Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitreibung einer ausländischen Steuerforderung nach dem EUBeitrG
Leitsatz (redaktionell)
- Zur Beitreibung einer ausländischen Steuerforderung reicht es nicht aus, wenn als Gläubiger der Vollstreckungsforderung nur die ersuchte inländische Behörde auf der Pfändungs- und Einziehungsverfügung angegeben ist.
- Für die Vollstreckung ausländischer Steuerschulden nach dem EUBeitrG ist die Finanzbehörde zuständig, in deren Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervortritt (§ 24 AO). Dies ist der Wohnort bzw. Sitz des in Betracht kommenden Drittschuldners.
- Materiell-rechtliche Einwendungen gegen die Inanspruchnahme aus dem Vollstreckungstitel kommen in Betracht, soweit ein Verstoß gegen den ordre public als Unbilligkeit nach § 14 EubeitrG vorliegt. Nach summarischer Prüfung stellt die slowenische Tonnagebesteuerung, die den Bruttoerlös als steuerpflichtig erachtet, am Maßstab des Grundgesetzes keine willkürliche (übermäßige) Besteuerung dar.
- Die Anordnung einer Sicherheitsleistung als Voraussetzung für die Aussetzung der Vollziehung einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung aufgrund eines Beitreibungsersuchens für eine Steuerforderung eines ausländischen Staates steht das BMF-Schreiben vom 19.3.2020 (BStBl 2020 I S. 262) zur Auswirkung der Corona-Pandemie nicht entgegen.
Normenkette
EUBeitrG §§ 14, 13 Abs. 3 S. 2; FGO § 69 Abs. 3; AO § 252
Streitjahr(e)
2020
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Rechtmäßigkeit der im Tenor genannten Pfändungs- und Einziehungsverfügungen.
Die Antragstellerin ist eine in Liberia gegründete Kapitalgesellschaft, deren Geschäftsführer in T wohnhaft ist, die aber – nach ihren unstreitigen Angaben – ihren Geschäftssitz in der Republik Slowenien hat. Ihr Geschäftsbetrieb – der Betrieb von Seeschiffen – unterliegt dort einem besonderen Tonnagebesteuerungsverfahren. Nach Angaben der Antragstellerin gehören mittelbar (über Zwischengesellschaft in Slowenien und Deutschland) der A KG in Deutschland mehr als 75 % der Anteile an der Antragstellerin.
Die streitgegenständlichen Pfändungs- und Einziehungsverfügungen beruhen auf einem Beitreibungsersuchen der slowenischen Finanzverwaltung vom 09.01.2020 (Bl. 2 ff. Vollstreckungsersuchen), das am 10.01.2020 beim Bundeszentralamt für Steuern als sog. Verbindungsbüro im Sinne des EU-Betreibungsgesetzes (EUBeitrG) eingegangen ist und von diesem an die hessische Finanzverwaltung – letztendlich an den Antragsgegner – weitergeleitet wurde (vgl. Bl. 1 Vollstreckungsakten). In dem Beitreibungsersuchen heißt es, dass die Forderungen nicht angefochten seien und nicht mehr in einem Verwaltungsverfahren/Gerichtsverfahren angefochten werden könnten. In dem Beitreibungsersuchen werden drei Hauptforderungen jeweils zuzüglich mit bis zum Datum der Übermittlung des Ersuchens fällig gewordener Zinsen angegeben. Der Gesamtbetrag beträgt x €.
Der mit Hautforderung 1 bezeichnete Steueranspruch in Höhe von x € ergibt sich nach den Angaben der Antragstellerin und dem in deutscher Übersetzung vorgelegten Bescheid jedenfalls zu mehr als x € daraus, dass die Antragstellerin in Slowenien geschäftsansässig ist und dort für die mit ihren weltweit eingesetzten Containerschiffen einer optionalen Tonnagebesteuerung unterliegt. Bei dieser werden die laufenden Gewinne pauschal ohne Berücksichtigung der tatsächlichen Erträge und Aufwendungen ermittelt. Steuerpflichtig sind daneben auch die Gewinne aus der Veräußerung der Containerschiffe, sofern der Gewinn nicht innerhalb von fünf Jahren in ein anderes Containerschiff reinvestiert wird. Diese fünf Jahre waren im Jahr 2017 hinsichtlich eines 2012 veräußerten Schiffes ohne Reinvestition abgelaufen, so dass der im Jahr 2012 erzielte Gewinn im Jahr 2017 zur Besteuerung anstand. Nach der streitigen Ansicht der slowenischen Finanzverwaltung erfasst der insoweit steuerpflichtige Gewinn den Bruttoveräußerungserlös, während die Antragstellerin meint, dass – insbesondere aus Gründen des slowenischen Verfassungsrechts zur Vermeidung einer übermäßigen Besteuerung – bei der Gewinnermittlung die um Abschreibungen geminderten Anschaffungskosten abzuziehen seien. Entsprechend ihrer Ansicht hatte die Antragstellerin zuerst nur diesen Nettogewinn erklärt und darauf Steuern entrichtet. Die Hauptforderung 1 betrifft mit einer Höhe von jedenfalls mehr als x € die in Folge einer Betriebsprüfung festgesetzte Mehrsteuer wegen Nichtanerkennung des begehrten Abzugs der um Abschreibungen verminderten Anschaffungskosten (Restbuchwert). Ein unmittelbarer – wohl der Rechtssatzverfassungsbeschwerde ähnlicher – Rechtsbehelf vor dem slowenischen Verfassungsgericht hatte keinen Erfolg. Die Antragstellerin trägt vor, dass das Verfassungsgericht die Zurückweisung auf den Vorrang der (unstreitig) bisher nicht abgeschlossenen Anfechtungsklagen gegen die Steuernachforderungen gestützt habe. Außerdem sehe das slowenische Recht...