Rz. 9
Abs. 2 greift im Eingangssatz den generellen Präventionsauftrag des § 14 Abs. 1 auf. Darauf basieren die Befugnisse der Aufsichtspersonen, die in den nachfolgenden Nr. 1 bis 8 in einer beispielhaften nicht abschließenden Aufzählung ("insbesondere") genannt werden. Die Befugnisse beziehen sich auf den räumlich-organisatorischen Bereich des Unternehmens, das in die Zuständigkeit des jeweiligen Unfallversicherungsträgers fällt. Bei der Ausübung der Befugnisse müssen die Aufsichtspersonen den Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten. Die Maßnahmen müssen also einem legitimen Ziel dienen. Sie müssen erforderlich, geeignet und angemessen sein. Dabei müssen insbesondere die Grundrechte der Unternehmer und ihrer Versicherten, aber auch die Belange der Allgemeinheit in die erforderlichen Abwägungen einbezogen werden.
2.2.1 Befugnisse nach Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
Rz. 10
Die Aufsichtspersonen haben die Befugnis, zu den Betriebs- und Geschäftszeiten Grundstücke und Betriebsstätten zu betreten, zu besichtigen und zu prüfen. Die Unternehmer sind verpflichtet, den Zutritt zu gewähren und Besichtigungen zu ermöglichen. Maßgeblich sind die Betriebs- und Geschäftszeiten des jeweiligen Unternehmens. Grundstücke und Betriebsstätten sind alle vom Unternehmen genutzte Räumlichkeiten, z. B. bei einem Bauunternehmen auch die Baugrundstücke, auf denen das Unternehmen tätig ist. Die Befugnis zu prüfen, beinhaltete auch das Recht, Fotos von Betriebseinrichtungen zu fertigen (vgl. dazu VG Köln, Urteil v. 24.4.2008, 20 K 2473/06).
2.2.2 Befugnisse nach Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 4
Rz. 11
Die Befugnis, von dem Unternehmer die zur Durchführung ihrer Überwachungsaufgabe erforderlichen Auskünfte zu verlangen (Nr. 2) betrifft Auskünfte zu allen präventionserheblichen Sachverhalte, z. B. zu Arbeitsverfahren, Arbeitsmitteln, Sicherheitseinrichtungen, Zahl der Beschäftigten und zu arbeitsmedizinischer Betreuung (Ricke, in: KassKomm. SGB VII, § 19 Rz. 12). Die Befugnis, geschäftliche und betriebliche Unterlagen des Unternehmers einzusehen, soweit es die Durchführung ihrer Überwachungsaufgabe erfordert (Nr. 3), lässt schon im Wortlaut die gebotene Abwägung erkennen: Sind die jeweiligen Unterlagen relevant zur Durchführung der Überwachungsaufgabe? Zu prüfen ist auch hier die Verhältnismäßigkeit. Die Befugnis, Arbeitsmittel und persönliche Schutzausrüstungen sowie ihre bestimmungsgemäße Verwendung zu prüfen (Nr. 4), ist weit auszulegen. Es ist unerheblich, wo diese sich befinden. Auch Maschinen, Werkzeuge und Transportgeräte sind umfasst.
2.2.3 Befugnisse nach Abs. 2 Satz 1 Nr. 5
Rz. 12
Die Befugnis, Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufe zu untersuchen und insbesondere das Vorhandensein und die Konzentration gefährlicher Stoffe und Zubereitungen zu ermitteln, überschneidet sich stellenweise mit den übrigen nach Abs. 2 aufgeführten Befugnissen. Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufe sind begrifflich weit auszulegen. Die Ermittlungen sollen sich auf das Vorhandensein und die Konzentration gefährlicher Stoffe und Zubereitungen konzentrieren. Damit sind alle Gase, Stäube, Flüssigkeiten, Chemikalien usw., die im Unternehmen hergestellt, gelagert, umgeschlagen, bearbeitet, verarbeitet oder sonst wie (z. B. als Arbeitsmittel i. S. v. Nr. 4) verwendet werden oder vorhanden sind, umfasst (Ricke, in: KassKomm. SGB VII, § 19 Rz. 15). Diese sind gefährlich, wenn von ihnen Gesundheitsgefahren ausgehen. Zur Ermittlung kommen diverse Methoden und Wege in Betracht. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebietet, das erforderliche und geeignete, aber am wenigsten aufwendige Verfahren zu wählen. Die Kosten der Ermittlungen durch die Aufsichtsbeamten (1. Variante) trägt der Unfallversicherungsträger. Sind allerdings Ermittlungen durch Dritte erforderlich (2. Variante), z. B. durch Analyseinstitute, so sieht Nr. 5 die Befugnis vor, diese auf Kosten des Unternehmers durchführen zu lassen. Die Kosten können aber auch vom Unfallversicherungsträger getragen werden. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die Bedeutung der Untersuchung über das einzelne Unternehmen hinausgeht (Schmitt, SGB VII, § 19 Rz. 23).
2.2.4 Befugnisse nach Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 bis 8
Rz. 13
Die Befugnis zur Entnahme von Proben (Abs. 2 Satz 1 Nr. 6) steht im Zusammenhang mit den Ermittlungen nach Abs. 2 Satz 1 Nr. 5. Die Befugnis, Proben vom Unternehmer anzufordern oder selbst zu entnehmen, muss sich auf das erforderliche Maß beschränken. Nur dann ist der Eingriff in das Eigentumsgrundrecht des Unternehmers aus Art. 14 Abs. 1 GG gerechtfertigt. Soweit der Unternehmer nicht darauf verzichtet, ist eine Empfangsbescheinigung zu erteilen. Diese sollte Angaben über Art, Menge, Entnahmezeitpunkt und den Entnehmenden enthalten. Ein Teil der Proben sollte amtlich verschlossen oder versiegelt zurückgelassen werden. Gemäß Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 sind die Aufsichtspersonen befugt, zu untersuchen, ob und auf welche betrieblichen Ursachen ein Unfall, eine Erkrankung oder ein Schadensfall zurückzuführen ist. Es handelt sich um präventive Untersuchungen zur Vermeidung künftiger Unfälle und sonstiger Schadensfälle. Die Untersuchungsmaßnahmen müssen auch hier dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ge...