Dipl.-Finanzwirt Rüdiger Happe, Prof. Dr. Axel Mutscher
Rz. 56
Die Gruppenbewertung nach § 240 Abs. 4 HGB bzw. R 6.8 Abs. 4 EStR 2012 ist ein Verfahren zur Vereinfachung der Inventur und der Bewertung. Gegenstand sind gleichartige Wirtschaftsgüter des Vorratsvermögens sowie andere gleichartige oder annähernd gleichartige bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlage- oder Umlaufvermögens. Hierzu gehören insbesondere Forderungen. Die Praxis bedient sich der Gruppenbewertung vornehmlich bei Vorratsvermögen, Massenbeständen des Anlagevermögens und Wertpapierbeständen. Vom Festwertverfahren unterscheidet sich die Gruppenbewertung dadurch, dass die Wirtschaftsgüter, auf die die Gruppenbewertung angewendet wird, nicht von nachrangiger Bedeutung für das Unternehmen zu sein brauchen. Die Inventurvereinfachung besteht darin, dass sich die Einzelerfassung nach Art und Menge erübrigt. Die Bewertungsvereinfachung besteht darin, dass die Anschaffungs- oder Herstellungskosten nicht einzelnen Wirtschaftsgütern zugeordnet werden müssen, sondern auch gewogene Durchschnittswerte einer Gruppe zusammengefasster Wirtschaftsgüter zugeordnet werden können.
Rz. 57
Eine Gruppenbewertung setzt voraus, dass
- die zu einer Gruppe zusammenzufassenden Wirtschaftsgüter des Vorratsvermögens gleichartig sind,
- andere bewegliche Wirtschaftsgüter oder Forderungen gleichartig oder zumindest annähernd gleichartig sind.
Fehlt es an diesen Voraussetzungen, so sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten einzeln zu ermitteln und zuzuordnen.
Rz. 58
Gleichartig sind Wirtschaftsgüter aufgrund ihrer Beschaffenheit, etwa indem sie zur gleichen Warengattung gehören oder die gleiche Funktion besitzen. Die Gleichartigkeit ist nach den kaufmännischen Gepflogenheiten zu beurteilen, insbesondere nach der marktüblichen Einteilung in Produktklassen. Wirtschaftsgüter mit erheblichen Qualitätsunterschieden sind nicht gleichartig. Die Verwaltung verlangt für eine Gleichartigkeit von Wirtschaftsgütern keine Gleichwertigkeit. Jedoch können erhebliche Preisunterschiede für Qualitätsunterschiede und damit gegen eine Gleichartigkeit sprechen. Preisunterschiede bis zu 20 % sollen noch als geringfügig akzeptiert werden.
Rz. 59
Zur Durchführung der Gruppenbewertung sind zunächst Gruppen gleichartiger Wirtschaftsgüter zu bilden. Sodann sind als Mengen der Anfangsbestand und die Zugänge festzustellen. Schließlich ist der Durchschnittswert zu ermitteln. Dazu können das Verfahren des "einfachen gewogenen Durchschnitts" und dasjenige des "gleitenden gewogenen Durchschnitts" gewählt werden.
Rz. 60
Der einfache gewogene Durchschnitt wird gebildet, indem die Summe der mit den Mengen vervielfältigten Preise des Anfangsbestands und der Zugänge durch die Summe der Mengen des Anfangsbestands und der Zugänge geteilt wird.
Bildung des Durchschnitts |
|
|
|
|
Menge |
Preis |
Menge × Preis |
|
Stück |
EUR |
EUR |
Anfangsbestand |
100 |
10 |
1.000 |
Zugang 1 |
200 |
11 |
2.200 |
Zugang 2 |
50 |
12 |
600 |
insgesamt |
350 |
|
3.800 |
Durchschnittswert 3.800 EUR : 350 = 10,86
Rz. 61
Von dem vorstehenden Verfahren des "einfachen gewogenen Durchschnitts" unterscheidet sich das des "gleitenden gewogenen Durchschnitts" dadurch, dass nach jedem Zugang ein Durchschnittswert ermittelt und jeder anschließende Abgang mit dem zuvor berechneten Durchschnittswert berücksichtigt wird.
Rz. 62
Auch bei der Gruppenbewertung ist das handelsrechtliche Niederstwertprinzip von Stpfl., die ihren Gewinn nach § 5 EStG ermitteln, zu beachten (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG). Sie müssen somit den niedrigeren Teilwert ansetzen, wenn die durchschnittlichen Wiederbeschaffungskosten oder die durchschnittlichen Absatzpreise dauerhaft unter den gewogenen Durchschnitt gesunken oder die Waren nicht mehr marktgängig sind.