rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewinnzuschätzung nach Richtsätzen auch bei anhängigem Steuerstrafverfahren zulässig
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Schätzung nach Richtsätzen ist sachgerecht, wenn sämtliche Buchführungsunterlagen nicht mehr auffindbar sind.
2. Eigene, erst lange nach den streitigen Zeiträumen gefertigte Kalkulationen des Stpfl. sind in einem solchen Fall ungeeignet, die Richtsatzschätzungen zu entkräften.
3. Die Tatsache, dass gegen den Stpfl. in dieser Sache ein Steuerstrafverfahren anhängig ist, hebt die Verpflichtung des FA zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen nicht auf.
Normenkette
A0 1977 § 162 Abs. 1; AO 1977 § 162 Abs. 2, 2 S. 1, §§ 93, 103, 393 Abs. 1 Sätze 4, 2
Nachgehend
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob der Beklagte (das Finanzamt – FA –) Gewinnzuschätzungen vornehmen durfte.
Der Kläger betrieb in der Zeit vom 01. Februar 1991 bis 31. Juli 1996 das Speiselokal „…”. Zuvor wurde das Lokal von seinem Bruder V., danach von seiner Ehefrau K. betrieben. In der Zeit vom 03. Dezember 1992 bis 30. September 1994 unterhielt der Kläger eine weitere Betriebsstätte in H. und vom 05. April 1993 bis 31. Dezember 1996 eine solche in V. („…”). Der Kläger war auch an mehreren Gesellschaften beteiligt und betreibt außerdem seit dem 01. Oktober 1995 einen Kfz-Handel. Die Klägerin ist die Ehefrau des Klägers und wurde mit ihm im Streitjahr (1995) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Auf der für 1993 gültigen Preisliste der „…” war dieser Betrieb als „Ristorante Pizzeria …” bezeichnet. Die Preisliste Stand 4/1996 nennt den Betrieb „… Ristorante”. In dieser zuletzt genannten Preisliste waren insgesamt 120 Positionen aufgeführt, darunter 13 Nudel- und 19 Pizzagerichte, Vorspeisen, Salate, Überbackenes, Fisch- und Fleischspezialitäten, Desserts und eine Vielzahl Getränke. Der Kläger bot auch einen Mittagstisch an.
Aus den Steuererklärungen des Klägers für die Jahre 1991 bis 1996 ergaben sich die folgenden Rohgewinnaufschlagsätze:
1991: |
262,5 % |
1992: |
270,8 % |
1993: |
243,4 % |
1994: |
204,6 % |
1995: |
249,6 % |
1 – 7/1996: |
221,0 %. |
Die amtlichen Richtsatzsammlungen (Gruppe West) weisen folgende Rohgewinnaufschlagsätze auf:
Jahre |
Wirtschaften mit Speisebetrieb mit einem Küchenwarenanteil über 25 % des WES |
Pizzerien |
1991 bis 1994 |
156 % bis 300 % |
203 % bis 355 % |
|
203 % |
270 % |
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Gast und Speisewirtschaften, wirtschaftl. Umsatz über 400.000 DM |
Pizzerien, wirtschaftl. Umsatz über 350.000 DM |
1995, 1996 |
156 % bis 300 % |
203 % bis 376 % |
|
203 % |
270 % |
1997 erfolgten strafrechtliche Ermittlungsmaßnahmen gegen den Kläger und es begann eine Betriebsprüfung (Bp) des FA für den Zeitraum 1991 bis 1996. Der Kläger legte für die Jahre 1991 bis 1995 keinerlei Buchführungsbelege vor. Im Rahmen einer Durchsuchung durch das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Bielefeld (Steufa) wurden am 20. März 1997 in der Küche der „…” Auswiegungen vorgenommen. Hierzu wurden die Zutaten der von den Gästen bestellten und vom Küchenpersonal der „…” zubereiteten Gerichte durch Beamte der Steufa ausgewogen. Es wird insoweit auf den Aktenvermerk vom 01. April 1997 und die Wiegeprotokolle Bezug genommen (Bp-Handakte Bl. 98 ff). Die Steufa nahm unter Berücksichtigung dieser Wiegeergebnisse im Hinblick auf einzelne Speisen Kalkulationen vor, auf die wegen des Inhalts verwiesen wird (Bp-Handakte Blatt 111 ff), und kam zu dem Ergebnis, daß die vom Kläger für die streitigen Besteuerungszeiträume erklärten Besteuerungsgrundlagen unzutreffend seien.
Am 14. Mai 1997 kam es zu einer Besprechung zwischen den damaligen Bevollmächtigten des Klägers und Vertretern der Steufa und des FA. Es wird auf den Aktenvermerk vom 14. Mai 1997 Bezug genommen. Der Bp-Prüfer schätzte im Einvernehmen mit der Steufa die Gewinne des Klägers, indem auf den bereinigten erklärten Wareneinkauf folgende Rohgewinnaufschlagsätze angewandt wurden:
1991 bis 1994: |
300 % |
1995 und 1996: |
350 %. |
Es wird wegen der Einzelheiten auf Tz. 9 und 11 in Verbindung mit Anlage 1 des Bp-Berichts vom 17. Juli 1997 Bezug genommen.
Der Kläger gab mit Schriftsatz vom 09. Oktober 1997 eine Stellungnahme zum Bp-Bericht ab. Daraufhin erfolgte am 15. Oktober 1997 eine Besprechung an Amtsstelle des FA. Anlässlich dieser Besprechung räumte der Bevollmächtigte des Klägers ein, dass die Aufzeichnungen nicht vollständig geführt und die Buchführungsunterlagen bis 1995 auf unerklärliche Weise nicht mehr auffindbar seien. Es wurde dem Kläger in dieser Besprechung eine Stellungnahmefrist bis zum 24. Oktober 1997 eingeräumt, die jedoch ungenutzt ablief.
Das FA änderte die Festsetzung der Einkommensteuer für 1995 nach Maßgabe des vorgenannten Bp-Berichts.
Dagegen haben die Kläger nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage erhoben. Sie tragen vor, die angefochtenen Bescheide seien materiell-rechtswidrig. Die vom FA zugrunde gelegten Rohgewinnaufschlagsätze seien viel zu hoch. Der Kläger habe keine Pizzeria, sondern ein Restaurant betrieben. Die vom FA erklärten Ro...