Revision eingelegt (BFH I R 29/19)

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Annahme einer körperschaftsteuerrechtlichen und gewerbesteuerrechtlichen Organschaft in den Vorjahren bei einer insolvenzbedingten, vorzeitigen Beendigung und Nichtdurchführung eines Gewinnabführungsvertrags

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine insolvenzbedingte, vorzeitige Beendigung und Nichtdurchführung eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages ist ein wichtiger Grund, der es rechtfertigt, in entsprechender Anwendung von § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 3 KStG i.V.m. § 17 als rückwirkendes Vertragsende für die Festlegung der gesetzlichen Mindestvertragsdauer des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags den Beginn des Wirtschaftsjahres der Insolvenzeröffnung anzusehen, ohne dass es zu dieser steuerrechtlichen Beendigung des Behrrschungs- und Gewinnabführungsvertrage einer Kündigung bedarf.

2. Die Vorschrift von § 14 Abs. Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG ist dahin auszulegen, dass auch eine Nichtdurchführung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages, die ihre Ursache in der Insolvenzeröffnung als anerkannt wichtigem Grund hat, unschädlich ist für die Anerkennung der Organschaft in den Vorjahren, in denen die Organschaft tatsächlich durchgeführt wurde.

 

Normenkette

KStG § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 02.11.2022; Aktenzeichen I R 29/19)

 

Tatbestand

Streitig ist, inwieweit eine insolvenzbedingte, vorzeitige Beendigung und Nichtdurchführung eines Gewinnabführungsvertrags schädlich ist für die Annahme einer körperschaftsteuerlichen und gewerbesteuerlichen Organschaft in den Vorjahren.

Die A Holding GmbH in Insolvenz (im Folgenden: Holding) hielt 100 v.H. der Geschäftsanteile an der A GmbH in Insolvenz (im Folgenden GmbH). Beide Gesellschaften wurden im Jahr 2005 gegründet und gehörten zu dem Konzern der Gesellschaft A Group, die 100 v.H. der Anteile an der Holding hält. Die zentrale Aufgabe der Holding bestand in der Finanzierung der Geschäfte in bestimmten Ländern des A Konzerns.

Die GmbH war als Zulieferer tätig und hielt 100 v.H. der Anteile an der C GmbH, 1 (im Folgenden: C), sowie Beteiligungen an weiteren ausländischen Tochtergesellschaften. Die GmbH schloss am 02.12.2008 mit der C als Organgesellschaft einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, der am 03.12.2008 in das Handelsregister betreffend die C eingetragen wurde. Mit Gesellschafterbeschluss vom 26.10.2006 wurde die Umstellung des Geschäftsjahresendes der GmbH vom 28.12. auf den 31.12.2006 beschlossen, so dass vom 29.12.2006 bis 31.12.2006 ein Rumpfwirtschaftsjahr bestand.

Am 30./31.10.2006 schlossen die Holding als beherrschende Gesellschaft und die GmbH als Organgesellschaft einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag (BGV).

Darin verpflichtete sich die GmbH zur Gewinnabführung an die Holding und die Holding zur Übernahme der Verluste der GmbH (vgl. § 2 und § 3 des BGV). Mit Beschlüssen vom 10.11.2006 haben die Gesellschafterversammlungen der Holding und der GmbH dem Vertrag zugestimmt. Die Eintragung im Handelsregister der Organgesellschaft erfolgte am 19.12.2006. Der BGV sollte erstmals auf das am 29.12.2005 beginnende Geschäftsjahr der GmbH Anwendung finden.

In den §§ 4 und 5 des BGV finden sich folgende Regelungen zur Feststellung des Jahresabschlusses und zur Fälligkeit:

"§ 4

Feststellung des Jahresabschlusses

Der Jahresabschluss der Organgesellschaft ist vor dem Jahresabschluss des Organträgers im Einvernehmen mit dem Organträger zu erstellen und festzustellen.

§ 5

Fälligkeit

1. Die Ansprüche auf die Abführung des Jahresüberschusses gemäß § 2 dieses Vertrags

(a) entstehen mit Wirkung zum Stichtag des Jahresabschlusses eines jeden Geschäftsjahres der Organgesellschaft, und

(b) werden fällig mit der Feststellung des jeweiligen Jahresabschlusses der Organgesellschaft.

2. Die Ansprüche auf den Ausgleich des Jahresfehlbetrags gemäß § 3 dieses Vertrags entstehen und werden fällig mit Wirkung zum Stichtag des Jahresabschlusses eines jeden Geschäftsjahres der Organgesellschaft."

Die Holding und die GmbH waren zusammen mit der A-Gruppe in ein sog. "Cash Pooling"-System eingebunden. Es gab zwei voneinander getrennte Cash-Pools. Einer wurde bei der Bank1 für die ausländischen Gesellschaften, der andere bei der Bank2 für die deutschen und anderen europäischen Gesellschaften geführt.

Inhaber der Hauptzielkonten bei der Bank2 war die Holding. Jeweils am Tagesende um 24.00/0.00 Uhr buchte die Bank2 auftrags- und vereinbarungsgemäß den Saldo des Kontos der GmbH auf das Konto der Holding um, so dass das Konto der GmbH einen Saldo von 0,00 € auswies (physischer Cash-Pool).

Am 04.03.2009 fror die Bank1 den Cash-Pool des A Konzerns ein.

Am 06.03.2009 beantragten die Holding und die GmbH einen Tag nach den ausländischen Gesellschaften die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Mit Beschlüssen des Amtsgerichts in 2009 wurde in den Insolvenzverfahren die vorläufige Insolvenzverwaltung mit Verfügungsvorbehalt angeordnet. Am xx.xx.2009 wurden die Insolvenzverfahren über das Vermögen de...

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