Rz. 1194

[Autor/Stand] Nach der herkömmlichen Interpretation handelt gewerbsmäßig, wer die Tat mit der Absicht begeht, sich durch wiederholte deliktstypische Handlungen eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen[2]. Das Merkmal "Gewerbsmäßigkeit" ist also wesentlich geprägt durch ein subjektives Element, so dass bereits mit der ersten Tathandlung diese Erschwernisform verwirklicht sein kann (krit. hierzu s. § 373 Rz. 35 f.)[3].

Es braucht sich nicht um eine ständige Einnahmequelle oder um ein "kriminelles Gewerbe" zu handeln (s. dazu Näheres bei § 373 Rz. 36 ff. m.w.N.)[4]. Geringfügige Nebeneinkommen reichen jedoch nicht aus; vorausgesetzt ist vielmehr, dass die Einnahmequelle einigen Umfang aufweist[5]. Die in § 373 AO zitierten Entscheidungen mögen allerdings erhellen, welche Bagatellfälle für die Rspr. Anlass waren, die Frage der Gewerbsmäßigkeit zu prüfen.

 

Rz. 1194.1

[Autor/Stand] Wendet man diese generelle Definition auch auf § 370 AO an, so wird man die Ansicht vertreten müssen, eine jede Steuerhinterziehung erfolge in diesem Sinne "gewerbsmäßig", denn die nur einmalige Hinterziehung insb. von Einkommen- oder Umsatzsteuer ist in der Praxis eher die Ausnahme. Aufgrund der periodischen Steuerveranlagung erstreckt sich ein Hinterziehungsvorsatz in diesen Fällen typischerweise auf eine wiederholte und fortlaufende Begehung[7]. Etwas anderes gilt für die "einmalige" Erbschaft-/Schenkungsteuer und die Grunderwerbsteuer. Ausgehend von diesem Begriff der Gewerbsmäßigkeit wäre die "einfache" Steuerhinterziehung der Ausnahmefall, da die neue Vorschrift nach ihrem Wortlaut und je nach Auslegung geeignet ist, nahezu alle steuerstrafrechtlichen Sachverhalte zu erfassen. Die Kriminalisierung weiter Teile der Bevölkerung wäre die Folge[8]. Das war auch einer der entscheidenden Gründe, aus denen der BGH[9] § 370a AO a.F. für verfassungswidrig hielt.

 

Rz. 1194.2

[Autor/Stand] Restriktionsansätzen in der Literatur erteilte der BGH eine klare Absage. Eine starke Ansicht im Schrifttum wollte mit Blick auf die Entstehungsgeschichte, die Systematik und den Gesetzeszweck im Rahmen des § 370a AO a.F. eine restriktive eigenständige Definition der Gewerbsmäßigkeit entwickeln[11]. Der Gesetzgeber habe mit der Einführung des Straftatbestands der schweren Steuerhinterziehung die "organisierte Kriminalität" und den "Umsatzsteuerbetrug" in der Form der "Karussellgeschäfte zur Erschleichung von Vorsteuererstattungen" bekämpfen wollen[12]. Eine gewerbsmäßige Steuerhinterziehung i.S.d. § 370a AO a.F. hätte danach als Qualifizierung des § 370 AO nur vorgelegen, wenn ein Steuerhinterzieher beabsichtigt habe, aus der Hinterziehung eine echte Einnahme in der Form eines Zuflusses zu erzielen[13]. Eine solche Absicht sei unabhängig von dem Ausmaß der Hinterziehung bei einer "normalen" Steuerhinterziehung (z.B. in sog. Luxemburgfällen) grds. nicht gegeben, wohl aber bei erschlichenen Vorsteuererstattungen. Täter einer bandenmäßigen Steuerhinterziehung i.S.d. § 370a AO a.F. konnten nur Unternehmer i.S.d. Umsatzsteuergesetzes und deren Mittäter und/oder Gehilfen sowie u.U. deren Anstifter sein. Nur in diesem eingeschränkten Sinne sei eine Hinterziehung nach § 370a AO a.F. eine mögliche Vortat für die Geldwäsche gewesen.

 

Rz. 1195

[Autor/Stand] Gegen einen eigenständigen abgabenrechtlichen Begriff der "Gewerbsmäßigkeit" spricht, dass die eingangs zitierte Rspr. bereits bislang beim gewerbsmäßigen Schmuggel und der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei gem. §§ 373 und 374 AO galt[15]. Bei den Zolldelikten führt aber nicht direkt die unrichtige Zollanmeldung zu einer unmittelbaren Einnahmequelle, sondern erst der spätere Absatz der Schmuggelware. Auch hier reicht nach der Rspr. deshalb die Erlangung eines mittelbaren geldwerten Vorteils aus. So erlangt auch im Regelfall einer Steuerverkürzung der Täter einen mittelbaren Vorteil dergestalt, dass die durch unrichtige Steuererklärung erwirkte Steuerersparnis ungeschmälert im Vermögen des Täters verbleibt. Der Begriff Gewerbsmäßigkeit dürfte daher nicht anders zu verstehen sein als in den anderen steuerstrafrechtlichen Vorschriften.

Nachdem danach schon unter Geltung des § 370a AO a.F. eine Einschränkung der Gewerbsmäßigkeit nicht überzeugte, gilt dies erst recht unter der neuen Regelungssystematik. Auch wenn sich die Gewerbsmäßigkeit auf die Begehung des § 370 AO bezieht, so handelt es sich doch um ein Tatbestandsmerkmal des StGB, nämlich um eines der Geldwäsche. Es bezieht sich in diesem Zusammenhang nicht nur auf das Steuerdelikt des § 370 AO, sondern auch auf andere Delikte, die in keinem Zusammenhang mit Steuerverstößen stehen, wie sich aus § 261 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Buchst. a StGB und anderen Strafnormen des § 261 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Buchst. b StGB ergibt. Die in der Literatur entwickelten Restriktionen der Gewerbsmäßigkeit im Zusammenhang mit den steuerrechtlichen Vorschriften sind im Zusammenhang mit diesen nicht steuerrechtlichen Vorschriften nicht nachzuvollziehen un...

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