Rz. 2
Der Bundesgesetzgeber schuf im Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) v. 25.5.1976 eine mit §§ 53ff. weitgehend übereinstimmende Regelung. In der Begründung (BT-Drs. 7/910 S. 76/77) ist seinerzeit unter anderem ausgeführt worden, dass für den öffentlich-rechtlichen Vertrag unabweisbare Bedürfnisse aus der Sicht der Verwaltung und des Bürgers sprächen, weil für die Praxis der Verwaltung die Regelung durch Verwaltungsakt, der nur ein Entweder-Oder zuließe, häufig zu starr sei und den Besonderheiten atypischer Fälle, denen die auf den Normalfall zugeschnittenen normativen Regelungen nicht Rechnung tragen könnten, durch öffentlich-rechtliche Verträge besser als durch Verwaltungsakt entsprochen werden könnte, ohne dass das öffentliche Interesse dadurch Schaden erleiden müsste. Damit ist auch die Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Verträge im Über- und Unterordnungsverhältnis (subordinationsrechtliche Verträge) bejaht worden. Durch die Bestimmungen in §§ 53ff. ist neben dem Verwaltungsakt eine zweite gleichwertige Handlungsalternative geschaffen worden, derer sich die Behörde bedienen kann, sofern nicht eine bestimmte Handlungsform vorgeschrieben ist (BSGE 51 S. 126, 129).
Der öffentlich-rechtliche Vertrag hat im Leistungs- und Beitragsrecht keine überragende Bedeutung erringen können, da die Zulässigkeit subordinationsrechtlicher Verträge durch § 53 Abs. 2 auf Ermessensleistungen beschränkt worden ist. Die Einschränkung in Abs. 2 erfolgte zum Schutze des Bürgers. Es soll verhindert werden, dass Verträge über Sozialleistungen geschlossen werden, auf die der Bürger einen Anspruch hat (BT-Drs. 8/2034 S. 36). Deshalb ist in den Bereichen des Leistungs- und Beitragsrechts der Verwaltungsakt die maßgebliche Handlungsform geblieben (zur Anwendung des öffentlich-rechtlichen Vertrages im Sozialhilferecht sowie für den Bereich des Sozialen Entschädigungsrechtes vgl. Kretschmer, DÖV 2006 S. 893; Gent, SGb 1987 S. 495; Salje, DÖV 1988 S. 333, Böhm, VersorgungsB 1986 S. 15, 30, 44). Der öffentlich-rechtliche Vertrag findet hingegen im Wesentlichen bei der Regelung der Rechtsbeziehungen zwischen den Leistungsträgern seine Anwendung. Jedoch hat er auch im Bereich der Grundsicherungsleistungen zuletzt an Bedeutung gewonnen, da der Gesetzgeber insoweit von diesem Regelungsinstrument Gebrauch gemacht hat (z. B. § 15 Abs. 1 SGB II).
Durch eine vertragliche Gestaltung, die die Beteiligten wesentlich beeinflussen können, wird der Rechtsfrieden eher herbeigeführt als mit einer einseitigen hoheitlichen Regelung (Engelmann, in: v. Wulffen, Kommentar SGB X, § 53 Rz. 2). Die Zahl der Rechtsstreitigkeiten verringert sich deutlich. Die Rechtsbeständigkeit ist gegenüber derjenigen eines Verwaltungsaktes auch größer, da eine Änderung des öffentlich-rechtlichen Vertrages der Einigung beider Vertragspartner bedarf, während ein Verwaltungsakt einseitig (unter bestimmten Voraussetzungen) von der Behörde aufgehoben werden kann.