtigkeit i.S. des § 129 Satz 1 AO. Von dieser Rechtsauffassung ausgehend erließ das FA am 19.3.2015 einen nur in den Besteuerungsgrundlagen geänderten Einkommensteuerbescheid 2011, der weiterhin eine Steuerschuld von 0 € auswies. Die Besteuerungsgrundlagen setzten sich wie folgt zusammen (Beträge in €):
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Ehemann |
Ehefrau |
Insgesamt |
Einkünfte aus Gewerbebetrieb |
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als Einzelunternehmer |
1.067.187 |
46.735 |
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laut gesonderter Feststellung |
./. |
224 |
./. 224 |
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Einkünfte |
1.066.963 |
46.511 |
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Einkünfte aus nichtselbst. Arbeit |
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18.720 |
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Wege zwischen Wohnung und |
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regelmäßiger Arbeitsstätte |
./. |
1.242 |
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Aufwendungen für Arbeitsmittel |
./. |
110 |
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Übrige Werbungskosten |
./. |
16 |
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Einkünfte |
17.352 |
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Einkünfte aus Vermietung und |
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Verpachtung |
0 |
3.098 |
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Summe der Einkünfte |
1.084.315 |
49.609 |
1.133.924 |
Gesamtbetrag der Einkünfte |
1.084.315 |
49.609 |
1.133.924 |
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Ab Verlustvortrag |
|
|
./. 1.133.924 |
Den Bescheid für den Kläger über den gesonderten Verlustvortrag auf den 31.12.2011 hob das FA durch den auf § 10d Abs. 4 Satz 4, 5 Einkommensteuergesetzes 2009 i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2010 vom 8.12.2010 (BGBl. I 2010, 1768) –EStG 2009 n.F.– gestützten Änderungsbescheid vom 19.3.2015 auf, weil kein vortragsfähiger V...