Rz. 550

Der Nacherbe erlangt mit dem Erbfall ein gegenwärtiges Anwartschaftsrecht, das vererblich[1] und frei veräußerlich ist.[2] Erbschaftsteuerrechtlich liegt es grundsätzlich so, dass der Erbe durch Verfügung über die Erbschaft den Erwerb von Todes wegen nach § 3 Abs. 1 ErbStG nicht beeinflussen kann (Rz. 61). Eine hiervon abweichende Regelung trifft § 3 Abs. 2 Nr. 6 ErbStG für den Fall der Übertragung einer Nacherbenanwartschaft. Nach dieser Vorschrift tritt das Entgelt an die Stelle der Anwartschaft, welches als vom Erblasser zugewendet gilt und folglich nach dem Verhältnis zum Erblasser besteuert wird. Die Steuer entsteht nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. i ErbStG mit dem Zeitpunkt der Übertragung der Anwartschaft. Erhält der Nacherbe eine Sachabfindung aus dem Nachlass, ist die Bereicherung nach dem Steuerwert der Sache zu bemessen.[3] Allerdings wird nach Geltung des ErbStRG vom 24.12.2008[4] der Steuerwert regelmäßig dem Verkehrswert entsprechen. Der Nacherbe kann sein Anwartschaftsrecht auch auf den Vorerben übertragen, der damit zum uneingeschränkten Vollerben wird. Ein entsprechendes Entgelt ist nach § 3 Abs. 2 Nr. 6 ErbStG steuerbar.[5] § 3 Abs. 2 Nr. 6 ErbStG ist auch dann einschlägig, wenn ein Nachvermächtnisnehmer entgeltlich auf sein Nachvermächtnis verzichtet.[6]

[2] BGH v. 9.6.1983, IX ZR 41/82, BGHZ 87, 367; Weidlich, in Grüneberg, 2022, BGB, § 2100 Rz. 12.
[4] ErbStRG v. 24.12.2008, BGBl I 2008, 3018.
[5] Weinmann, in Moench/Weinmann, ErbStG, § 3 Rz. 217.
[6] BFH v. 19.4.1989, II R 189/85, BStBl II 1989, 623; a. A. Hannes/Holtz, in Meincke/Hannes/Holtz, ErbStG, 2021, § 3 Rz. 117, die hier eine Steuerpflicht nach § 3 Abs. 2 Nr. 5 ErbStG befürwortet.

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