Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechnung der Spekulationsfrist bei schwebend unwirksamem Notarverkaufsvertrag
Leitsatz (redaktionell)
Für den Zeitpunkt der Anschaffung oder Veräußerung bei einem privaten Veräußerungsgeschäft mit Grundstücken kommt es grundsätzlich auf den Zeitpunkt des obligatorischen Kauf- oder Verkaufsvertrages an. Dies setzt jedoch bei einem Vertrag unter aufschiebender Bedingung schon den Eintritt des zukünftigen Ereignisses voraus. Im Falle eines Verkaufs unter der aufschiebenden Bedingung der Erteilung einer Freistellungsbescheinigung von einer öffentlich-rechtlichen Widmung gelangt der Verkaufsvertrag erst im Zeitpunkt der Erteilgung der Bescheinigung zur Entstehung; insoweit tritt keine Rückwirkung auf den früheren Zeitpunkt des Abschlusses des Notarvertrags ein (entgegen BFH v. 18.5.1999 - II R 16/98, BStBl. II 1999, 606).
Normenkette
EStG § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; BGB § 158; EStG § 22 Nr. 2
Nachgehend
Tatbestand
Zu entscheiden ist, ob der Kläger durch die Veräußerung eines Grundstücks im Jahr 2008 den Tatbestand eines steuerpflichtigen privaten Veräußerungsgeschäfts gemäß § 22 Nr. 2 iVm § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) verwirklicht hat.
Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom 03.03.1998 von der Deutsche Bahn Immobiliengesellschaft mit beschränkter Haftung ein Teilgrundstück in A-Stadt, Grundbuchblatt 1900, Gemarkung A-Stadt, Flur 6 Stück 43 (UR-Nr. 38/1998 des Notars N. mit dem Amtssitz in A-Stadt). In § 3 des Kaufvertrages wurde als Stichtag für den Besitzübergang der 01.04.1998 vereinbart. In § 4 des Kaufvertrages verpflichtete sich der Käufer für den Fall, dass das Kaufgrundstück oder Teile davon innerhalb von zehn Jahren nach der Umschreibung im Grundbuch einer höherwertigen Planung zugeführt würden, dem Verkäufer die sich daraus ergebende Wertsteigerung zu erstatten. Das in der Folgezeit neu vermessene Grundstück wird seit 1999 unter dem Grundbuchblatt 6132 Gemarkung A-Stadt Flur 6 Flurstück 464, „B-Straße”, geführt.
Der Kläger vermietete das Grundstück „B-Straße” an die X. GmbH.
Am 30.01.2008 schloss der Kläger mit der Stadt A-Stadt einen notariellen Kaufvertrag über das bebaute Grundstück „B-Straße” (UR-Nr. 10/2008 des Notars N., A-Stadt). Der Kaufpreis in Höhe von 309.632 Euro sollte gemäß § 3 des Kaufvertrages eine Woche nach Vorlage einer Bankbürgschaft in Höhe des Kaufpreises gegenüber der Käuferin fällig sein. Außerdem wurde in § 3 des Kaufvertrages der beurkundende Notar angewiesen, die Eigentumsumschreibung im Grundbuch erst dann zu beantragen, wenn ihm der Zahlungseingang des vollständigen Kaufpreises durch den Verkäufer mitgeteilt wird und die Entwidmung durch die Deutsche Bundesbahn vorliegt. Gemäß § 5 des Kaufvertrages war der Kläger verpflichtet, der Käuferin das Grundstück am 24.07.2008 zu übergeben, Besitz, Nutzen, Lasten und Gefahr sollten mit diesem Zeitpunkt auf die Käuferin übergehen. In § 7 des Kaufvertrages wurde festgehalten, dass die Käuferin vom beurkundenden Notar über die Risiken einer Kaufpreiszahlung bei schwebender Unwirksamkeit des Vertrages hingewiesen worden sei und es dennoch bei der Kaufpreisfälligkeit wie in § 3 des Kaufvertrages geregelt bleiben solle. In § 8 des Kaufvertrages war geregelt, dass die Kaufvertragsparteien sich darüber einig seien, dass das Eigentum an dem verkauften Grundstück vom Verkäufer auf die Käuferin übergehen solle und die Eigentumsumschreibung im Grundbuch bewilligt und beantragt werde. Ferner wurde in § 8 die Eintragung einer Erwerbsvormerkung zugunsten der Käuferin bewilligt und beantragt. § 9 des Kaufvertrages sah vor, dass der Vertrag „[…] nur dann wirksam [wird] (schwebend bedingt), wenn die Deutsche Bundesbahn bzw. die dafür zuständige Behörde/Amt die Entwidmung dieses Grundstücks erklärt hat.” Weiter war in § 9 geregelt, dass, sollte die Entwidmung versagt werden, der Kaufvertrag, „[…] soweit bereits abgewickelt (Kaufpreiszahlung) […]”, aufgehoben und rückabgewickelt werden soll. Für den Fall der Rückabwicklung enthielt § 9 die Verpflichtung des Verkäufers, auf Verlangen den Kaufpreis ohne Zinsen innerhalb von 14 Tagen nach Zahlungsaufforderung an die Käuferin zu erstatten. § 9 sah schließlich vor, dass die Käuferin in alle Verpflichtungen des Klägers aus dem Grundstückskaufvertrag vom 03.03.1998 (UR-Nr. 38/1998 des Notars N. mit dem Amtssitz in A-Stadt) eintreten sollte. Wegen der weiteren Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen wird auf den notariellen Kaufvertrag vom 30.01.2009 Bl. 23 bis 29 GA, Bezug genommen.
Unter dem 10.12.2008 erteilte das Eisenbahn-Bundesamt gegenüber der Stadt A-Stadt einen Freistellungsbescheid, mit dem das Grundstück „B-Straße” von Bahnbetriebszwecken freigestellt wurde. In einem begleitenden Schreiben gleichen Datums teilte das Eisenbahn-Bundesamt der Stadt A-Stadt mit, dass die Grundstücksfläche damit vollständig in die Planungshoheit der Gemeinde zurückfalle.
Mit Schreiben vom 26.01.2009 teilte der beurkunden...