0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
§ 80 ist mit dem Sozialgesetzbuch (SGB) – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – v. 23.12.1976 (BGBl. I S. 3845) mit Wirkung zum 1.1.1977 in Kraft getreten und seither nicht geändert worden. Die Vorschrift basiert auf den Vorgängerregelungen der §§ 26 Abs. 1 Satz 1 und 25 Abs. 2 HS 2 RVO. Sie steht in systematischem Zusammenhang mit den Normen zur Aufbringung der Mittel (§ 20 Abs. 1) und der Mittelverwendung im Rahmen der vorgeschriebenen oder zugelassenen Aufgaben (§ 30 Abs. 1).
1 Allgemeines
Rz. 1a
Die Vorschrift bestimmt Grundsätze für die Anlegung und Verwaltung der Mittel der Versicherungsträger. Diese fungieren als treuhänderische Sachwalter der Geldmittel, die ihnen ihre Mitglieder in Form von Beiträgen zur Finanzierung auch der sozialversicherungsrechtlichen Geldleistungen zur Verfügung gestellt haben (BSG, Urteil v. 11.12.2002, B 5 RJ 42/01).
Versicherungsträger i. S. der Norm sind die Träger der gesetzlichen Kranken-, Unfall- und Rentenversicherung einschließlich der Alterssicherung der Landwirte sowie der sozialen Pflegeversicherung (vgl. § 1 Abs. 1). Sie findet darüber hinaus entsprechende Anwendung auf die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) sowie die Künstlersozialversicherung (§ 45 KSVG) und schließt Sonderregelungen der einzelnen Sozialversicherungszweige nicht aus (§ 1 Abs. 3; vgl. die Übersicht über die trägerspezifischen Regelungen bei Borrmann, in: Hauck/Noftz, SGB IV, § 80 Rz. 1d f.).
Die Maßstäbe, die an die Verwaltung der Mittel anzulegen sind, entsprechen den allgemeingültigen Grundsätzen. Außerdem sollen die Versicherungsträger nach der amtlichen Begründung (zum RegE-SGB IV, BT-Drs. 7/4122 S. 37 f. zu § 81-E) dem Anliegen des Stabilitätsgesetzes entsprechend bei der Anlegung ihrer Mittel die grundsätzliche finanz- und wirtschaftspolitische Zielsetzung des Bundes und der Länder berücksichtigen und insbesondere den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung tragen. Die Beachtung der Vorgaben erfordert ein spezielles Vermögensmanagement der Sozialversicherungsträger (Borrmann, RVaktuell 2012 S. 67; zur Politik des New Public Managements als Folge der Finanzkrise: Demme, WzS 2014 S. 131 m. w. N.). Der Vorstand hat Richtlinien zur Führung der Verwaltungsgeschäfte zu erlassen (vgl. §§ 35 Abs. 2 und 35a Abs. 1), zu denen auch eine Anlagerichtlinie gehört (vgl. Borrmann, RVaktuell 2014 S. 166); das Bundesversicherungsamt, seit dem 1.1.2020 umbenannt in Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS), hat Empfehlungen für die Erstellung von Anlagerichtlinien der Krankenkassen (Stand: 25.2.2014) und auch für die Mindestanforderungen an ein Finanzanlagemanagement (vgl. zuletzt Rundschreiben v. 22.1.2019, Az. 511-4110.02-134/2012) gegeben.
Der Begriff der Mittel entspricht dem der §§ 20 Abs. 1 und 30 Abs. 1 und meint das gesamte Vermögen des Versicherungsträgers, also die ihm zur Verfügung stehenden Barmittel und geldwerten Rechte. Grundsätzlich setzt sich das Vermögen eines Versicherungsträgers aus Betriebsmitteln, Rücklage und Verwaltungsvermögen zusammen (vgl. § 259 SGB V). Wegen der Zweckbindung des Vermögens an die gesetzlichen Aufgaben ist ein nicht von § 80 erfasstes Freivermögen nicht vorgesehen (Borrmann, in: Hauck/Noftz, SGB IV, § 80 Rz. 3b).
2 Rechtspraxis
2.1 Anlage und Verwaltung der Mittel (Abs. 1)
2.1.1 Anlagesicherheit
Rz. 2
Bereits die Formulierung "erscheint" verdeutlicht, dass im Rahmen der Mittelverwaltung der völlige Ausschluss eines Verlustes nicht zu erreichen ist. Es ist ausreichend, aber auch erforderlich, dass bei vernünftiger prognostischer Betrachtung ein Verlustrisiko so weit wie möglich gemindert und eine im Verhältnis zu anderen Anlagemöglichkeiten vorteilhafte Sicherheit gewährleistet wird (BSG, Urteil v. 18.7.2006, B 1 A 2/05 R; zur Folge eines Verlustes vgl. Breitkreuz, a. a. O., § 80 Rz. 12; zur Zulässigkeit von Negativzinsen vgl. Borrmann, WzS 2017 S. 78).
Der Grundsatz der Anlagesicherheit bezieht sich sowohl auf die Anlageinstitution als auch auf das Anlageprodukt und verbietet spekulative Geschäfte (BSG, Urteil v. 3.3.2009, B 1 A 1/08 R). Zu letzteren zählen etwa die Anlage in Aktien oder in Fonds mit deutlichem Aktienanteil ohne besondere Einlagensicherung (ausnahmsweise zulässig dagegen der Pflegevorsorgefonds, vgl. § 134 Abs. 2 SGB XI) und unmittelbar oder mittelbar kreditfinanzierte Anlagen, denn eine Kreditaufnahme ist den Krankenkassen grundsätzlich nicht gestattet (BSG, Urteil v. 3.3.2009, a. a. O.). Die genehmigungspflichtige Gründung einer privatrechtlichen Beratungsgesellschaft als Vermögensanlage kann die Verankerung bestimmter Kontroll- und Prüfungsrechte der Aufsichtsbehörde im Gesellschaftsvertrag verlangen (BSG, Urteil v. 16.11.2005, B 2 U 14/04 R).
Orientierungspunkte für die Beurteilung der Sicherheit ergeben sich zum einen aus den anerkannten Sicherungsformen (z. B. dingliche Sicherung, Forderungsabtretung, Bürgschaft) und zum anderen aus den vom Gesetzgeber zugelassenen Anlegungsformen im Katalog des § 83 Abs. 1 sowie aus den Regelungen in § 84 hinsichtlich der Beleihung vo...