Dr. Dino Höppner, Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 56a
Die steuerlichen Wahlrechte können in verschiedener Hinsicht gegliedert werden. So lässt sich zwischen gesetzlichen Wahlrechten, wie §§ 6 Abs. 2, 6b, 7g EStG, und Richtlinienwahlrechten, wie R 6.5, 6.6 EStR 2012 unterscheiden. Richtlinienwahlrechte benötigen eine besondere Rechtfertigung, da sie von der gesetzlichen Regel zum Bilanzausweis abweichen. Die Rspr. hat die Rechtfertigung häufig in einer gewohnheitsrechtlichen Verfestigung der Wahlrechte gesehen (Rz. 287 zur Rücklage für Ersatzbeschaffung).
Rz. 56b
Nach ihrer Zielsetzung lassen sich subventionelle Wahlrechte und Vereinfachungswahlrechte unterscheiden, die jeweils wieder gesetzliche oder Richtlinienwahlrechte sein können. Subventionelle Wahlrechte sind z. B. die steuerfreien Rücklagen, wie Reinvestitionsrücklage nach § 6b EStG, und die Rücklage für Ersatzbeschaffung, der Investitionsabzugsbetrag nach § 7g EStG, die Vorschriften über Sonderabschreibungen und erhöhte Abschreibungen sowie das Methodenwahlrecht bei planmäßiger Abschreibung nach § 7 EStG. Vereinfachungswahlrechte sind z. B. die Sofortabschreibung bei geringwertigen Wirtschaftsgütern gem. § 6 Abs. 2 EStG, die Poolabschreibung gem. § 6 Abs. 2a EStG, die Lifo-Methode, Wahlrechte bei den Herstellungskosten und zur Gruppenbewertung und Festwertansatz. Abschreibungswahlrechte sind m. E. nicht als besondere Gruppe zu sehen, da sie sich als Subventionswahlrechte oder Vereinfachungswahlrechte einordnen lassen.
Rz. 56c
Die Unterscheidung zwischen subventionellen Wahlrechten und den übrigen Wahlrechten soll Bedeutung für die Frage haben, ob sie unabhängig von dem Ansatz oder der Bewertung in der Handelsbilanz ausgeübt werden können, oder ob dies nur für die subventionellen Wahlrechte, nicht aber für die übrigen Wahlrechte gelten soll. Bedeutung hat dies beispielsweise für die Teilwertabschreibung, die steuerlich nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG als Wahlrecht ausgestaltet ist. Können alle Wahlrechte unabhängig von der Handelsbilanz ausgeübt werden, wäre in der Handelsbilanz eine Teilwertabschreibung vorzunehmen, während steuerlich der höhere Wert beibehalten werden könnte. Die Finanzverwaltung und die h. M. in der Literatur haben sich, entsprechend dem Wortlaut des § 5 Abs. 1 EStG, dafür entschieden, dass alle steuerlichen Wahlrechte unabhängig von der Handelsbilanz ausgeübt werden können. Die Gegenansicht geht davon aus, dass sich aus dem Zweck des § 5 Abs. 1 EStG ergebe, dass nur subventionelle Wahlrechte unabhängig von der Handelsbilanz ausgeübt werden können. M. E. ist der ersten Ansicht zu folgen. Weder der Gesetzestext noch die Materialien geben einen Anhaltspunkt dafür, die eigenständige steuerliche Wahlrechtsausübung auf subventionelle Wahlrechte zu beschränken. Die von der Gegenansicht angeführte Stelle der Äußerung der Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren bezieht sich nicht darauf, dass bestimmte Wahlrechte nur entsprechend der Handelsbilanz ausgeübt werden können, sondern enthält nur die Ansicht, dass für die Teilwertabschreibung kein Wahlrecht bestehe. Das ist etwas anderes als eine von der Handelsbilanz abhängige Wahlrechtsausübung. Auch der Zweck der steuerlichen Bilanzierungsvorschriften, eine gleichheitsgerechte, möglichst willkürfreie und periodengerechte Messung des Gewinns sicherzustellen, vermag die Gegenansicht nicht zu stützen. Zwar mögen steuerliche Wahlrechte diesem Ziel widersprechen. Wenn aber gesetzlich Wahlrechte eingeräumt sind, können diese nicht dem Gesetzeswortlaut widersprechend eingeschränkt werden. Die richtige Konsequenz wäre die Feststellung der Verfassungswidrigkeit durch das BVerfG.