0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Durch das Gesetz zur Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch (Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz – UVEG) v. 7.8.1996 (BGBl. I S. 1254) wurde die Vorschrift mit Wirkung zum 1.1.1997 in das SGB VII aufgenommen. Abs. 2 Satz 2 wurde geändert und Abs. 6 wurde durch Art. 1 Nr. 2 b des Gesetzes zur Organisationsreform in der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (LSVOrgG) v. 17.7.2001 (BGBl. I S. 1600) mit Wirkung zum 1.7.2001 eingefügt. Durch Art. 4 Nr. 1 des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes v. 21.7.2004 BGBl. I S. 1791) wurde Abs. 2 Satz 2 zum 1.8.2004 abermals geändert. Abs. 2 Satz 1 wurde durch Art. 10a des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung (Unfallversicherungsmodernisierungsgesetz – UVMG) v. 30.10.2008 (BGBl. I S. 2130) mit Wirkung zum 5.11.2008 geändert und die am 1.7.2008 geltenden Beträge eingefügt. Durch Art. 8 Nr. 5 des Achten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze v. 20.12.2022 (BGBl. I S. 2759) wurde Abs. 1 mit Wirkung zum 1.1.2023 neu gefasst.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Vorschrift regelt für den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung die Leistungen bei Pflegebedürftigkeit und steht in einem eigenen (fünften) Unterabschnitt. Sie knüpft an die Vorgängervorschrift des § 558 RVO an. In Abs. 1 wird der Begriff der Pflegebedürftigkeit legal definiert und die Geld- und Sachleistungen bei Pflegebedürftigkeit benannt. Abs. 2 benennt den Rahmen für die Leistung des Pflegegeldes und den Dynamisierungszeitpunkt. Abs. 3 legt fest, bis zu welchem Zeitpunkt Pflegegeld gezahlt wird, wenn der Versicherte stationär behandelt oder untergebracht wird, und wann die Zahlung wieder aufgenommen wird. Abs. 4 regelt die jährliche Anpassung des Pflegegeldes. Abs. 5 regelt die Gewährung von Hauspflege durch Gestellung einer Pflegekraft oder die Gewährung von Heimpflege. Abs. 6 regelt die Mindest- und Höchstsätze bei der Dynamisierung des Pflegegeldes.
2 Rechtspraxis
2.1 Pflegebedürftigkeit
Rz. 3
Der Begriff der Pflegebedürftigkeit findet sich nicht in der Norm selbst, sondern lediglich in der Überschrift des Fünften Unterabschnitts vor § 44. In der Vorschrift wird die Pflegebedürftigkeit derart umschrieben, dass der Versicherte so hilflos sein muss, dass er für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens in erheblichem Umfang der Hilfe bedarf. Diese Definition entspricht derjenigen in § 35 BVG und in § 14 SGB XI a. F. Während in der sozialen Pflegeversicherung mit dem Zweiten Gesetzes zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und Änderung weiterer Vorschriften (Zweites Pflegestärkungsgesetz – PSG II) v. 21.12.2015 (BGBl. I 2424) ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff eingefügt wurde, blieb die Fassung des § 44 unverändert. Grundsätzlich ist von einem eigenständigen und umfassenden Begriff der Pflegebedürftigkeit und der Hilflosigkeit in der gesetzlichen Unfallversicherung auszugehen (Römer, in: Hauck/Noftz, SGB VII, § 44 Rz. 15).
Rz. 4
Der in der aktuellen Fassung des § 14 Abs. 1 SGB XI umschriebene Begriff der Pflegebedürftigkeit ist im Bereich der Unfallversicherung als Mindestmaßstab anzusehen (Römer, a. a. O.; Ricke, in: Kasskomm. SGB VII, § 44 Rz. 4). Anders als im Versorgungsrecht ist auch der hauswirtschaftliche Hilfebedarf bei der Beurteilung der Hilflosigkeit zu berücksichtigen (BSG, Urteil v. 26.6.2001, B 2 U 28/00 R). Anders als nach § 14 Abs. 1 Satz 3 SGB XI muss die Pflegebedürftigkeit nicht voraussichtlich für mindestens 6 Monate oder auf Dauer bestehen. Auch eine kürzere Zeit andauernde Pflegebedürftigkeit reicht aus (Bereiter-Hahn/Mehrtens, SGB VII, § 44 Rz. 5). Gemäß Abs. 1 ist der Hilfebedarf bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens der Gradmesser für das Bestehen der Pflegebedürftigkeit. Dabei kann auch weiterhin auf den Katalog der Verrichtungen nach § 14 SGB XI a. F. zurückgegriffen werden. Der Wortlaut des Abs. 1 wird durch das 8. SGB IV-ÄndG lediglich semantisch geändert. Der Gesetzgeber wollte den Wechsel vom staatlichen Fürsorgeprinzip hin zum Recht auf umfassende staatliche Teilhabe damit zum Ausdruck bringen (BT-Drs. 20/3900 S. 105). Dabei hat es der Gesetzgeber jedoch versäumt, den Wortlaut an die Neufassung des bereits ab 1.1.2017 geltenden Begriffs der Pflegebedürftigkeit in § 14 Abs. 1 SGB XI in der Fassung des 2. Pflegestärkungsgesetzes (PSG II) v. 21.12.2015 (BGBl. I S. 2424) anzupassen. Eine Änderung im Leistungsumfang ist mit der misslungenen gesetzgeberischen Aktion nicht verbunden (vgl. BT-Drs. 20/3900 S. 105).
Rz. 5
Die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens sind danach (vgl. BSG, SozR 3-2700 § 44 Nr. 1)
- das Waschen, das Duschen, das Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, das Rasieren, die Darm- oder Blasenentleerung (Bereich der Körperpflege);
- das mundgerechte Zubereiten der Nahrung, die Aufnahme der Nahrung (Bereich der Ernährung);
- das Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, das An- und Auskleid...