Rz. 70
Hat der unentgeltliche Erwerber eines Rentenstammrechts die Jahresversteuerung nach § 23 ErbStG gewählt und muss für Zwecke der Besteuerung eine frühere Zuwendung als sog. Vorerwerb i. S. d. § 14 ErbStG berücksichtigt werden, wirft die Berechnung der Jahressteuer praktische Probleme auf. Der für die Jahressteuer anzusetzende Steuersatz soll in diesem Fall nicht dadurch ermittelt werden können, dass der für den Gesamterwerb maßgebliche Steuersatz herangezogen wird. Der Steuersatz ist nach umstrittener Ansicht vielmehr durch eine Verhältnisrechnung zu berechnen.
Rz. 71
Die Vorschrift des § 23 ErbStG gewährt dem Erwerber für die Versteuerung von Renten und wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen ein Wahlrecht. Der Steuerpflichtige kann frei entscheiden, ob er die Erbschaft-/Schenkungsteuer – ermittelt auf Basis des Kapitalwerts der zugewandten Rente, Nutzung oder Leistung – durch Einmalzahlung sofort entrichtet, oder ob er die Steuer jährlich – ausgehend vom Jahreswert dieser Rechte – bezahlt. Trifft er in seiner Erbschaft-/Schenkungsteuererklärung keine Wahl hinsichtlich der Besteuerung, geht das FA von der Regelbesteuerung aus. Es wird dann die Erbschaft-/Schenkungsteuer ausgehend vom Kapitalwert der zugewandten Rente, Nutzung oder Leistung bemessen und der Steuerpflichtige hat die Steuer in voller Höhe zu bezahlen.
Rz. 72
Für die nachfolgende Betrachtung unproblematisch sind die Fälle, in denen der Vorerwerb aus Vermögen bestand, für das die Wahlmöglichkeit nach § 23 ErbStG eröffnet war. Denn in die Zusammenrechnung mit dem Nacherwerb geht der Vorerwerb mit dem Kapitalwert (z. B. dem der zugewandten Rente) ein. § 23 ErbStG regelt nämlich nur die Erhebung der Erbschaft-/Schenkungsteuer für diesen früheren Erwerb. Für Zwecke der Zusammenrechnung mit dem Nacherwerb ist es hingegen irrelevant, ob der Steuerpflichtige seinerzeit die Jahresversteuerung gewählt hat.
Rz. 73
Wird jedoch bei einem Nacherwerb, der aus Renten, Nutzungen oder Leistungen besteht, die Jahresversteuerung gewählt, stellt sich die Frage, wie in diesem Fall der Vorerwerb die Bemessungsgrundlage für die Ermittlung des relevanten Steuersatzes beeinflusst.
Rz. 74
Der Erblasser E hat seiner Lebenspartnerin L im Jahr 1999 100.000 DM (= 51.129 EUR) geschenkt. Die in Steuerklasse III festgesetzte Steuer betrug bei einem Steuersatz von 17 % 15.300 DM (= 7.823 EUR). Beim Tod des E im Jahr 2005 erhält L, 60 Jahre alt, im Weg eines Vermächtnisses eine Leibrente mit einem Jahreswert von 6.000 EUR.
Bei Wahl der Sofortversteuerung ergibt sich folgende Erbschaftsteuer:
Wert des Rentenerwerbs 2005: |
|
|
6.000 EUR × 12,034 = |
72.204 EUR |
|
Geldschenkung 1999 |
+ 51.129 EUR |
|
Gesamterwerb |
123.333 EUR |
|
persönlicher Freibetrag |
- 5.200 EUR |
|
steuerpflichtiger Erwerb |
118.133 EUR |
|
abgerundet |
118.100 EUR |
|
Steuersatz 23 % |
|
|
Steuer auf Gesamterwerb |
27.163 EUR |
|
anzurechnende Steuer aus Vorerwerb 1999 |
- 7.823 EUR |
|
Erbschaftsteuer 2005 |
19.340 EUR |
|
Wird die Jahresversteuerung gewählt, ergibt sich Folgendes:
Die Steuer von 19.340 EUR entspricht – bezogen auf den Kapitalwert des Rentenstammrechts von 72.204 EUR – einem Steuersatz von 26,78 %.
Die Jahressteuer ermittelt sich dann wie folgt:
6.000 EUR Jahreswert × 26,78 % |
= |
1.606 EUR |
Soweit also L die Jahresversteuerung wählt, hat sie nicht – wie bei Sofortversteuerung – 19.340 EUR, sondern bis zu ihrem Tod jährlich 1.606 EUR zu bezahlen.
Rz. 75
Das vorstehende Beispiel verdeutlicht, dass die FinVerw die Jahressteuer nicht nach dem Steuersatz für den Gesamterwerb, also von 23 %, sondern unter Heranziehung eines höheren Steuersatzes ermittelt. Teilweise wird diese Vorgehensweise als "steuerliches Kuriosum" bezeichnet, weil es nicht sein könne, dass der Steuersatz für die Jahressteuer höher sei als der für den Gesamterwerb.
Rz. 76
In der Lit. wurde nachgewiesen, dass das sog. Kombinationsmodell im Vergleich zu der Berechnungsmethode der FinVerw nicht stets zu günstigeren Ergebnissen führt. Insoweit gilt es im Einzelfall zu prüfen, welche Variante günstiger ist.