Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung von Dienstreisen zu Fahrten Wohnung/Arbeitsstätte
Leitsatz (amtlich)
Entwickelt ein Arbeitnehmer Software in seinem häuslichen Büro, die er über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten an 5 Tagen in der Woche beim Kunden des Arbeitgebers installiert und erprobt, und beansprucht die Arbeit beim Kunden monatlich 136 Stunden ohne Fahrzeit, dann ist die an 160 Stunden im Monat geleistete Arbeit im häuslichen Büro der Tätigkeit beim Kunden des Arbeitgebers nicht über-, sondern allenfalls gleich geordnet, mit der Folge, dass keine Dienstreisen, sondern Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte vorliegen.
Normenkette
EStG § 42 d Abs. 1 Nr. 1, § 3 Nr. 16, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4, § 8 Abs. 2 S. 3, § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2; LStR R 37 Abs. 3 S. 3
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist im Rahmen eines Haftungsbescheids für den Zeitraum 2003, ob Fahrten als Dienstreisen oder als Fahrten zwischen Wohnung und mehreren Arbeitsstätten zu behandeln sind.
Die Klägerin, die in der Rechtsform einer GmbH auftritt, entwickelt Software und weist die Benutzer vor Ort in die Programme ein. Die Entwicklung der Software durch den Arbeitnehmer (Gesellschafter-Geschäftsführer) erfolgte bis zum Spätjahr 2000 in dessen Büro zunächst in seiner Wohnung in L und sodann im Privathaus in S. Abnehmer der Programme waren die D AG sowie die Firmen T1 GmbH und T2 GmbH. Ihre Rechenzentren haben diese Firmen in D, welche nicht weit voneinander entfernt liegen. Als Arbeitszeiten gibt die Klägerin 160 Stunden monatlich in den Büros des Geschäftsführers an; für die Tätigkeiten in den Rechenzentren errechnet sich eine durchschnittliche monatliche Arbeitszeit von 136 Stunden (für letzteres siehe Bl. 2 – nicht paginiert – der Akte „Prüfungsunterlagen“ des Beklagten, St-Nr. 44/650/1009/0).
Für den Zeitraum Dezember 1999 bis Dezember 2003 fand eine Lohnsteuerprüfung statt, bei welcher festgestellt wurde, dass dem alleinigen Gesellschafter und Geschäftsführer ein Dienstwagen auch zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellt worden war. Bis 30. September 2003 war der geldwerte Vorteil hierfür mit 1 v.H. des Bruttolistenpreises gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Einkommensteuergesetz – EStG – angesetzt worden. Für die Zeit danach wurde ein Fahrtenbuch geführt. Die Fahrten zwischen L bzw. S und D blieben bei der Versteuerung unberücksichtigt. Außerdem ergab sich bei der Lohnsteuerprüfung, dass dem Gesellschafter-Geschäftsführer arbeitstäglich Verpflegungspauschalen für die Fahrten zu den Rechenzentren nach D gezahlt worden waren, und zwar bis 2001 in der Regel i.H.v. 10,00 DM, ab 2002 i.H.v. 6,00 € arbeitstäglich.
Der Beklagte sah die Fahrten zu den Rechenzentren nicht als Dienstreisen sondern als Fahrten zwischen der Wohnung und mehreren Arbeitsstätten an und wandte die 0,03 %- Regelung des § 8 Abs. 2 S. 3 EStG zur Versteuerung an (0,03 % des Listenpreises des Kfz pro Monat für jeden Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte). Außerdem unterwarf er die gezahlten Verpflegungspauschalen der Besteuerung (vgl. Bl. 68 bis 73 der Lohnsteuerakte Arbeitgeber; Prüfungsbericht vom 02. Juli 2004). Unter dem 27. Juli 2004 erließ der Beklagte einen auf § 42 d EStG gestützten Haftungsbescheid für den Zeitraum 2003 betreffend Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag über insgesamt 12.487,76 € (Bl. 81, a.a.O.).
Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein. Sie trug vor, bei den Fahrten nach D handle es sich nicht um Fahrten Wohnung – Arbeitsstätte. Der Arbeitnehmer sei an verschiedenen Niederlassungen der Firma T tätig und nicht immer am selben Ort. Außerdem sei er mit weiteren Firmen im ganzen Bundesgebiet in Kontakt. Die Arbeitsstätte des Arbeitnehmers sei sein Büro in S, wo er monatlich ca. 160 Stunden verbringe, um Programme zu entwickeln. Nach Auffassung der Klägerin führe der Arbeitnehmer auf seinen Fahrten nach D Dienstreisen durch. -- Auf Anfrage hat die Klägerin die Anschriften der Rechenzentren in D mitgeteilt (vgl. Bl. 47 und 49 der Rechtsbehelfsakte). Der vom Finanzamt erstellte Ausdruck der Internet-Wegbeschreibung ergab, dass diese Tätigkeitsorte innerhalb eines Radius von zwei km liegen.
Der Einspruch gegen den Haftungsbescheid hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 10. Februar 2005, Bl. 71 Einspruchsakte).
Als Begründung wurde in der Einspruchsentscheidung u.a. angeführt, dass die auswärtigen Tätigkeitsorte in D gegenüber de Arbeitszimmer in S nicht untergeordnet gewesen seien, so dass sich in D eine weitere Arbeitsstätte befunden habe. Ausweislich der Reisekostenabrechnungen für die einzelnen Monate des Prüfungszeitraums sei der Arbeitnehmer in der Regel an fünf Wochentagen nach D gefahren, wobei die Dauer der Abwesenheit zwischen knapp 7 Stunden und 16 Stunden geschwankt habe, üblicher Weise jedoch bei 10 bis 11 Stunden gelegen habe. Durchschnittlich seien in D pro Monat 136 Stunden abgeleistet worden, wobei der Zeitaufwand für die Fahrten nicht mitgerechnet w...