0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift ist mit Wirkung zum 1.1.1997 durch das Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz (UVEG) v. 7.8.1996 (BGBl. I S. 1254) in Kraft getreten. Abs. 1 wurde durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze v. 5.8.2010 (BGBl. I S. 1127) mit Wirkung zum 11.8.2010 geändert. In Abs. 1 wurde Satz 2 durch das Gesetz zur Änderung des Siebten Buches Sozialgesetzbuch v. 5.12.2012 (BGBl. I S. 2447) mit Wirkung zum 1.1.2013 angefügt.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Bestimmung regelt die sachliche Zuständigkeit des Unfallversicherungsträgers bei Vorliegen unterschiedlich gestalteter Unternehmensformen und enthält diesbezüglich die entsprechenden Begriffsbestimmungen.
2 Rechtspraxis
Rz. 3
Umfasst ein Unternehmen mehrere Bestandteile, so handelt es sich um ein Gesamtunternehmen (zum Begriff Gesamtunternehmen vgl. Rz. 6). Nach Abs. 1 Satz 1 teilen die Bestandteile eines Gesamtunternehmens grundsätzlich das unfallversicherungsrechtliche Schicksal des Hauptunternehmens (zum Begriff Hauptunternehmen vgl. Rz. 5a).
Rz. 4a
Von dem unter Rz. 3 genannten Grundsatz wird in Abs. 1 Satz 2 insbesondere unter dem Aspekt einer sachgerechten Unfallverhütung abgewichen. Danach bleibt die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft für Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft einschließlich des Garten- und Weinbaus, der Fischzucht, Teichwirtschaft, der Binnenfischerei, der Imkerei, der den Zielen des Natur- und Umweltschutzes dienenden Landschaftspflege, der Park- und Gartenpflege sowie für Friedhöfe und Jagdunternehmen (vgl. hinsichtlich der aufgeführten Unternehmensformen § 129 Abs. 4 Satz 2) sachlich zuständig, selbst wenn diese als kommunale Regiebetriebe betrieben werden, für die an sich der kommunale Unfallversicherer zuständig wäre.
Rz. 4b
Dass § 129 Abs. 4 unberührt bleiben soll, bezeugt die Sicht des Gesetzgebers, wonach für die zuvor bezeichneten Unternehmen die sachgerechteste Unfallverhütung seitens der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft geleistet werden kann.
Rz. 5
Abs. 2 nennt die Erkennungsmerkmale von Hauptunternehmen, Hilfsunternehmen und Nebenunternehmen.
Rz. 5a
Hauptunternehmen eines Gesamtunternehmens ist derjenige Unternehmensteil, der den wirtschaftlichen Schwerpunkt bildet und dem Gesamtunternehmen sein Gepräge verleiht. Kriterien für die Beurteilung des wirtschaftlichen Schwerpunktes sind etwa die Zahl der Beschäftigten, die Höhe der Entgeltsumme oder der Wert der Betriebseinrichtung.
Rz. 5b
Ein Hilfsunternehmen liegt vor, wenn ein Unternehmensteil überwiegend oder ausschließlich den Zwecken eines anderen Unternehmensteils (dem Haupt- und Nebenunternehmen) dient. Daher werden Hilfsunternehmen auch als wesentliche Bestandteile des Unternehmens bezeichnet. Das Hilfsunternehmen verfolgt keinen eigenen wirtschaftlichen Zweck. Als Hilfsunternehmen zu nennen sind beispielhaft die in § 124 aufgeführten Bestandteile eines landwirtschaftlichen Unternehmens, wie etwa dessen Haushalt oder dem Unternehmen nützende Bauarbeiten. Diese verdeutlichen den lediglich unterstützenden Charakter eines Hilfsunternehmens.
Rz. 5c
Das Nebenunternehmen verfolgt wie das Hauptunternehmen einen eigenen wirtschaftlichen Zweck. Es erfüllt nur geringe oder keine Unterstützungsfunktion für das Hauptunternehmen. Es ist sozusagen ein "zweites Standbein" und kann unabhängig vom Hauptunternehmen betrieben werden. Biogasanlagen, die der Landwirt neben seinem Hof zur Einspeisung von Strom gegen Vergütung in das Stromnetz betreibt oder die Autowerkstatt eines Taxiunternehmens, die nicht nur der Wartung der Mietwagen dient, können in diesem Zusammenhang beispielhaft genannt werden.
Rz. 5d
Erforderlich ist stets das Vorliegen der Unternehmeridentität zwischen Haupt- und Nebenunternehmer. Innerhalb der Unternehmensteile muss ein wirtschaftlicher und betriebsrechtlicher Zusammenhang unter einheitlicher Leitung bestehen (BSG, Urteil v. 1.2.1979, 2 RU 29/77). Für einen wirtschaftlichen Zusammenhang sind für die verschiedenartigen Unternehmensteile eine einheitliche Personalverwaltung, eine einheitliche Sachverwaltung, eine einheitliche Buchführung und eine einheitliche Ergebnisrechnung (Gewinn- und Verlustrechnung) Indizien. Ein betriebstechnischer Zusammenhang wird durch den räumlichen Zusammenhang, die wechselseitige Beschäftigung der Arbeitnehmer in allen Unternehmensteilen, die gemeinsame Verwendung von Einrichtungen (Maschinen, Fahrzeuge, Verladeanlagen etc.) sowie eine gemeinsame Verarbeitung oder Weiterverarbeitung gewonnener Rohstoffe dokumentiert. Es haben nicht alle Merkmale kumulativ vorzuliegen. Eine natürliche und lebensnahe Betrachtungsweise der Umstände des Einzelfalles hat zu erfolgen.
Rz. 6
Betreibt ein Unternehmer ein Unternehmen mit verschiedenen Bestandteilen (Hauptunternehmen, Nebenunternehmen, Hilfsunternehmen), liegt ein Gesamtunternehmen vor. Der Begriff Gesamtunternehmen ist in der Vorschrift nicht definiert. Die diesbezügliche sachliche Zuständigkeit des Unfallversicherungsträgers orientiert sich an den zuvor genannten Grund...