Revision zugelassen (BFH IX R 19/17)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Gestaltungsmissbrauch bei dem Verkauf von Aktien vorgeschalteter Schenkung
Leitsatz (amtlich)
Wenn Eltern ihren minderjährigen Kindern Aktien schenken, die diese anschließend - vertreten durch die Eltern als gesetzliche Vertreter - mit Gewinn veräußern, so ist der Veräußerungsgewinn gem. § 17 Abs. 1 EStG wegen Gestaltungsmissbrauchs nicht den Kindern, sondern den Eltern zuzurechnen, wenn außersteuerliche Gründe für die dem Verkauf vorgeschaltete Schenkung nicht zu erkennen sind.Die beabsichtigte Verwendung des Erlöses für die finanzielle Absicherung der Kinder ist als außersteuerlicher Grund für die Gestaltung nicht anzuerkennen, wenn dieser Zweck einfacher zu verwirklichen wäre bei Veräußerung durch die Eltern selbst, auch mit der Maßgabe, dass der Käufer das Entgelt auf die Konten der Kinder überweist.
Normenkette
EStG § 17 Abs. 1; AO § 42
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob die aus Aktienveräußerungsgeschäften der Kinder der Klägerin resultierenden Gewinne bei der Klägerin steuerlich als Einkünfte aus § 17 EStG zu erfassen sind.
Die verheiratete, jedoch zur Einkommensteuer einzeln veranlagte Klägerin, eine Betriebswirtin, ist Mitglied des Aufsichtsrates und Aktionärin der B Maschinentechnik AG (im Folgenden: B AG). Hieraus erzielt sie Einkünfte aus selbständiger Arbeit (Aufsichtsratsvergütungen) sowie aus Kapitalvermögen (Dividenden). Darüber hinaus ist sie nichtselbständig beschäftigt.
Die Klägerin ist Mutter zweier im Juli 2013 bzw. Oktober 2014 geborener Töchter, denen sie zum 1. Dezember 2014 jeweils fünf Aktien der B AG "zu je 132,94 € Basiswert" schenkte.
Die Kinder veräußerten jeweils zwei der nicht börsennotierten Aktien an ein Vorstandsmitglied der B AG zum Preis von 4.000,00 € pro Aktie. Der von der Klägerin und ihrem Ehemann als gesetzliche Vertreter ihrer Kinder am 7. Dezember 2014 angeforderte Kaufpreis wurde am 16. Dezember 2014 auf Konten der Kinder gutgeschrieben (Bl. 61, 62, 64 und 65 ESt-Akten 2014).
Die Töchter erklärten hieraus einen Gewinn nach § 17 EStG in Höhe von jeweils 4.640,00 € (8.000,00 € Kaufpreis abzgl. 266,00 € Anschaffungskosten, davon gem. § 3 Nr. 40 EStG 40 % steuerfrei). Sie verfügten über keine weiteren Einkünfte.
Auf Nachfrage des Finanzamtes zu den Gründen für die gewählte Gestaltung, zur Verwendung des Gewinnes sowie dem zeitlichen Ablauf der Verkaufsverhandlungen, zu den Verkaufsmodalitäten und der Kursentwicklung der Anteile gab die Klägerin an, mit den Aktien sollten die Kinder ihre spätere Ausbildung bzw. ihr Studium finanzieren. Da ihr jedoch das Risiko von Kursschwankungen bis dahin zu hoch erschienen sei, habe sie jeweils zwei Aktien bereits verkauft. Ob in den Folgejahren weitere Anteile verkauft würden, hänge von der Kursentwicklung, anderen unvorhersehbaren Faktoren und davon ab, ob sich ein Käufer finde. Bei den Aktien handele es sich um vinkulierte Namensaktien. Schriftliche Verträge lägen nicht vor. Der Verkaufspreis sei mündlich verhandelt worden. Kurse würden nicht festgestellt. Ein Handel mit den Namensaktien der B AG finde nur in sehr geringem Umfang statt.
Das Finanzamt ging wegen des zeitlichen Zusammenhanges zwischen den Schenkungen und den Weiterveräußerungen von einem Gestaltungsmissbrauch aus und erfasste die o.g. Gewinne mit Einkommensteuerbescheid 2014 vom 31. August 2015 bei der Klägerin als Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 17 Abs. 1 EStG (Bl. 98 ff. ESt-Akten 2014).
Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein, mit dem sie einwendete, die Veräußerungsgewinne seien den Kindern zuzurechnen. Die Schenkungen hätten vom Vorstand der B AG genehmigt werden müssen. So habe der spätere Käufer der Aktien von der Möglichkeit erfahren, diese zu erwerben, und danach der Klägerin und ihrem Ehemann, dem Vater der Kinder, ein entsprechendes Kaufangebot unterbreitet, welches diese angenommen hätten.
Auf Bitte des Finanzamtes mitzuteilen, wie und wann der Kaufpreis ermittelt worden sei, ließ die Klägerin lediglich wissen, der Käufer habe ein entsprechendes Angebot abgegeben.
Mit Einspruchsentscheidung vom 15. Dezember 2015 wies das Finanzamt den Einspruch zurück. Es nahm nach wie vor einen Gestaltungsmissbrauch an. Der kurze Zeitraum zwischen Schenkung und Weiterveräußerung lasse den Schluss auf einen von vornherein bestehenden Zusammenhang und darauf zu, dass die Veräußerungen an das Vorstandsmitglied geplant gewesen seien. Darüber hinaus sei es nicht plausibel, dass innerhalb weniger Tage Preisverhandlungen zum Erfolg geführt haben könnten, obwohl keine Kurse existierten und der Wert der Aktien erst noch zu ermitteln gewesen sei. Außerdem finde der Handel mit Aktien der B AG lt. der Klägerin nur in sehr geringem Umfang statt. Daher und weil sich Aufsichtsrat (Klägerin) und Vorstand einer AG (Käufer) regelmäßig austauschten, sei anzunehmen, dass der Vorstand über eine Aktienschenkung bereit...